Julius Weiland – Bild versus Glas!

Julius Weiland ist vor allem bekannt für seine Kunstwerke aus Glas, die sich in vielen renommierten Sammlungen befinden (Victoria & Albert Museum, Museum Kunstpalast, Sammlung Würth, Kunstsammlungen der Veste Coburg und eben auch im Glasmuseum Lette). Seit einigen Jahren ist in seinem Schaffen die Malerei hinzugekommen, die der Künstler mittlerweile auch zusammen mit seinen Werken aus Glas ausstellt. Jetzt kommt der Wahlberliner Julius Weiland nach Lette und präsentiert eine Werkschau, die selbst für das Glasmuseum eine Premiere ist, denn zur Kunst aus Glas gesellt sich seine Malerei, die nicht isoliert zu betrachten ist, sondern im Kontext mit dem zuweilen exklusiv geschaffenen Glasobjekt steht. Deshalb: Bild versus Glas! Ihre Materialität könnte gegensätzlicher nicht sein, das Thema Architektur eint sie.

Die Architektur ist auch der Auslöser zu dieser Schaffensreihe. Im Fokus steht die Nachkriegsarchitektur im Osten Berlins der 60er bis 80er Jahre, die als Brutalismus (West) oder als Sozialistische Moderne (Ost) bezeichnet wird. Julius Weiland lebt selbst in einem Wohnblock dieser Zeit, in einem Gebäudeensemble mit dem Namen „Platz der Vereinten Nationen“ (ehemals Leninplatz), das einst Prestigeprojekt und Symbol für die Fortschrittlichkeit der damaligen DDR war. Heute steht es unter Denkmalschutz. Dieses Gebäude und andere wie die der Neuköllner High-Deck-Siedlung zeichnet Weiland mit Bleistift auf der Leinwand vor, verändert hier und da, lässt Dinge weg und verfremdet das reale Vorbild. Sein Ergebnis sind homogen wirkende, perspektivische horizontale und vertikale Farbfelder aus Ölfarbe, die er stets voneinander abgegrenzt, ohne sie zu vermischen oder zu überlappen. Die gebaute Architektur geht so zwar über in eine flache, zweidimensionale Ansicht, doch erzeugen die vielen Perspektivwechsel eine virtuelle Räumlichkeit, deren Gegenspieler – das Glasobjekt – das reale dreidimensionale Raumerlebnis schafft. Das gelingt umso mehr dank der Transparenz des Glases.

Weilands künstlerische Intention geht über in eine soziale, denn die von ihm gewählten Bauobjekte waren einst Schlaglichter des visionären sozialen Wohnungsbaus, der oftmals einer Ideologie folgte und auch wegen Konzeptionsfehler und Sparauflagen die Wohnbedürfnisse der Menschen nicht erreichen konnte.

Hier setzt Julius Weiland an, indem auch er seine Malerei reduziert, minimalisiert und letztlich nur die Grundstruktur seiner architektonischen Vorlagen zum Vorschein bringt. Diese Grundstruktur überträgt er auf das Glas. Geometrische Formen, Linien, polygonale Elemente oder Muster zieht er aus der Bildfläche heraus und überträgt sie auf das Glasobjekt. Es entsteht ein neues Zusammenspiel der Motive, die im lockeren Miteinander oder verdichtend, manchmal wie aufgebläht, den Glaskörper überziehen. Wenn Weiland ein Bildmotiv als besonders wichtig erscheint, dann wird es zum Hauptmotiv auf seinem Glasobjekt. Farblich lehnt er sich im Glas an das gemalte Bild an, wobei das Licht sein Objekt zum Leuchten bringt. So entsteht eine lebendige Atmosphäre, die der gemalten Architektur fehlt, ebenso wie der real gebauten.

Das künstlerische Spektrum von Julius Weiland ist breit und vielseitig. Das zeigt die zweite Ebene im Glasmuseum. Dort sind seine ersten Arbeiten aus Glas ausgestellt, verschmolzene Glasröhren von zum Teil spielerischer Dynamik. Für diesen Umgang mit Glasröhren hatte er internationale Preise erhalten. Im Laufe seiner Entwicklung veränderte er ihre Konzeption, Größe und Dichte. Dann wandte er sich dem mundgeblasenen Glas zu und schuf mehrfarbige, fröhliche Arbeiten mit zum Teil figurativem Charakter. Allesamt zeigen sie, dass Julius Weiland immer auf dem Weg ist, das Glas neu zu interpretieren und die Kunst aus Glas zu bereichern.

Bildnachweis:

Bild oben: Julius Weiland, Aubette (Cinema), Öl auf Leinwand, 2023 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Eric Tschernow

Bilder von links:

Julius Weiland, Wandelhalle, Öl auf Leinwand, 2022 +  Modular 1, 2024 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Julius Weiland

Julius Weiland, Polygon, 2022 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Julius Weiland

Julius Weiland, Fred auf der Treppe, Öl auf Leinwand, 2020 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Julius Weiland

Julius Weiland, Formation 3, 2023 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Julius Weiland

 

Julius Weiland, Slump, 2022 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Julius Weiland

Julius Weiland, Untitled V, 2019 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Julius Weiland

Julius Weiland, High Deck 2, Öl auf Holz, 2022 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Julius Weiland

Julius Weiland, Ephemeral Purple, 2012 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Julius Weiland

 

Julius Weiland, Blue Sky, 2018 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Julius Weiland

Julius Weiland, Down the Rabbit Hole, 2017 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Eric Tschernow

Julius Weiland, Matrix, Öl auf Holz, 2022 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Julius Weiland

Julius Weiland, o.T., 2002 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Horst Kolberg

Polens lebendige Glasszene

Vor genau zehn Jahren haben wir zum ersten Mal polnische Künstler zu uns eingeladen, die als Absolventen oder Lehrer mit der renommierten Eugeniusz-Geppert-Akademie für Kunst und Design in Wrocław (Breslau) verbunden sind. Nach wie vor hat diese Hochschule große Bedeutung für den künstlerischen Umgang mit Glas in Polen.

