Lilly Ernsting (1930-2023) und ihr Mann Kurt (1929-2011) waren erfolgreiche Unternehmer, bedeutende Stifter und Förderer von Kultur, Bildung und sozialen Projekten.
Auch ihre Begeisterung für das zeitgenössische künstlerische Glas wollten sie teilen, Herzen öffnen, Neugier und Interesse für diese besondere Kunstrichtung wecken. Kontinuierlich hatte Lilly Ernsting in rund fünf Jahrzehnten eine weltweit bedeutende Sammlung geschaffen, die auch nach ihrem Tod weitergeführt wird.
Der Wunsch, ihre einzigartige Sammlung nicht privat zu halten, sondern alle interessierten Menschen daran teilhaben zu lassen, veranlasste das Ehepaar Ernsting, 1996 das Glasmuseum und 2006 das Glasdepot in Lette zu gründen. Seither sind zentrale Anliegen des Museums, neue Tendenzen in der deutschen und internationalen Glaskunst aufzuspüren sowie junge Glaskünstler zu fördern und auszustellen. Das Glasdepot bietet den Besuchern die Möglichkeit, die vollständige, kontinuierlich wachsende Glassammlung zu sehen.
Als Lilly Ernsting Mitte der 70er Jahre einen Wanderurlaub im Bayerischen Wald plante, ahnte sie noch nicht, wie sich ihr Leben danach verändern und bereichern sollte. Eher zufällig besuchte sie dort mit ihrem Mann eine Galerie – und entdeckte zum ersten Mal künstlerisches Glas. Sie war sofort fasziniert und erwarb mit einer schlichten Schale von Willi Pistor ihr erstes Glasobjekt. Der Funke war übergesprungen und sollte wie eine Initialzündung die Entstehung einer der bedeutendsten privaten Glassammlungen der Welt auslösen.
Denn Lilly Ernstings Neugier war geweckt, und in den nächsten Jahren begegnete sie dem Studioglas, eine damals noch neue Kunstrichtung, in Galerien, Ausstellungen und durch den persönlichen Kontakt mit Künstlern wie Erwin Eisch und Theodor Sellner.
Ihre wachsende Glassammlung erlebte eine einschneidende Wende, als sie 1985 den charismatischen niederländischen Galeristen Jaap de Harder kennenlernte: „Ein Ästhet, wie er im Buche steht, er führte mich in die Gedankenwelt beim Fühlen und Betrachten der Schönheit und Qualität der Glaskunst ein: weg vom funktionalen Glas, hin zum Objekt- und Skulpturenglas“, sagte sie später über ihn. Als er 1993 viel zu jung verstarb, übernahm Lilly Ernsting seinen Nachlass. Sie behielt ihre Begeisterung bei und sammelte weiter beständig zeitgenössisches internationales Glas. Zur Seite standen ihr dabei bis 2006 die Künstlerin Mieke Groot und bis heute die Geschäftsführerin der Ernsting Stiftung Alter Hof Herding Dr. Ulrike Hoppe-Oehl.
Lilly Ernsting gehörte zur ersten Sammlergeneration des europäischen Studioglases, damit bildet die Geschichte ihrer Sammlung auch gleichzeitig die Geschichte des Studioglases nach. Ihr Motto lautete: Niemals rückwärts kaufen! So hat sie ihren Blick immer nach vorn auf aktuelle Strömungen der Glasszene gerichtet und ihrer Sammlung damit ein eigenständiges und unverwechselbares Gesicht gegeben. Als Sammlerin hatte sie von Anfang an zu allen Werken eine eigene Beziehung, die oft auch mit besonderen Erinnerungen verbunden waren. Jedes Stück war für sie eine neue Entdeckung.
Wir sind dankbar, dass sie uns an ihrer Reise durch die aufregende Glaswelt teilnehmen ließ!