„Ich sehe meine gestrickten Glasstrukturen als Metapher für unser soziales Gefüge. Einzelne Stränge allein sind schwach und spröde, aber täuschend stark, wenn sie miteinander verbunden sind. Die Verbindungen sind das, was Kraft und Integrität ins Ganze bringt und was es intakt hält.“ So beschreibt die kanadische Künstlerin Carol Milne ihre ungewöhnliche Arbeit. Sie ist eine Pionierin auf dem Gebiet des „gestrickten Glases“, durch hartnäckiges Experimentieren lotet sie immer wieder die Grenzen ihres Materials neu aus.
Carol Milne ist eine der Künstlerinnen und Künstler, die wir im vergangenen Jahr 2017 auf unseren Reisen quer durch Europa neu für uns entdeckt haben. Ihre Arbeiten waren in einer Ausstellung im belgischen Hasselt zu sehen, wo wir auch den fantastischen Glastuch-Objekten der Britin Cathryn Shilling begegneten.
Die schillernden Oberflächen ihrer dreidimensionalen Kunstwerke erwecken den Eindruck von vibrierender Dynamik: Durch das unerwartete Zusammenspiel von Textur, Licht und Farbe gelingt es Cathryn Shilling, ein stilisiertes Gefühl der menschlichen Bewegung hervorzurufen, ohne die Form eines Menschen im Gewebe buchstäblich neu zu erschaffen. Die einzelnen Formen, obwohl getrennt, sind durch einen fast tänzerisch anmutenden Bewegungsfluss miteinander verbunden.
Unsere Suche nach besonderen Arbeiten aus Glas führte uns auch nach Budapest zur Ausstellung HuGlass 2017. Die dort präsentierten Arbeiten brachten uns zum Staunen, wie z.B. die Skulptur „Big Fish eats small fish“ des ungarischen Künstlers Balázs Sipos. Er schafft wunderbar detaillierte Figuren, seine Inspirationen stammen dabei oft aus dem Alltag der Menschen, den Problemen unserer Zeit und den inneren Kämpfen, die daraus entstehen können. Balázs Sipos versteht sich als Glasbildhauer, doch seine eigentlichen Werkzeuge sind ein bissiger Humor und eine Vorliebe für das Groteske, durch die er sich direkt und schnörkellos an gesellschaftskritische Themen wagt.
Natürlich ließen wir 2017 aber auch altbekannte Künstler nicht außer Acht: Anna Torfs z.B. überzeugte uns mit ihrem atemberaubend schönen Gefäß „Parts High“. Die Fähigkeit des Glases, Licht einzufangen, zu reflektieren und zu absorbieren ist das zentrale Thema der in Belgien geborenen Künstlerin und Designerin, die seit vielen Jahren in Prag lebt und arbeitet. Mit scharfen Schnitten legt sie Schicht für Schicht offen, wie das jeweilige Werk aufgebaut ist. Sie enthüllt die luftige, leuchtende Tiefe, durch die Energie und Sinnlichkeit geradezu pulsieren.
Last but not least möchten wir Sie noch gern auf eine Ausstellung hinweisen, die wir im Anschluss an die „Neuerwerbungen 2017“ zeigen werden: Im Sommer 2018 präsentieren wir aktuelle Arbeiten von Studierenden und Professoren der tschechischen Glasfachschule Kamenický Šenov.
Fotos von links:
Anna Torfs, Parts High – Crystal Gold, 2017 – Foto Jaroslav Kvíz
Agnieszka Leśniak Banasiak. Enigma II, 2015 – Foto Krzysztof Pachurka
Carol Milne, Purple Reigns, 2016 – Foto Carol Milne
Cathryn Shilling, Hidden Gestures II, 2014 – Foto Ester Segarra
Cathryn Shilling u. Anthony Scala, Fragile Nature of Earthly Pleasures, 2016 – Foto Ester Segarra
Peter Bremers, Perception 4, 2011 – Foto Paul Niessen
Zuzsanna Kóródi, PF I, 2017 – Foto Zsuzsanna Kóródi
Gordana Drinković, Iyalawo, 2016 – Foto Mario Krištofić
Foto oben: Carol Milne, Purple Reigns, 2016 – Foto Carol Milne