Im Frühjahr 2023 besuchten wir die Glasabteilung der Akademie erneut. Wir erlebten hier eine hochmoderne kreative Stätte in einem weiträumigen Neubau, der mit einer hervorragend ausgebauten technischen Infrastruktur beste Voraussetzungen für die Ausbildung der Studierenden bietet.

Alle Techniken für die Arbeit mit Glas im heißen oder kalten Zustand, wie z. B. in den Bereichen Glasblasen, Fusing, Lampenglas, Glasmalerei, Schliff, Gravur, Architekturglas oder Restaurierung können hier dank des breitgefächerten technischen Equipments ausgeübt werden.

Ein erfahrenes und hochspezialisiertes Lehrpersonal, das auch mit internationalen Fachleuten zusammenarbeitet, gewährleistet dabei das hohe Niveau der Ausbildung. Die Studierenden haben die einzigartige Möglichkeit, sich interdiziplinär mit Glas auseinanderzusetzen und so neue Perspektiven für den eigenen künstlerischen Ausdruck zu finden – eine Situation, die in dieser Dimension auch auf internationaler Ebene beachtenswert ist.

Diese Voraussetzungen in der Lehre und die daraus resultierenden künstlerischen Arbeiten haben uns sehr beeindruckt und bestätigten uns in unserem Wunsch, die Einladung zu einer gemeinsamen Ausstellung zu wiederholen. Unsere Gäste aus Polen, u.a. international renommierte Dozenten, Absolventen und Studenten der Glasabteilung der Eugeniusz-Geppert-Akademie für Kunst und Design in Wrocław, präsentieren rund 50 Arbeiten.

Sie alle beherrschen den Umgang mit den unterschiedlichen Glastechniken perfekt, doch brechen und interpretieren sie gleichzeitig die Traditionen der Glasbearbeitung ständig neu. Ihre Werke sind abstrakt, skulptural, narrativ, ironisch oder einfach nur berührend. Jedes Werk ist einzigartig in Charakter, Aussage, Stil und Form, ein Ausdruck des individuellen Zugangs des Künstlers zum Medium Glas.

Unser besonderer Dank gebührt den beiden Künstlerinnen Kalina Bańka-Kulka und Marzena Krzemińska-Baluch sowie Magdalena und Wiktor Borowski. Alle fungierten sie als Vermittler zwischen den Künstlern und der Stiftung. Dank ihres Engagements können wir nun zum zweiten Mal bei uns im Glasmuseum Polens lebendige Glasszene präsentieren!

 

Foto oben: Justyna Żak, Wild Hive (1), 2022 – Foto Justyna Żak

Fotos von links:
Kalina Bańka-Kulka, Enjoy your meal! (2), 2020 – Foto Kalina Bańka-Kulka
Dagmara Bielecka, все для победы! (All for victory!), 2023 – Foto Grzegorz Stadnik
Monika Rubaniuk, Creeper, 2021 – Foto Titus Poplawski
Agnieszka Leśniak Banasiak, In my mind, 2019 – Foto Krzysztof Pachurka

Stanisław Sobota, Nadciąga mrok (Darkness is coming), 2022 – Foto Stanisław Sobota
Antonina Joszczuk-Brzozowska, Ashes to Ashes II, no.3, 2023 – Foto Justyna Żak
Magdalena Wodarczyk, Implosion, 2017 – Foto Grzegorz Stadnik
Wojciech Peszko, Frog Trap II, 2016 – Foto Krzysztof Pachurka

Pati Dubiel, Infantuazione, 2022 – Foto Anna Huzarska
Anna Józefowska, Arron, 2022 – Foto Michał Łagoda
Katarzyna Krej, Explosion, 2024 – Foto  Agnieszka Wira
Dziyana Shydlouskaya, Adinkra (2), 2019 – Foto Dziyana Shydlouskaya

 

 

NEUERWERBUNGEN 2023

Die aktuelle Ausstellung „Neuerwerbungen 2023“ wird bis zum 02.Juni 2024 verlängert!

Auf der Suche nach spannender Glaskunst, die die Sammlung der Ernsting Stiftung bereichert, haben wir uns auch im vergan­genen Jahr 2023 wieder in der deutschen und internationalen Glasszene umgesehen. Unsere Reisen zu Ausstellungen, Messen, Galerien und Künstlern waren überaus erfolgreich, denn die Glaskunst, der wir dort begegneten, strotzte nur so vor Kreati­vität und Professionalität. Uns bot sich eine bunte, breitgefächerte Palette unterschied­lichster Arbeiten, von farbenfroh bis puris­tisch, von fragil bis kompakt, von erfri­schend skurril bis gesellschaftskritisch, von lebhafter Erzählkunst bis stiller Ästhetik.

Darunter haben wir auch zwei preisgekrön­te Werke entdeckt: In der renommierten Galerie Handwerk München lernten wir u.a. die Arbeit der sehr jungen, äußerst talen­tierten Künstlerin Anna Martinková aus Tschechien kennen. Geboren 2001 in Prag, studiert sie zurzeit noch an der Akademie für Kunst, Architektur und Design. Die klare und dennoch ungewöhnliche Geome­trie ihrer Formensprache hat nicht nur uns sehr beeindruckt: Für ihr Werk „Holy water font“ wurde sie erst kürzlich mit dem viel­beachteten „Czech International Student Design 2023 – Outstanding Student Design Award“ ausgezeichnet. Gefertigt aus form­geschmolzenem, präzise geschnittenem und poliertem Glas, stellt es, wie auch der Titel betont, ein Weihwasserbecken dar. Seine Form jedoch ist atypisch, denn sie folgt dem ungewöhnlichen Grundriss der barockgotischen Kapelle St. Anna im tschechischen Panenské Brežany. Mit dieser Arbeit verneigt sich Anna Martinková nicht nur vor der eigenwilligen Architektur der böhmischen Barockgotik, sondern bewegt sich zudem gekonnt an der Grenze zwischen freier und angewandter Kunst.

