Die kleine, aber weltberühmte tschechische Glas-Stadt Kamenický Šenov („Steinschönau“) liegt in einer idyllischen Landschaft an der Grenze zwischen dem Lausitzer Bergland und dem Böhmischen Mittelgebirge. Die Region ist seit dem 16. Jh. untrennbar mit der Glasherstellung verbunden; Kamenický Šenov wurde im 18. Jh. zu einem wichtigen Zentrum des europäischen Glashandels.
Als die Glasindustrie um 1840 einen neuen großen Aufschwung nahm, versuchten die Glasproduzenten in Kamenický Šenov, die fachlichen Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter weiter auszubilden, um auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Bereits 1839 hatte man deshalb in der örtlichen Sonntagsschule Zeichnen als Lehrfach für Schüler, Glasgesellen und -meister eingeführt. 1856 wurde schließlich die Glasfachschule gegründet, sie gilt als älteste Schule dieser Fachrichtung in Mitteleuropa. Am Anfang gab es nur die traditionellen Abteilungen für Glasmalerei und -schliff, später kamen die Abteilungen für Konstruktion und Design von Beleuchtungskörpern und für Glasgravur hinzu. Dank der hervorragenden Infrastruktur erlernen die Schüler seit den frühen 1990er Jahren auch das Glasblasen, das Arbeiten mit dem Schmelzofen, das Gestalten mit geschmolzenem Glas, das Modellieren von Flachglas im Elektroofen, das Bedrucken von Glasscheiben (Vitrographie) und auch die Möglichkeiten der Computergraphik. Die Ausbildung dauert vier Jahre und endet mit dem Abitur.
Orientierte sich die Schule anfangs vor allem am Bedarf der Industrie an geschickten Schleifern, Graveuren und Glasmalern, rückten, bedingt durch die veränderten Anforderungen der Glasindustrie, die künstlerischen Fähigkeiten der Schüler in den Vordergrund. Die Glasfachschule bereitet daher bis heute nicht nur die Ausbildung von Spezialisten für die Glasindustrie vor, sondern fördert auch besonders talentierte Schüler für das Studium an einer Kunstakademie. So kommen viele renommierte Glaskünstler aus der Glasfachschule Kamenický Šenov. Die Liste der Absolventen liest sich wie ein „Who is Who“ der tschechischen Glasszene!
Seit ihrer Gründung hat die Glasfachschule einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Glasindustrie in Bezug auf Kunst, Handwerk und Technologie – früher wie heute tragen Schulleiter, Lehrer und Absolventen wesentlich zum hohen Niveau der tschechischen Glaskunst bei. Das bezeugen auch die Arbeiten von Absolventen und Lehrern der Glasfachschule Kamenický Šenov, die wir in unserer neuen Ausstellung präsentieren. Allesamt spiegeln sie den hohen ästhetischen und handwerklichen Anspruch der dortigen Ausbildung wider. So führt das Glasmuseum Lette auch seine Tradition fort, Schülern und Studenten, ein Forum zu bieten, ihren künstlerischen Weg, ihren Umgang mit dem Material Glas zu präsentieren.
Ganz herzlich bedanken wir uns bei dem Schulleiter und Künstler Pavel Kopřiva und der Galeristin Daniela Welti, die uns mit großem Engagement bei der Organisation der Ausstellung zur Seite standen!
Foto oben:
Karolína Kopřivová, Forest flower, 2017 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka
Fotos von links:
Martin Novák, Engraved plate, 2008 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka
Ladislav Průcha, Alter Ego, 2013 – Foto Jiří Koudelka
Pavel Kopřiva, The squirrel, 2017 – Foto Dagmar Petrovická
Nazerke Toleutay, Fish, 2014 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka
Kateřina Fabiánová, Light object, 2011 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka
Ondřej Skok, Untitled, 2011 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka
Marie Jindrová, Idol 1, 2014 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka
Dagmar Pánková, Pillows, 2009 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka