2024
NEUERWERBUNGEN 2023
Die aktuelle Ausstellung „Neuerwerbungen 2023“ wird bis zum 02.Juni 2024 verlängert!
Auf der Suche nach spannender Glaskunst, die die Sammlung der Ernsting Stiftung bereichert, haben wir uns auch im vergangenen Jahr 2023 wieder in der deutschen und internationalen Glasszene umgesehen. Unsere Reisen zu Ausstellungen, Messen, Galerien und Künstlern waren überaus erfolgreich, denn die Glaskunst, der wir dort begegneten, strotzte nur so vor Kreativität und Professionalität. Uns bot sich eine bunte, breitgefächerte Palette unterschiedlichster Arbeiten, von farbenfroh bis puristisch, von fragil bis kompakt, von erfrischend skurril bis gesellschaftskritisch, von lebhafter Erzählkunst bis stiller Ästhetik.
Darunter haben wir auch zwei preisgekrönte Werke entdeckt: In der renommierten Galerie Handwerk München lernten wir u.a. die Arbeit der sehr jungen, äußerst talentierten Künstlerin Anna Martinková aus Tschechien kennen. Geboren 2001 in Prag, studiert sie zurzeit noch an der Akademie für Kunst, Architektur und Design. Die klare und dennoch ungewöhnliche Geometrie ihrer Formensprache hat nicht nur uns sehr beeindruckt: Für ihr Werk „Holy water font“ wurde sie erst kürzlich mit dem vielbeachteten „Czech International Student Design 2023 – Outstanding Student Design Award“ ausgezeichnet. Gefertigt aus formgeschmolzenem, präzise geschnittenem und poliertem Glas, stellt es, wie auch der Titel betont, ein Weihwasserbecken dar. Seine Form jedoch ist atypisch, denn sie folgt dem ungewöhnlichen Grundriss der barockgotischen Kapelle St. Anna im tschechischen Panenské Brežany. Mit dieser Arbeit verneigt sich Anna Martinková nicht nur vor der eigenwilligen Architektur der böhmischen Barockgotik, sondern bewegt sich zudem gekonnt an der Grenze zwischen freier und angewandter Kunst.
In München fiel uns auch die Künstlerin Desislava Stoilova auf, die, geboren 1983 in Bulgarien, seit Jahren in Frankreich lebt und arbeitet. Ihr wichtigstes Material ist Pâte de verre, also eine opake Glaspaste, die sie in einer Sandform im Ofen brennt. Ihre Skulptur „Waiting for the rain“ wurde 2022 bei der hochangesehenen „International Exhibition of Glass Kanazawa 2022″ mit dem Silbernen Preis gewürdigt. Das Werk strahlt trotz oder auch wegen der weichen, durchscheinenden Farben nicht nur anmutige Zerbrechlichkeit, sondern auch Kraft und Ruhe aus. Ihr künstlerisches Schaffen beschreibt Desislava Stoilova so: „Die raue und unregelmäßige Textur von Glas erinnert an den Lauf der Zeit und die Abnutzung von Materialien. Mich inspiriert die Transformation des Materials, aber auch der Realität und der Erinnerung.“
Bei einer Ausstellung in der Glashütte Gernheim machten wir u.a. Bekanntschaft mit den Werken von Anne Wenzel, die zu den wenigen noch verbliebenen deutschen Meistergraveuren zählt. Darüber hinaus ist sie eine fabelhafte Erzählerin – ihre vielschichtigen, oft skurrilen Geschichten überträgt sie mit einer fantastischen Bildsprache direkt in das farbige Überfang-Glas, mit dem sie gerne arbeitet.
Seien Sie also gespannt auf unsere rund 60 außergewöhnlichen Neuerwerbungen, auf Objekte, Skulpturen und Installationen von Kunstschaffenden aus aller Welt, die wir Ihnen in unserer neuen Ausstellung vorstellen möchten!
Foto oben: Valerie Rey, RESPECT, 2022 – Foto Valerie Rey
Fotos von links:
Jenny Mulligan, Confluence Pinky, 2023 – Foto Jenny Mulligan
Nina Casson McGarva, Iris, 2023 – Foto Nina Casson McGarva
Anna Martinková, Holy water font, 2022 – Foto Šimona Němečková
Martin Janecký, Thinker (Blue), 2023 – Foto Glasmuseum Lette
Anne Wenzel, Skin Food, 2022 – Foto Julius Demant
Desislava Stoilova, Waiting for the Rain, 2021 – Foto Desislava Stoilova
Rayleen Clancy, In the Hollow Rocks, 2022 – Foto Rayleen Clancy
Karin Mørch, Big Line, Dark Green, 2022 – Foto Ole Akhøj
Franz Winkelkotte, Offene Gesellschaft, 2023 – Foto Ralf Emmerich
Nancy Sutcliffe, Colony, 2022 – Foto Nancy Sutcliffe
Pauline Bétin, Cereal Catedral, 2017 – Foto Pauline Bétin
Rasmus Nossbring, Faint Recall, 2023, Foto – Studio Kleiner
2023
Erinnerung an Lilly Ernsting – Stifterin und Glassammlerin
Lilly Ernsting (1930-2023) und ihr Mann Kurt (1929-2011) waren erfolgreiche Unternehmer, bedeutende Stifter und Förderer von Kultur, Bildung und sozialen Projekten.