In München fiel uns auch die Künstlerin Desislava Stoilova auf, die, geboren 1983 in Bulgarien, seit Jahren in Frankreich lebt und arbeitet. Ihr wichtigstes Material ist Pâte de verre, also eine opake Glaspaste, die sie in einer Sandform im Ofen brennt. Ihre Skulptur „Waiting for the rain“ wurde 2022 bei der hochangesehenen „Internati­onal Exhibition of Glass Kanazawa 2022″ mit dem Silbernen Preis gewürdigt. Das Werk strahlt trotz oder auch wegen der weichen, durchscheinenden Farben nicht nur anmutige Zerbrechlichkeit, sondern auch Kraft und Ruhe aus. Ihr künstleri­sches Schaffen beschreibt Desislava Stoilo­va so: „Die raue und unregelmäßige Textur von Glas erinnert an den Lauf der Zeit und die Abnutzung von Materialien. Mich inspi­riert die Transformation des Materials, aber auch der Realität und der Erinnerung.“

Bei einer Ausstellung in der Glashütte Gernheim machten wir u.a. Bekanntschaft mit den Werken von Anne Wenzel, die zu den wenigen noch verbliebenen deutschen Meistergraveuren zählt. Darüber hinaus ist sie eine fabelhafte Erzählerin – ihre viel­schichtigen, oft skurrilen Geschichten überträgt sie mit einer fantastischen Bild­sprache direkt in das farbige Überfang-Glas, mit dem sie gerne arbeitet.

Seien Sie also gespannt auf unsere rund 60 außergewöhnlichen Neuerwerbungen, auf Objekte, Skulpturen und Installationen von Kunstschaffenden aus aller Welt, die wir Ihnen in unserer neuen Ausstellung vorstel­len möchten!

Foto oben: Valerie Rey, RESPECT, 2022 – Foto Valerie Rey

Fotos von links:

Jenny Mulligan, Confluence Pinky,  2023 – Foto Jenny Mulligan

Nina Casson McGarva, Iris, 2023 – Foto Nina Casson McGarva

Anna Martinková, Holy water font, 2022 – Foto Šimona Němečková

Martin Janecký, Thinker (Blue), 2023 – Foto Glasmuseum Lette

Anne Wenzel, Skin Food, 2022 – Foto Julius Demant

Desislava Stoilova, Waiting for the Rain, 2021 – Foto Desislava Stoilova

Rayleen Clancy, In the Hollow Rocks, 2022 – Foto Rayleen Clancy

Karin Mørch, Big Line, Dark Green, 2022 – Foto Ole Akhøj

Franz Winkelkotte, Offene Gesellschaft, 2023 – Foto Ralf Emmerich

Nancy Sutcliffe, Colony, 2022 – Foto Nancy Sutcliffe

Pauline Bétin, Cereal Catedral, 2017 – Foto Pauline Bétin

Rasmus Nossbring, Faint Recall, 2023, Foto – Studio Kleiner

Erinnerung an Lilly Ernsting – Stifterin und Glassammlerin

Lilly Ernsting (1930-2023) und ihr Mann Kurt (1929-2011) waren erfolgreiche Unternehmer, bedeutende Stifter und Förderer von Kultur, Bildung und sozialen Projekten.

Auch ihre Begeisterung für das zeitgenössische künstlerische Glas wollten sie teilen, Herzen öffnen, Neugier und Interesse für diese besondere Kunstrichtung wecken. Kontinuierlich hatte Lilly Ernsting in rund fünf Jahrzehnten eine weltweit bedeutende Sammlung geschaffen, die auch nach ihrem Tod weitergeführt wird.

Der Wunsch, ihre einzigartige Sammlung nicht privat zu halten, sondern alle interessierten Menschen daran teilhaben zu lassen, veranlasste das Ehepaar Ernsting, 1996 das Glasmuseum und 2006 das Glasdepot in Lette zu gründen. Seither sind zentrale Anliegen des Museums, neue Tendenzen in der deutschen und internationalen Glaskunst aufzuspüren sowie junge Glaskünstler zu fördern und auszustellen. Das Glasdepot bietet den Besuchern die Möglichkeit, die vollständige, kontinuierlich wachsende Glassammlung zu sehen.

Als Lilly Ernsting Mitte der 70er Jahre einen Wanderurlaub im Bayerischen Wald plante, ahnte sie noch nicht, wie sich ihr Leben danach verändern und bereichern sollte. Eher zufällig besuchte sie dort mit ihrem Mann eine Galerie – und entdeckte zum ersten Mal künstlerisches Glas. Sie war sofort fasziniert und erwarb mit einer schlichten Schale von Willi Pistor ihr erstes Glasobjekt. Der Funke war übergesprungen und sollte wie eine Initialzündung die Entstehung einer der bedeutendsten privaten Glassammlungen der Welt auslösen.

Denn Lilly Ernstings Neugier war geweckt, und in den nächsten Jahren begegnete sie dem Studioglas, eine damals noch neue Kunstrichtung, in Galerien, Ausstellungen und durch den persönlichen Kontakt mit Künstlern wie Erwin Eisch und Theodor Sellner.

Ihre wachsende Glassammlung erlebte eine einschneidende Wende, als sie 1985 den charismatischen niederländischen Galeristen Jaap de Harder kennenlernte: „Ein Ästhet, wie er im Buche steht, er führte mich in die Gedankenwelt beim Fühlen und Betrachten der Schönheit und Qualität der Glaskunst ein: weg vom funktionalen Glas, hin zum Objekt- und Skulpturenglas“, sagte sie später über ihn. Als er 1993 viel zu jung verstarb, übernahm Lilly Ernsting seinen Nachlass. Sie behielt ihre Begeisterung bei und sammelte weiter beständig zeitgenössisches internationales Glas. Zur Seite standen ihr dabei bis 2006 die Künstlerin Mieke Groot und bis heute die Geschäftsführerin der Ernsting Stiftung Alter Hof Herding Dr. Ulrike Hoppe-Oehl.

Lilly Ernsting gehörte zur ersten Sammlergeneration des europäischen Studioglases, damit bildet die Geschichte ihrer Sammlung auch gleichzeitig die Geschichte des Studioglases nach. Ihr Motto lautete: Niemals rückwärts kaufen! So hat sie ihren Blick immer nach vorn auf aktuelle Strömungen der Glasszene gerichtet und ihrer Sammlung damit ein eigenständiges und unverwechselbares Gesicht gegeben. Als Sammlerin hatte sie von Anfang an zu allen Werken eine eigene Beziehung, die oft auch mit besonderen Erinnerungen verbunden waren. Jedes Stück war für sie eine neue Entdeckung.

Wir sind dankbar, dass sie uns an ihrer Reise durch die aufregende Glaswelt teilnehmen ließ!

 

 

Foto oben:
Ronald Fischer, Eine Arche auf Reisen, 2005 – Foto Horst Kolberg
Fotos von links:
Lilly Ernsting – Foto Martin Timm
Theodor G. Sellner, o.T., 1983 – Foto Ron Zijlstra  /  Mieke Groot, o.T., 2003 – Foto Ron Zijlstra /  Richard Meitner, Fles, 1988 – Foto Ron Zijlstra / Wojciech Peszko, Archa III, 2008 – Foto Stanisław Sielicki
Stanisław Borowski, The Bird III, 2006 – Foto Sasa Fuis  /  Toots Zynsky, o.T., 1984 – Foto Ron Zijlstra  /  Simsa Cho, Spider Shoe, 1996 – Foto Ron Zijlstra  /  Ritsue Mishima, Tre Gole, 2009 – Foto Horst Kolberg
Stanislava Grebeníčková, Argema, 2011 – Foto Galerie Welti  /  Franz X. Höller, Paar VII, 2005 – Foto Horst Kolberg  /  Erwin Eisch, Der Lichtblick, 1981 – Foto Ron Zijlstra  / František Janák, Capricorn I, 2005 – Foto František Janák
Gareth Noel Williams, Booster, 2003 – Foto Ron Zijlstra  /  Lieve van Stappen, Taufkleid, 1999 – Foto Ron Zijlstra  /  Deborah Hopkins, o.T., 1995 – Foto Ron Zijlstra  /  Therman Statom, o.T., 1989 – Foto Ron Zijlstra

Mit Feuer und Flamme

Regelmäßig stellen wir Ihnen mit einem Schwerpunktthema verschiedene Techniken der Glaskunst vor und kommen dabei deren Entwicklungen und Perspektiven in der aktuellen Kunstszene auf die Spur. Nach der Ausstellung über Kaltglastechniken im letzten Jahr geben wir nun einen Einblick in die Technik des Lampenglases, die im Übrigen die dritte Ausstellung zu diesem Thema ist. Das hat seinen Grund, denn die Entdeckungsreise durch die aktuelle europäische Lampenglasszene ist ungebremst spannend und voller Neuheiten.

Lampenglas, vor der Lampe geblasen, über Flamme gearbeitet – diese vielleicht etwas irreführend klingenden Bezeichnungen stehen alle für eine besondere Technik, mit der Glasobjekte nicht am Ofen, sondern vor der offenen Flamme eines Gasbrenners, der sogenannten „Lampe“, geformt werden. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war dies tatsächlich eine mit zusätzlicher Luft versorgte Öllampe.

Lampenglas ist eine sehr alte Technik, ihre Ursprünge reichen bis in die Antike zurück. Eine Blüte erlebte diese Handwerksdisziplin ab dem 16. Jahrhunderts: Die Keimzelle befand sich in Venedig. Frankreich, die Niederlande und Deutschland folgten als Standorte. Früher wie heute liegt das deutsche Zentrum des lampengeblasenen Glases im Thüringer Wald, speziell in Lauscha.

Lange Zeit galt Lampenglas als Kunst der kleinen Form, die es erlaubt, Perlen, Miniaturen, Verzierungen oder kleinforma­tige Gefäße perfekt zu gestalten.

Doch seit den frühen 1990er Jahren geriet die Lampenglasszene in Bewegung, und heute belebt sie die Glaskunst in ungeahntem Ausmaß. Bis in die jüngste Künstlergeneration hinein hat sich die Lampenglastechnik etabliert. Die Begeisterung, die den Künstlern und Künstlerinnen für das Lampenglas innewohnt, überträgt sich auf ihre Ideen und die Objekte. Mit freien, plastischen, teilweise auch großformatigen Objekten revolutionieren sie geradezu diesen Glastypus und eröffnen ihm in der modernen Kunst neue Möglichkeiten.

Wir haben neun fantastische Künstler und Künstlerinnen aus verschiedenen europäischen Ländern eingeladen, ihre künstlerischen Positionen zu präsentieren. Gemeinsam haben sie die Technik, ihre „Welt“, in der sie arbeiten, hat aber stets eine eigene Geschichte. Das zeigen auch ihre Kunstwerke.

Freuen Sie sich mit uns auf die Gastkünstler: Falk Bauer, André und Rebekka Gutgesell, Krista Israel, James Lethbridge, Susan Liebold, JanHein van Stiphout, Christine Vanoppen und Nataliya Vladychko.

Auch versprechen wir ein Déja-vu mit Künstlern aus unserer Sammlung.