Auch ihre Begeisterung für das zeitgenössische künstlerische Glas wollten sie teilen, Herzen öffnen, Neugier und Interesse für diese besondere Kunstrichtung wecken. Kontinuierlich hatte Lilly Ernsting in rund fünf Jahrzehnten eine weltweit bedeutende Sammlung geschaffen, die auch nach ihrem Tod weitergeführt wird.
Der Wunsch, ihre einzigartige Sammlung nicht privat zu halten, sondern alle interessierten Menschen daran teilhaben zu lassen, veranlasste das Ehepaar Ernsting, 1996 das Glasmuseum und 2006 das Glasdepot in Lette zu gründen. Seither sind zentrale Anliegen des Museums, neue Tendenzen in der deutschen und internationalen Glaskunst aufzuspüren sowie junge Glaskünstler zu fördern und auszustellen. Das Glasdepot bietet den Besuchern die Möglichkeit, die vollständige, kontinuierlich wachsende Glassammlung zu sehen.
Als Lilly Ernsting Mitte der 70er Jahre einen Wanderurlaub im Bayerischen Wald plante, ahnte sie noch nicht, wie sich ihr Leben danach verändern und bereichern sollte. Eher zufällig besuchte sie dort mit ihrem Mann eine Galerie – und entdeckte zum ersten Mal künstlerisches Glas. Sie war sofort fasziniert und erwarb mit einer schlichten Schale von Willi Pistor ihr erstes Glasobjekt. Der Funke war übergesprungen und sollte wie eine Initialzündung die Entstehung einer der bedeutendsten privaten Glassammlungen der Welt auslösen.
Denn Lilly Ernstings Neugier war geweckt, und in den nächsten Jahren begegnete sie dem Studioglas, eine damals noch neue Kunstrichtung, in Galerien, Ausstellungen und durch den persönlichen Kontakt mit Künstlern wie Erwin Eisch und Theodor Sellner.
Ihre wachsende Glassammlung erlebte eine einschneidende Wende, als sie 1985 den charismatischen niederländischen Galeristen Jaap de Harder kennenlernte: „Ein Ästhet, wie er im Buche steht, er führte mich in die Gedankenwelt beim Fühlen und Betrachten der Schönheit und Qualität der Glaskunst ein: weg vom funktionalen Glas, hin zum Objekt- und Skulpturenglas“, sagte sie später über ihn. Als er 1993 viel zu jung verstarb, übernahm Lilly Ernsting seinen Nachlass. Sie behielt ihre Begeisterung bei und sammelte weiter beständig zeitgenössisches internationales Glas. Zur Seite standen ihr dabei bis 2006 die Künstlerin Mieke Groot und bis heute die Geschäftsführerin der Ernsting Stiftung Alter Hof Herding Dr. Ulrike Hoppe-Oehl.
Lilly Ernsting gehörte zur ersten Sammlergeneration des europäischen Studioglases, damit bildet die Geschichte ihrer Sammlung auch gleichzeitig die Geschichte des Studioglases nach. Ihr Motto lautete: Niemals rückwärts kaufen! So hat sie ihren Blick immer nach vorn auf aktuelle Strömungen der Glasszene gerichtet und ihrer Sammlung damit ein eigenständiges und unverwechselbares Gesicht gegeben. Als Sammlerin hatte sie von Anfang an zu allen Werken eine eigene Beziehung, die oft auch mit besonderen Erinnerungen verbunden waren. Jedes Stück war für sie eine neue Entdeckung.
Wir sind dankbar, dass sie uns an ihrer Reise durch die aufregende Glaswelt teilnehmen ließ!