 

Foto oben: Susan Liebold, Kugel 1, 2022 – Foto Ronny Koch

Fotos von links:

Nataliya Vladychko, Triticum, 2020 – Foto Steven van Kooijk

James Lethbridge, Nightingale’s Sorrow – a Covid 19 replica – Foto James Lethbridge

Falk Bauer, Reisigbündler, 2022 Foto Falk Bauer

Christine Vanoppen, Infinity, 2019 – Foto Christine Vanoppen

 Krista Israel, Good Hair Is 90% Of The Perfect Selfie, 2021 – Foto Steven van Kooijk Photography

Siobhan Healy, Herbarium, 2011 – Foto Lighthouse Photographics

Falk Bauer, Spinnennetz mit Insekten, 2023 – Foto Falk Bauer

James Lethbridge, Acanthus Veronese in Blue – Foto James Lethbridge

 André Gutgesell, Familie 1, 2 + 3, 2018 – Foto Lutz Naumann

JanHein van Stiphout, Flora Venena (Detail), 2005 – Foto JanHein van Stiphout

Rebekka + André Gutgesell, Let it Go, or the start of the journey, 2014 – Foto Rebekka Gutgesell

Susan Liebold, Freistehendes Objekt, 2023 – Foto Ronny Koch

 

Neuerwerbungen 2021 / 2022

NEUERWERBUNGEN 2021 / 2022

Ohne Gepäck zogen wir los, immer auf der Suche nach neuer Glaskunst, mit vollen Taschen sind wir wieder zurückge­kehrt!

Viele Künstlerinnen und Künstler haben in den vergangenen Jahren die Zeit des Stillstandes, die Corona uns beschert hat, gut genutzt und für sich in eine hochkreati­ve Phase verwandelt. Dabei mussten sie große Herausforderungen bewältigen, denn die Umstände in der Pandemie haben ihnen den Umgang mit dem Mate­rial Glas und ihre künstlerischen Arbeits­prozesse nicht gerade leicht gemacht. Dennoch haben sie kreative Wege aus der Krise gefunden, die sich auch in ihren neuen Arbeiten widerspiegeln. Einmal mehr zeigt sich, dass Kunst aus Glas auch unter widrigsten Umständen gedeihen kann.

Sabine Nein, die in Franken lebt und arbeitet, hat ihre neue Arbeit bezeichnen­derweise „Tunnelblick (Licht am Ende des Tunnels)“ genannt. Sie wollte dem Gedan­ken eine Form geben, dass selbst in einer scheinbar ausweglosen Situation das Licht der Hoffnung leuchten kann.

Wir lernten auch die einzigartigen Arbeiten des vielfach prämierten Japaners Hiroshi Yamano kennen. Er gehört nicht nur zu den einflussreichsten Künstlern der japa­nischen Glasszene, sondern genießt auch weltweit großen Respekt für sein breitge­fächertes Können und seine innovativen Techniken. Sein künstlerisches Schaffen ist geprägt durch den Shintoismus, eine japanische Naturreligion, in der die Natur als göttlich erlebt wird. Seine Arbeiten wirken wie sanfte Naturstudien, sie zeigen Blumen, Vögel, klares Wasser und immer wieder den Fisch, der für Hiroshi Yamano ein persönliches Symbol ist. „Ich bin ein Fisch, der immer nach etwas sucht. Ich bin ein Fisch, der nicht aufhören kann zu schwimmen, bis mein Körper aufhört, sich zu bewegen“, sagt der Künstler, der in den vergangenen Jahrzehnten die Welt bereist und Inspiration gesammelt hat.

Und auch wir ließen uns auf unseren Reisen zu Ausstellungen, Messen und Kunstver­anstaltungen wieder von ungewöhnlichen künstlerischen Neuentdeckungen inspirie­ren. Kunstschaffende aus aller Welt zeigten ihre neuen Arbeiten, sie präsentierten dabei eine große Bandbreite von Objekten, Skulpturen und Installationen unterschied­lichster Techniken und Formen.

Wir freuen uns sehr, dass rund 60 dieser Werke nun unsere Sammlung bereichern – lassen Sie sich überraschen von unseren Neuerwerbungen aus den Jahren 2021 und 2022!

 

Foto oben:

Hiroshi Yamano, New Fish Catcher #1, 2021 – Foto Hiroshi Yamano

Fotos von links:

Torsten Rötzsch, Varianten B 1.1.7, B 1.167.2, B 1.351 (1), 2021 – Foto Torsten Rötzsch

Ursula Distler, …sie sind unter uns…, 2021 – Foto Ursula Distler

Patrick Roth, H.R.G., 2022 – Foto Patrick Roth

Micha Karlslund, Triptych with Teen (2), 2020 – Foto Micha Karlslund

Reiner Eul, Gestörte Kommunikation, 2021 – Foto Reiner Eul

Robert Emeringer, Spring Flowers – Red Rose, 2021 – Foto Zaiga Baiza

Ursula-Maren Fitz, Schattenwelten II, 2021 – Foto Ursula-Maren Fitz

Sabine Nein, Tunnelblick (Licht am Ende des Tunnels), 2021 – Foto Hans Nein

Olga Pusztay, Geometrische Poesie, 2022 – Foto Zoltan Szalai

Wilhelm Vernim, o.T., 2022 – Foto Wilhelm Vernim

Remigijus Kriukas, Baobab, 2021 – Foto Marius Rudžianskas

Tracy Nicholls, Aulisca X, 2021 – Foto Amanda Rose

Kalt! Kunstwerke der Kaltglastechnik

Berührende Zerbrechlichkeit und messer­scharfe Härte, leuchtende Farbigkeit und glänzende Klarheit – Glas bietet fantastische Möglichkeiten, Kunstwerke von großer Aussagekraft mit ästhetischer und techni­scher Brillanz zu schaffen. Dabei setzen die Kunstschaffenden, die mit Glas arbeiten, nicht allein auf bekannte Arbeitsprozesse wie das Gießen und Blasen des geschmol­zenen, also heißen Glases. So kann das Glas, wenn es wieder erkaltet ist, bei Raum­temperatur und ohne weitere Wärmeeinwir­kung mittels unterschiedlicher Methoden technisch weiterbearbeitet werden, z.B. durch Schneiden, Schleifen, Polieren, Gra­vieren, Ätzen, Laminieren, Kleben, Sand­strahlen, Verdrahten und Bemalen. All diese Schritte in der weiteren Gestaltung bzw. Veredelung des ausgekühlten Glases wer­den unter dem Sammelbegriff „Kaltglas­techniken“ zusammengefasst.