Foto oben:
Ronald Fischer, Eine Arche auf Reisen, 2005 – Foto Horst Kolberg
Fotos von links:
Lilly Ernsting – Foto Martin Timm
Theodor G. Sellner, o.T., 1983 – Foto Ron Zijlstra / Mieke Groot, o.T., 2003 – Foto Ron Zijlstra / Richard Meitner, Fles, 1988 – Foto Ron Zijlstra / Wojciech Peszko, Archa III, 2008 – Foto Stanisław Sielicki
Stanisław Borowski, The Bird III, 2006 – Foto Sasa Fuis / Toots Zynsky, o.T., 1984 – Foto Ron Zijlstra / Simsa Cho, Spider Shoe, 1996 – Foto Ron Zijlstra / Ritsue Mishima, Tre Gole, 2009 – Foto Horst Kolberg
Stanislava Grebeníčková, Argema, 2011 – Foto Galerie Welti / Franz X. Höller, Paar VII, 2005 – Foto Horst Kolberg / Erwin Eisch, Der Lichtblick, 1981 – Foto Ron Zijlstra / František Janák, Capricorn I, 2005 – Foto František Janák
Gareth Noel Williams, Booster, 2003 – Foto Ron Zijlstra / Lieve van Stappen, Taufkleid, 1999 – Foto Ron Zijlstra / Deborah Hopkins, o.T., 1995 – Foto Ron Zijlstra / Therman Statom, o.T., 1989 – Foto Ron Zijlstra
Mit Feuer und Flamme
Regelmäßig stellen wir Ihnen mit einem Schwerpunktthema verschiedene Techniken der Glaskunst vor und kommen dabei deren Entwicklungen und Perspektiven in der aktuellen Kunstszene auf die Spur. Nach der Ausstellung über Kaltglastechniken im letzten Jahr geben wir nun einen Einblick in die Technik des Lampenglases, die im Übrigen die dritte Ausstellung zu diesem Thema ist. Das hat seinen Grund, denn die Entdeckungsreise durch die aktuelle europäische Lampenglasszene ist ungebremst spannend und voller Neuheiten.
Lampenglas, vor der Lampe geblasen, über Flamme gearbeitet – diese vielleicht etwas irreführend klingenden Bezeichnungen stehen alle für eine besondere Technik, mit der Glasobjekte nicht am Ofen, sondern vor der offenen Flamme eines Gasbrenners, der sogenannten „Lampe“, geformt werden. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war dies tatsächlich eine mit zusätzlicher Luft versorgte Öllampe.
Lampenglas ist eine sehr alte Technik, ihre Ursprünge reichen bis in die Antike zurück. Eine Blüte erlebte diese Handwerksdisziplin ab dem 16. Jahrhunderts: Die Keimzelle befand sich in Venedig. Frankreich, die Niederlande und Deutschland folgten als Standorte. Früher wie heute liegt das deutsche Zentrum des lampengeblasenen Glases im Thüringer Wald, speziell in Lauscha.
Lange Zeit galt Lampenglas als Kunst der kleinen Form, die es erlaubt, Perlen, Miniaturen, Verzierungen oder kleinformatige Gefäße perfekt zu gestalten.
Doch seit den frühen 1990er Jahren geriet die Lampenglasszene in Bewegung, und heute belebt sie die Glaskunst in ungeahntem Ausmaß. Bis in die jüngste Künstlergeneration hinein hat sich die Lampenglastechnik etabliert. Die Begeisterung, die den Künstlern und Künstlerinnen für das Lampenglas innewohnt, überträgt sich auf ihre Ideen und die Objekte. Mit freien, plastischen, teilweise auch großformatigen Objekten revolutionieren sie geradezu diesen Glastypus und eröffnen ihm in der modernen Kunst neue Möglichkeiten.
Wir haben neun fantastische Künstler und Künstlerinnen aus verschiedenen europäischen Ländern eingeladen, ihre künstlerischen Positionen zu präsentieren. Gemeinsam haben sie die Technik, ihre „Welt“, in der sie arbeiten, hat aber stets eine eigene Geschichte. Das zeigen auch ihre Kunstwerke.
Freuen Sie sich mit uns auf die Gastkünstler: Falk Bauer, André und Rebekka Gutgesell, Krista Israel, James Lethbridge, Susan Liebold, JanHein van Stiphout, Christine Vanoppen und Nataliya Vladychko.
Auch versprechen wir ein Déja-vu mit Künstlern aus unserer Sammlung.