Aus diesem sogenannten „kalten Glas“ schaffen Künstlerinnen und Künstler frap­pierende Werke, die – ausgewählt und nach Gruppen zusammengestellt – im Glasmuse­um Lette zu sehen sind. Beigetragen haben dazu Leihgaben von Künstlerinnen und Künstlern sowie Werke aus der eigenen Museumssammlung. Allesamt lenken sie den Fokus auf die facettenreichen und vielfältigen Möglichkeiten der Kaltglastechniken.

Zu den ausgestellten Künstlern zählt z.B. Marta Klonowska, die mit ihren einzigartigen Tierskulpturen und Installationen seit Jahren auf dem internationalen Kunstmarkt großen Respekt genießt. Nach Motiven auf alten Gemälden konstruiert sie naturalistische Tiere und Figuren mittels Metallgerüste, auf denen sie zahllose, exakt zugeschnittene farbige Glasscherben und -stäbe zusam­menfügt. Wie durch Magie verwandelt sie das kalte, starre Glas so in weiche, lebendi­ge Körper und setzt Kreaturen in den Mittel­punkt, die auf den ehrwürdigen Bildern sonst nur als Statisten fungieren. Auch Josepha Gasch-Muche schafft mit speziel­len Glasscherben faszinierende, schillernde Wandbilder und dreidimensionale Objekte. Sie bricht hauchdünnes, unregelmäßig geformtes Displayglas, das sie über- und nebeneinander schichtet und unsichtbar verklebt. Wenn Licht auf diese Schichtungen fällt, werden ihre Arbeiten lebendig, gerade­zu sinnlich. Sie scheinen sich zu bewegen und zu verändern, je nach Einfallswinkel bzw. Stärke des Lichts und Position des Betrachters. Der Kubaner Carlos Marcoleta ist ein Künstler, der auf vielen Gebieten zu Hause ist – auch im Glas. Mit Raffinesse und handwerklichem Geschick schichtet er nach Maß geschnittene und satinierte Float­gläser übereinander. In ihrer Summe erge­ben sie ein Gebilde, eine Umkehrung aus positiver und negativer Form, das Portrait einer Frau, die sich aus dem Inneren der Scheiben befreien möchte. Je nach Blick­winkel verändert Marcoletas Werk sein Erscheinungsbild, so dass der Betrachter sich schichtweise „Mujer 2“ erobern kann.

Diese und weitere Glasobjekte von Meistern der Kaltglastechniken ergeben ein Zusam­menspiel, das in Ausstellungen selten anzu­treffen ist und den Besuch des Glasmuseums Lette umso lohnender macht.

Es gilt die aktuelle Corona-Schutzverord­nung des Landes NRW!

Foto obenMarta Klonowska, Jeune Femme en Robe à la Polonoise after Pierre-Thomas LeClerc, 2019 – Foto Artur Gawlikowski, Galerie lorch+seidel contemporary

Fotos von links:

Josepha Gasch-Muche, T. 10-01-17, 2017 – Foto Josepha Gasch-Muche

Jens Gussek, Hammer und Sichel, 2016 – Foto Eric Tschernow, Galerie lorch+seidel contemporary

Carlos Marcoleta, Caribena-Mujer 2, 1997 – Foto Horst Kolberg

Masami Hirohata, Natura Morta, 2015 – Foto Eric Tschernow, Galerie lorch+seidel contemporary

Anne Knödler, Hoffnungsglück, 2014 – Foto Eric Tschernow, Galerie lorch+seidel contemporary

Gerd Kruft, Kubus mit Blau, 2006 – Foto Gerd Kruft

Judith Röder, Dickicht 2, 2017 – Foto Eric Tschernow, Galerie lorch+seidel contemporary

Marta Klonowska, Die Versuchung des Heiligen Antonius (Flötenspieler), 2008 – Foto Stephan  Wieland, Galerie lorch+seidel contemporary

Jiří Harcuba, Chopin, 1982 – Foto Ron Zijlstra

Ronald Fischer, Ein Stück Unendlichkeit, 2005 – Foto Ronald Fischer

Olga Pusztay, Tasche, 2008 – Foto Zoltan Szalai

Katharine Coleman, Small Ruby Waterlily, 2014 – Foto Katharine Coleman

Alena Matějka

Wir alle haben unsere ganz eigene Sicht auf die Welt, aber nur wenige Menschen haben den Wunsch, den Mut oder die Begabung, Wahrnehmungen auszudrücken und Ideen mit anderen zu teilen. Seit jeher sind es Künstler und Künstlerinnen, die uns furchtlos und lustvoll ihre Geschichten erzählen, unsere Augen öffnen und unseren Horizont erweitern.

Zu ihnen gehört die mehrfach preisgekrönte Bildhauerin und Glasgestalterin Alena Matějka. Sie verfügt über ein außerordentlich breitgefächertes künstlerisches Portfolio aus unstillbarer Neugier auf das Leben und Freude am Experimentieren.  Ihre ungewöhnlichen Skulpturen, Objekte und Installationen werden weltweit ausgestellt und gesammelt.