Foto oben: Susan Liebold, Kugel 1, 2022 – Foto Ronny Koch
Fotos von links:
Nataliya Vladychko, Triticum, 2020 – Foto Steven van Kooijk
James Lethbridge, Nightingale’s Sorrow – a Covid 19 replica – Foto James Lethbridge
Falk Bauer, Reisigbündler, 2022 – Foto Falk Bauer
Christine Vanoppen, Infinity, 2019 – Foto Christine Vanoppen
Krista Israel, Good Hair Is 90% Of The Perfect Selfie, 2021 – Foto Steven van Kooijk Photography
Siobhan Healy, Herbarium, 2011 – Foto Lighthouse Photographics
Falk Bauer, Spinnennetz mit Insekten, 2023 – Foto Falk Bauer
James Lethbridge, Acanthus Veronese in Blue – Foto James Lethbridge
André Gutgesell, Familie 1, 2 + 3, 2018 – Foto Lutz Naumann
JanHein van Stiphout, Flora Venena (Detail), 2005 – Foto JanHein van Stiphout
Rebekka + André Gutgesell, Let it Go, or the start of the journey, 2014 – Foto Rebekka Gutgesell
Susan Liebold, Freistehendes Objekt, 2023 – Foto Ronny Koch
Neuerwerbungen 2021 / 2022
NEUERWERBUNGEN 2021 / 2022
Ohne Gepäck zogen wir los, immer auf der Suche nach neuer Glaskunst, mit vollen Taschen sind wir wieder zurückgekehrt!
Viele Künstlerinnen und Künstler haben in den vergangenen Jahren die Zeit des Stillstandes, die Corona uns beschert hat, gut genutzt und für sich in eine hochkreative Phase verwandelt. Dabei mussten sie große Herausforderungen bewältigen, denn die Umstände in der Pandemie haben ihnen den Umgang mit dem Material Glas und ihre künstlerischen Arbeitsprozesse nicht gerade leicht gemacht. Dennoch haben sie kreative Wege aus der Krise gefunden, die sich auch in ihren neuen Arbeiten widerspiegeln. Einmal mehr zeigt sich, dass Kunst aus Glas auch unter widrigsten Umständen gedeihen kann.
Sabine Nein, die in Franken lebt und arbeitet, hat ihre neue Arbeit bezeichnenderweise „Tunnelblick (Licht am Ende des Tunnels)“ genannt. Sie wollte dem Gedanken eine Form geben, dass selbst in einer scheinbar ausweglosen Situation das Licht der Hoffnung leuchten kann.
Wir lernten auch die einzigartigen Arbeiten des vielfach prämierten Japaners Hiroshi Yamano kennen. Er gehört nicht nur zu den einflussreichsten Künstlern der japanischen Glasszene, sondern genießt auch weltweit großen Respekt für sein breitgefächertes Können und seine innovativen Techniken. Sein künstlerisches Schaffen ist geprägt durch den Shintoismus, eine japanische Naturreligion, in der die Natur als göttlich erlebt wird. Seine Arbeiten wirken wie sanfte Naturstudien, sie zeigen Blumen, Vögel, klares Wasser und immer wieder den Fisch, der für Hiroshi Yamano ein persönliches Symbol ist. „Ich bin ein Fisch, der immer nach etwas sucht. Ich bin ein Fisch, der nicht aufhören kann zu schwimmen, bis mein Körper aufhört, sich zu bewegen“, sagt der Künstler, der in den vergangenen Jahrzehnten die Welt bereist und Inspiration gesammelt hat.
Und auch wir ließen uns auf unseren Reisen zu Ausstellungen, Messen und Kunstveranstaltungen wieder von ungewöhnlichen künstlerischen Neuentdeckungen inspirieren. Kunstschaffende aus aller Welt zeigten ihre neuen Arbeiten, sie präsentierten dabei eine große Bandbreite von Objekten, Skulpturen und Installationen unterschiedlichster Techniken und Formen.
Wir freuen uns sehr, dass rund 60 dieser Werke nun unsere Sammlung bereichern – lassen Sie sich überraschen von unseren Neuerwerbungen aus den Jahren 2021 und 2022!
Foto oben:
Hiroshi Yamano, New Fish Catcher #1, 2021 – Foto Hiroshi Yamano
Fotos von links:
Torsten Rötzsch, Varianten B 1.1.7, B 1.167.2, B 1.351 (1), 2021 – Foto Torsten Rötzsch
Ursula Distler, …sie sind unter uns…, 2021 – Foto Ursula Distler
Patrick Roth, H.R.G., 2022 – Foto Patrick Roth
Micha Karlslund, Triptych with Teen (2), 2020 – Foto Micha Karlslund
Reiner Eul, Gestörte Kommunikation, 2021 – Foto Reiner Eul
Robert Emeringer, Spring Flowers – Red Rose, 2021 – Foto Zaiga Baiza
Ursula-Maren Fitz, Schattenwelten II, 2021 – Foto Ursula-Maren Fitz
Sabine Nein, Tunnelblick (Licht am Ende des Tunnels), 2021 – Foto Hans Nein
Olga Pusztay, Geometrische Poesie, 2022 – Foto Zoltan Szalai
Wilhelm Vernim, o.T., 2022 – Foto Wilhelm Vernim
Remigijus Kriukas, Baobab, 2021 – Foto Marius Rudžianskas
Tracy Nicholls, Aulisca X, 2021 – Foto Amanda Rose
2022
Kalt! Kunstwerke der Kaltglastechnik
Berührende Zerbrechlichkeit und messerscharfe Härte, leuchtende Farbigkeit und glänzende Klarheit – Glas bietet fantastische Möglichkeiten, Kunstwerke von großer Aussagekraft mit ästhetischer und technischer Brillanz zu schaffen. Dabei setzen die Kunstschaffenden, die mit Glas arbeiten, nicht allein auf bekannte Arbeitsprozesse wie das Gießen und Blasen des geschmolzenen, also heißen Glases. So kann das Glas, wenn es wieder erkaltet ist, bei Raumtemperatur und ohne weitere Wärmeeinwirkung mittels unterschiedlicher Methoden technisch weiterbearbeitet werden, z.B. durch Schneiden, Schleifen, Polieren, Gravieren, Ätzen, Laminieren, Kleben, Sandstrahlen, Verdrahten und Bemalen. All diese Schritte in der weiteren Gestaltung bzw. Veredelung des ausgekühlten Glases werden unter dem Sammelbegriff „Kaltglastechniken“ zusammengefasst.
Aus diesem sogenannten „kalten Glas“ schaffen Künstlerinnen und Künstler frappierende Werke, die – ausgewählt und nach Gruppen zusammengestellt – im Glasmuseum Lette zu sehen sind. Beigetragen haben dazu Leihgaben von Künstlerinnen und Künstlern sowie Werke aus der eigenen Museumssammlung. Allesamt lenken sie den Fokus auf die facettenreichen und vielfältigen Möglichkeiten der Kaltglastechniken.
Zu den ausgestellten Künstlern zählt z.B. Marta Klonowska, die mit ihren einzigartigen Tierskulpturen und Installationen seit Jahren auf dem internationalen Kunstmarkt großen Respekt genießt. Nach Motiven auf alten Gemälden konstruiert sie naturalistische Tiere und Figuren mittels Metallgerüste, auf denen sie zahllose, exakt zugeschnittene farbige Glasscherben und -stäbe zusammenfügt. Wie durch Magie verwandelt sie das kalte, starre Glas so in weiche, lebendige Körper und setzt Kreaturen in den Mittelpunkt, die auf den ehrwürdigen Bildern sonst nur als Statisten fungieren. Auch Josepha Gasch-Muche schafft mit speziellen Glasscherben faszinierende, schillernde Wandbilder und dreidimensionale Objekte. Sie bricht hauchdünnes, unregelmäßig geformtes Displayglas, das sie über- und nebeneinander schichtet und unsichtbar verklebt. Wenn Licht auf diese Schichtungen fällt, werden ihre Arbeiten lebendig, geradezu sinnlich. Sie scheinen sich zu bewegen und zu verändern, je nach Einfallswinkel bzw. Stärke des Lichts und Position des Betrachters. Der Kubaner Carlos Marcoleta ist ein Künstler, der auf vielen Gebieten zu Hause ist – auch im Glas. Mit Raffinesse und handwerklichem Geschick schichtet er nach Maß geschnittene und satinierte Floatgläser übereinander. In ihrer Summe ergeben sie ein Gebilde, eine Umkehrung aus positiver und negativer Form, das Portrait einer Frau, die sich aus dem Inneren der Scheiben befreien möchte. Je nach Blickwinkel verändert Marcoletas Werk sein Erscheinungsbild, so dass der Betrachter sich schichtweise „Mujer 2“ erobern kann.
Diese und weitere Glasobjekte von Meistern der Kaltglastechniken ergeben ein Zusammenspiel, das in Ausstellungen selten anzutreffen ist und den Besuch des Glasmuseums Lette umso lohnender macht.
Es gilt die aktuelle Corona-Schutzverordnung des Landes NRW!