Alena Matějka arbeitet nicht ausschließlich mit Glas. Sie verwendet, oft in Kombination, auch andere Elemente, wie z.B. Stein, Marmor, Eis und organische Materialien. Dennoch nimmt Glas einen besonderen Platz in ihrer Arbeit ein. Mit diesem Medium erschafft sie einen fantastischen Kosmos aus Gegensätzen, wie Wahrheit und Dichtung oder Mitgefühl und Ironie. Sie konfrontiert den Betrachter direkt mit der Kraft ihrer Skulpturen und Installationen, verunsichert ihn mitunter und fordert seine Reaktion heraus. Ihre Erzählkunst hat nie einen linearen Verlauf, sondern steckt voller Metaphern und unerwarteter Wendungen. Sie ist eine Meisterin der Übertreibung, Parodoxie und Provokation, und so sind die Geschichten, die sie mit ihren Arbeiten erzählt, immer spannend und inspirierend.

Alena Matějka wurde 1966 im südböhmischen Jindřichův Hradec, Tschechien, geboren. Nach ihrer Ausbildung an der Glasfachschule in Kamenický Šenov studierte sie bis 1997 in der Glasklasse von Prof. Vladimir Kopecký an der Prager Akademie für Kunst, Architektur und Design, wo sie 2005 auch promovierte. Heute lebt sie mit ihrem Mann, dem Steinbildhauer Lars Widenfalk, abwechselnd in Tschechien und Schweden.

Mit unserer neuen Ausstellung laden wir Sie zu einer Begegnung mit Alena Matějkas ebenso kraftvoller wie poetischer Kunst ein. Wir präsentieren rund 40 Wand- und Bodeninstallationen, Skulpturen und Werkgruppen, die allesamt das abwechslungsreiche künstlerische Repertoire dieser Ausnahmekünstlerin widerspiegeln.

 

Foto obenAlena Matějka, Aimable Amie, 2008 – Foto Gabriel Urbánek

Fotos von links:

Alena Matějka, She is not me, 2018 – Foto Gabriel Urbánek

Alena Matějka, Water, 2020 – Foto Gabriel Urbánek

Alena Matějka, Moren Clai Moor of Ptarmigan + Barabas an Clachan of Kilmur, 1998 – Foto Hildegard Morian

Alena Matějka, Between Heaven and Earth, 2015  – Foto Ondřej Kocourek

Alena Matějka, Aimable Amie, 2008 – Foto Gabriel Urbánek

Alena Matějka, Feast (table), 2013 – Foto Gabriel Urbánek (Detail)

Alena Matějka, Feast (table), 2013 – Foto Gabriel Urbánek

Alena Matějka, The House of the Six Hawks, 2007 – Foto Ondřej Kocourek

Alena Matějka, Cuckoo´s Nest, 2015 – Foto Gabriel Urbánek

Alena Matějka, Rose, 2007 – Foto Gabriel Urbánek

Alena Matějka, Treasure Guardians, 2020 – Foto Gabriel Urbánek

Alena Matějka, My Dear, Hunter from Lavondyss, 2009 – Foto Gabriel Urbánek

 

Fernweh

Fernweh – wohl jeder kennt diese starke Sehnsucht, das vertraute Hier und Jetzt zu verlassen und in die weite Welt aufzubrechen. Doch Reisen ist in Zeiten der Corona-Pandemie kompliziert geworden: Reisebeschränkungen, Einreiseregeln, Quarantänevorschriften! Wer in den vergangenen zwei Jahren dennoch verreiste, der wählte meist nähere Ziele. So ist das Fernweh geblieben!

Schon bevor sich der Begriff Fernweh überhaupt eingebürgert hat, kannten Menschen das schmerzliche Sehnen nach Ferne und Weite. Goethe zum Beispiel, der mit dem Wort noch nicht vertraut war, umschrieb es 1822 mit „Fluchtgefühl“, „Sehnsucht ins Weite“ und „umgekehrtes Heimweh“. Die Literatur der Romantik schuf mit dem Begriff der „blauen Blume“ ein Sinnbild für die Sehnsucht nach der Ferne, für die Suche nach dem Unerreichbaren und Unendlichen. Zum ersten Mal tauchte das Wort Fernweh gegen 1835 in der Literatur auf, und zwar in einer Reiseerzählung des berühmten Schriftstellers und Landschaftsarchitekten Fürst Pückler-Muskau. Hier schrieb er, dass er „niemals an Heimweh, vielmehr an Fernweh leide“. Die neue Wortschöpfung wurde rasch aufgegriffen und fand ihren Platz in der Bildungssprache, in Poesie und Kunst.

Im 20. Jahrhundert hat sich dann die Tourismusbranche des Begriffs bemächtigt. Seither wird Fernweh mittels gezielter Werbung quasi künstlich erzeugt, u.a. durch verlockende visuelle Darstellungen von Reisezielen in aller Welt. Es ist so zu einem bedeutenden internationalen Wirtschaftsfaktor geworden. Dabei hat Fernweh nicht nur mit Reiselust zu tun, wie die Wissenschaft heute herausgefunden hat. Tatsächlich kann sich dahinter auch einfach nur der Wunsch nach Veränderung bzw. Abwechslung in einem mehr oder weniger grauen Alltag verbergen. Der eine verspürt vielleicht eine diffuse Unruhe, der andere ist unglücklich und deprimiert. Diesem Leidensdruck kann man durch Reisen entfliehen, oder, wenn das nicht möglich ist, durch das Abtauchen in Fantasiewelten, die sich z.B. in Büchern, im Theater oder aber auch in Ausstellungen in Museen finden lassen. Wissenschaftler bezeichnen Fernweh daher auch als eine wichtige „Kulturtechnik des Daheimbleibens“.