Foto oben: Marta Klonowska, Jeune Femme en Robe à la Polonoise after Pierre-Thomas LeClerc, 2019 – Foto Artur Gawlikowski, Galerie lorch+seidel contemporary
Fotos von links:
Josepha Gasch-Muche, T. 10-01-17, 2017 – Foto Josepha Gasch-Muche
Jens Gussek, Hammer und Sichel, 2016 – Foto Eric Tschernow, Galerie lorch+seidel contemporary
Carlos Marcoleta, Caribena-Mujer 2, 1997 – Foto Horst Kolberg
Masami Hirohata, Natura Morta, 2015 – Foto Eric Tschernow, Galerie lorch+seidel contemporary
Anne Knödler, Hoffnungsglück, 2014 – Foto Eric Tschernow, Galerie lorch+seidel contemporary
Gerd Kruft, Kubus mit Blau, 2006 – Foto Gerd Kruft
Judith Röder, Dickicht 2, 2017 – Foto Eric Tschernow, Galerie lorch+seidel contemporary
Marta Klonowska, Die Versuchung des Heiligen Antonius (Flötenspieler), 2008 – Foto Stephan Wieland, Galerie lorch+seidel contemporary
Jiří Harcuba, Chopin, 1982 – Foto Ron Zijlstra
Ronald Fischer, Ein Stück Unendlichkeit, 2005 – Foto Ronald Fischer
Olga Pusztay, Tasche, 2008 – Foto Zoltan Szalai
Katharine Coleman, Small Ruby Waterlily, 2014 – Foto Katharine Coleman
Alena Matějka
Wir alle haben unsere ganz eigene Sicht auf die Welt, aber nur wenige Menschen haben den Wunsch, den Mut oder die Begabung, Wahrnehmungen auszudrücken und Ideen mit anderen zu teilen. Seit jeher sind es Künstler und Künstlerinnen, die uns furchtlos und lustvoll ihre Geschichten erzählen, unsere Augen öffnen und unseren Horizont erweitern.
Zu ihnen gehört die mehrfach preisgekrönte Bildhauerin und Glasgestalterin Alena Matějka. Sie verfügt über ein außerordentlich breitgefächertes künstlerisches Portfolio aus unstillbarer Neugier auf das Leben und Freude am Experimentieren. Ihre ungewöhnlichen Skulpturen, Objekte und Installationen werden weltweit ausgestellt und gesammelt.
Alena Matějka arbeitet nicht ausschließlich mit Glas. Sie verwendet, oft in Kombination, auch andere Elemente, wie z.B. Stein, Marmor, Eis und organische Materialien. Dennoch nimmt Glas einen besonderen Platz in ihrer Arbeit ein. Mit diesem Medium erschafft sie einen fantastischen Kosmos aus Gegensätzen, wie Wahrheit und Dichtung oder Mitgefühl und Ironie. Sie konfrontiert den Betrachter direkt mit der Kraft ihrer Skulpturen und Installationen, verunsichert ihn mitunter und fordert seine Reaktion heraus. Ihre Erzählkunst hat nie einen linearen Verlauf, sondern steckt voller Metaphern und unerwarteter Wendungen. Sie ist eine Meisterin der Übertreibung, Parodoxie und Provokation, und so sind die Geschichten, die sie mit ihren Arbeiten erzählt, immer spannend und inspirierend.
Alena Matějka wurde 1966 im südböhmischen Jindřichův Hradec, Tschechien, geboren. Nach ihrer Ausbildung an der Glasfachschule in Kamenický Šenov studierte sie bis 1997 in der Glasklasse von Prof. Vladimir Kopecký an der Prager Akademie für Kunst, Architektur und Design, wo sie 2005 auch promovierte. Heute lebt sie mit ihrem Mann, dem Steinbildhauer Lars Widenfalk, abwechselnd in Tschechien und Schweden.
Mit unserer neuen Ausstellung laden wir Sie zu einer Begegnung mit Alena Matějkas ebenso kraftvoller wie poetischer Kunst ein. Wir präsentieren rund 40 Wand- und Bodeninstallationen, Skulpturen und Werkgruppen, die allesamt das abwechslungsreiche künstlerische Repertoire dieser Ausnahmekünstlerin widerspiegeln.
Foto oben: Alena Matějka, Aimable Amie, 2008 – Foto Gabriel Urbánek
Fotos von links:
Alena Matějka, She is not me, 2018 – Foto Gabriel Urbánek
Alena Matějka, Water, 2020 – Foto Gabriel Urbánek
Alena Matějka, Moren Clai Moor of Ptarmigan + Barabas an Clachan of Kilmur, 1998 – Foto Hildegard Morian
Alena Matějka, Between Heaven and Earth, 2015 – Foto Ondřej Kocourek
Alena Matějka, Aimable Amie, 2008 – Foto Gabriel Urbánek
Alena Matějka, Feast (table), 2013 – Foto Gabriel Urbánek (Detail)
Alena Matějka, Feast (table), 2013 – Foto Gabriel Urbánek
Alena Matějka, The House of the Six Hawks, 2007 – Foto Ondřej Kocourek
Alena Matějka, Cuckoo´s Nest, 2015 – Foto Gabriel Urbánek
Alena Matějka, Rose, 2007 – Foto Gabriel Urbánek
Alena Matějka, Treasure Guardians, 2020 – Foto Gabriel Urbánek
Alena Matějka, My Dear, Hunter from Lavondyss, 2009 – Foto Gabriel Urbánek
Fernweh
Fernweh – wohl jeder kennt diese starke Sehnsucht, das vertraute Hier und Jetzt zu verlassen und in die weite Welt aufzubrechen. Doch Reisen ist in Zeiten der Corona-Pandemie kompliziert geworden: Reisebeschränkungen, Einreiseregeln, Quarantänevorschriften! Wer in den vergangenen zwei Jahren dennoch verreiste, der wählte meist nähere Ziele. So ist das Fernweh geblieben!
Schon bevor sich der Begriff Fernweh überhaupt eingebürgert hat, kannten Menschen das schmerzliche Sehnen nach Ferne und Weite. Goethe zum Beispiel, der mit dem Wort noch nicht vertraut war, umschrieb es 1822 mit „Fluchtgefühl“, „Sehnsucht ins Weite“ und „umgekehrtes Heimweh“. Die Literatur der Romantik schuf mit dem Begriff der „blauen Blume“ ein Sinnbild für die Sehnsucht nach der Ferne, für die Suche nach dem Unerreichbaren und Unendlichen. Zum ersten Mal tauchte das Wort Fernweh gegen 1835 in der Literatur auf, und zwar in einer Reiseerzählung des berühmten Schriftstellers und Landschaftsarchitekten Fürst Pückler-Muskau. Hier schrieb er, dass er „niemals an Heimweh, vielmehr an Fernweh leide“. Die neue Wortschöpfung wurde rasch aufgegriffen und fand ihren Platz in der Bildungssprache, in Poesie und Kunst.
Im 20. Jahrhundert hat sich dann die Tourismusbranche des Begriffs bemächtigt. Seither wird Fernweh mittels gezielter Werbung quasi künstlich erzeugt, u.a. durch verlockende visuelle Darstellungen von Reisezielen in aller Welt. Es ist so zu einem bedeutenden internationalen Wirtschaftsfaktor geworden. Dabei hat Fernweh nicht nur mit Reiselust zu tun, wie die Wissenschaft heute herausgefunden hat. Tatsächlich kann sich dahinter auch einfach nur der Wunsch nach Veränderung bzw. Abwechslung in einem mehr oder weniger grauen Alltag verbergen. Der eine verspürt vielleicht eine diffuse Unruhe, der andere ist unglücklich und deprimiert. Diesem Leidensdruck kann man durch Reisen entfliehen, oder, wenn das nicht möglich ist, durch das Abtauchen in Fantasiewelten, die sich z.B. in Büchern, im Theater oder aber auch in Ausstellungen in Museen finden lassen. Wissenschaftler bezeichnen Fernweh daher auch als eine wichtige „Kulturtechnik des Daheimbleibens“.
Uns jedenfalls hat die „Kulturtechnik“ Fernweh zu einer neuen Ausstellung inspiriert. Die Sammlung der Ernsting Stiftung hat sich hier einmal mehr als hervorragende Quelle erwiesen: Wir haben uns auf die Suche begeben und dabei das gesamte Spektrum der Sammlung ausgeschöpft. So haben wir eine breitgefächerte Palette unterschiedlichster Skulpturen, Objekte, Gefäße und Wandinstallationen entdeckt, die auf ihre eigene Weise, mal augenzwinkernd, mal nachdenklich, auf andere Länder und Kulturen verweisen und Assoziationen zum Thema Fernweh zulassen. So wird der Rundgang durch die Ausstellung zu einer Reise in die nahe und vor allem in die weite Welt.
Nach aktueller Landesverordnung gilt die 2G-Regel oder die 2G+-Regel!
Foto oben: Jens Gussek, Flugzeug, 1996 – Foto Ron Zijlstra
Fotos von links:
Gareth Noel Williams, Deep in my own world, 2001 – Foto Ron Zijlstra
Vittoria Parrinello, The perimeter of air, 2014 – Foto Vittoria Parrinello
Jens Gussek, Flugzeug, 1996 – Foto Ron Zijlstra
Gabriela Volna, Mensch und Wasser, 2003 – Foto Ron Zijlstra
Michael Behrens, Seaforms 2014-116, 2014 – Foto Paul Niessen
Dale Chihuly, Cerulean Blue Macchia, 1991 – Foto Glasmuseum Lette
Jens Gussek, Blue ship, 2004 – Foto Ron Zijlstra
Ned Cantrell, Tiger in a Tropical Storm, 2016, Detail – Foto Ned Cantrell
Winnie Teschmacher, Light of the soul, 2007 – Foto Louis Sonderegger
Irene Rezzonico, Armadillo cousin from Africa, 1998 – Foto Ron Zijlstra
Kati Kerstna, Drums 1+2, 2014 – Foto Glasmuseum Lette
Ivana Houserova, Butterfly, 2006 – Foto Tomas Hilger
2021
„Wenn sich das Glas beim Schleifen wohlfühlt, dann fängt es an zu singen“, sagt Willi Pistor, ein großer Pionier der Glaskunst und einstiger Lehrer an der Glasfachschule Hadamar, der wie seine dortigen Kollegen die handwerkliche Meisterschaft mit einer künstlerischen Vision perfekt vereint.