Uns jedenfalls hat die „Kulturtechnik“ Fernweh zu einer neuen Ausstellung inspiriert. Die Sammlung der Ernsting Stiftung hat sich hier einmal mehr als hervorragende Quelle erwiesen: Wir haben uns auf die Suche begeben und dabei das gesamte Spektrum der Sammlung ausgeschöpft. So haben wir eine breitgefächerte Palette unterschiedlichster Skulpturen, Objekte, Gefäße und Wandinstallationen entdeckt, die auf ihre eigene Weise, mal augenzwinkernd, mal nachdenklich, auf andere Länder und Kulturen verweisen und Assoziationen zum Thema Fernweh zulassen. So wird der Rundgang durch die Ausstellung zu einer Reise in die nahe und vor allem in die weite Welt.

Nach aktueller Landesverordnung gilt die 2G-Regel oder die 2G+-Regel!

Foto oben: Jens Gussek, Flugzeug, 1996 – Foto Ron Zijlstra

Fotos von links:

Gareth Noel Williams, Deep in my own world, 2001 – Foto Ron Zijlstra

Vittoria Parrinello, The perimeter of air, 2014 – Foto Vittoria Parrinello

Jens Gussek, Flugzeug, 1996 – Foto Ron Zijlstra

Gabriela Volna, Mensch und Wasser, 2003 – Foto Ron Zijlstra

Michael Behrens, Seaforms 2014-116, 2014 – Foto Paul Niessen

Dale Chihuly, Cerulean Blue Macchia, 1991 – Foto Glasmuseum Lette

Jens Gussek, Blue ship, 2004 – Foto Ron Zijlstra

Ned Cantrell, Tiger in a Tropical Storm, 2016, Detail – Foto Ned Cantrell

Winnie Teschmacher, Light of the soul, 2007 – Foto Louis Sonderegger

Irene Rezzonico, Armadillo cousin from Africa, 1998 – Foto Ron Zijlstra

Kati Kerstna, Drums 1+2, 2014 – Foto Glasmuseum Lette

Ivana Houserova, Butterfly, 2006 – Foto Tomas Hilger

 

„Wenn sich das Glas beim Schleifen wohlfühlt, dann fängt es an zu singen“, sagt Willi Pistor, ein großer Pionier der Glaskunst und einstiger Lehrer an der Glasfachschule Hadamar, der wie seine dortigen Kollegen die handwerkliche Meisterschaft mit einer künstlerischen Vision perfekt vereint.

An der Glasfachschule Hadamar war und ist es bis heute den Lehrenden eine Herzensangelegenheit, junge Menschen für den Werkstoff Glas zu begeistern. So wundert es nicht, dass viele renommierte Glaskünstler und Glaskünstlerinnen in Hadamar gelernt und gelehrt haben.

Die zwischen Köln und Frankfurt gelegene Glasfachschule Hadamar zählt heute zu den bekanntesten Ausbildungs- und Glasveredelungsstätten Deutschlands. Mit großem Potenzial und Know-how bewegt sie sich stets nah am Puls der Glastechnologiebranche. Immer wieder ist es ihr gelungen, ihr Ausbildungsprogramm für die Entwicklungen der beruflichen Praxis zu optimieren und so hervorragende Bedingungen für die Ausbildung zu schaffen.

Gegründet wurde sie 1949 auf Initiative heimatvertriebener Glasfachleute aus den Glaszentren Nordböhmens: Sie hatten sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Hadamar und Umgebung niedergelassen, um dort neue glasveredelnde Betriebe aufzubauen. Ihr Ziel war es, Berufsnachwuchs aus einer eigens eingerichteten Fachschule heranzubilden, wie es auch früher in der alten Heimat üblich war.

Nachdem das Glasmuseum Lette in einer Sonderausstellung 2019/20 bereits das künstlerische Wirken von Schülern der Glasfachschule Hadamar vorgestellt hat, widmet es sich nun in einer umfassenden Revue ihren Lehrenden.

Dabei werden in einem spannenden, breitgefächerten Spektrum unterschiedlichste Arbeiten von 23 Lehrenden gezeigt, die im Laufe der vergangenen sieben Jahrzehnte als Pädagogen und als Künstler in Hadamar gewirkt haben. Einige von ihnen lehren derzeit an der Schule, andere hatten früher einen Lehrauftrag oder sind im Ruhestand, die ersten Pioniere der Schule, die einst bei der Gründung und beim Aufbau beteiligt waren, sind schon verstorben. So sind auch die präsentierten Werke aus den frühen Jahren der Schule von einzigartigem historischen Wert.

Das künstlerische Schaffen all dieser Künstler und Künstlerinnen spiegelt die Entwicklungsgeschichte der Glasfachschule Hadamar wider, in der kontinuierlich neue Techniken und Verfahren aufgegriffen und perfektioniert worden sind.

Besonderer Dank gebührt Reiner Eul, der Glasmalerei, Bleiverglasung und Glasverschmelzung in Hadamar unterrichtet – er fungierte als Vermittler zwischen der Glasfachschule, den Künstlern und dem Glasmuseum Lette. Dank seines Engagements ist es in der neuen Ausstellung möglich, die große Meisterschaft der Lehrenden Revue passieren zu lassen!

 

Fotonachweis: Reiner Eul

Foto oben: Andrea Hebgen, Brassolini-Caligo – Bananenfalter, 2021

Fotos von links:

Andreas Otto, Hommage, 1988

Thomas Kruck, Still Living On The Edge, 1995

Herbert Petters, o.T., Entwurf 1935-40, Ausführung nach 1953

Reiner  Eul, Gestörte Kommunikation, 2021

Willi Pistor, o.T., um 1970 (undatiert)

Josef Welzel, Liegende Figur,1980

Carolin Schwarz, Staatspreis I, 2010

Hans Jorda, o.T. (Meisterstück),1965

 Alfred Otto, Jagdszene, um 1972

Alexander Pfohl, Kristallglasteller, ca. 1928

Kurt Eiselt, Große Vase, 1966/67

Frank Ballowitz, Namnam, 2021