An der Glasfachschule Hadamar war und ist es bis heute den Lehrenden eine Herzensangelegenheit, junge Menschen für den Werkstoff Glas zu begeistern. So wundert es nicht, dass viele renommierte Glaskünstler und Glaskünstlerinnen in Hadamar gelernt und gelehrt haben.
Die zwischen Köln und Frankfurt gelegene Glasfachschule Hadamar zählt heute zu den bekanntesten Ausbildungs- und Glasveredelungsstätten Deutschlands. Mit großem Potenzial und Know-how bewegt sie sich stets nah am Puls der Glastechnologiebranche. Immer wieder ist es ihr gelungen, ihr Ausbildungsprogramm für die Entwicklungen der beruflichen Praxis zu optimieren und so hervorragende Bedingungen für die Ausbildung zu schaffen.
Gegründet wurde sie 1949 auf Initiative heimatvertriebener Glasfachleute aus den Glaszentren Nordböhmens: Sie hatten sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Hadamar und Umgebung niedergelassen, um dort neue glasveredelnde Betriebe aufzubauen. Ihr Ziel war es, Berufsnachwuchs aus einer eigens eingerichteten Fachschule heranzubilden, wie es auch früher in der alten Heimat üblich war.
Nachdem das Glasmuseum Lette in einer Sonderausstellung 2019/20 bereits das künstlerische Wirken von Schülern der Glasfachschule Hadamar vorgestellt hat, widmet es sich nun in einer umfassenden Revue ihren Lehrenden.
Dabei werden in einem spannenden, breitgefächerten Spektrum unterschiedlichste Arbeiten von 23 Lehrenden gezeigt, die im Laufe der vergangenen sieben Jahrzehnte als Pädagogen und als Künstler in Hadamar gewirkt haben. Einige von ihnen lehren derzeit an der Schule, andere hatten früher einen Lehrauftrag oder sind im Ruhestand, die ersten Pioniere der Schule, die einst bei der Gründung und beim Aufbau beteiligt waren, sind schon verstorben. So sind auch die präsentierten Werke aus den frühen Jahren der Schule von einzigartigem historischen Wert.
Das künstlerische Schaffen all dieser Künstler und Künstlerinnen spiegelt die Entwicklungsgeschichte der Glasfachschule Hadamar wider, in der kontinuierlich neue Techniken und Verfahren aufgegriffen und perfektioniert worden sind.
Besonderer Dank gebührt Reiner Eul, der Glasmalerei, Bleiverglasung und Glasverschmelzung in Hadamar unterrichtet – er fungierte als Vermittler zwischen der Glasfachschule, den Künstlern und dem Glasmuseum Lette. Dank seines Engagements ist es in der neuen Ausstellung möglich, die große Meisterschaft der Lehrenden Revue passieren zu lassen!
Fotonachweis: Reiner Eul
Foto oben: Andrea Hebgen, Brassolini-Caligo – Bananenfalter, 2021
Fotos von links:
Andreas Otto, Hommage, 1988
Thomas Kruck, Still Living On The Edge, 1995
Herbert Petters, o.T., Entwurf 1935-40, Ausführung nach 1953
Reiner Eul, Gestörte Kommunikation, 2021
Willi Pistor, o.T., um 1970 (undatiert)
Josef Welzel, Liegende Figur,1980
Carolin Schwarz, Staatspreis I, 2010
Hans Jorda, o.T. (Meisterstück),1965
Alfred Otto, Jagdszene, um 1972
Alexander Pfohl, Kristallglasteller, ca. 1928
Kurt Eiselt, Große Vase, 1966/67
Frank Ballowitz, Namnam, 2021
AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNG 2016-2020
2021 kann Stiftungsgründerin und Sammlerin Lilly Ernsting auf 25 Jahre Ausstellungs- und Sammlungstätigkeit zurückblicken!
Anlass, das neue Jahr im Glasmuseum Lette mit einer besonderen Ausstellung zu beginnen. Zu sehen ist eine Selektion von Exponaten der vergangenen fünf Jahre, die von 2016-2020 in Ausstellungen und auf Reisen erworben wurden. Ein Katalog mit Beiträgen über diese Zeitspanne begleitet die Schau.
Das Spektrum der hauseigenen Ausstellungen und die zahlreichen Reisen durch Europa zeugen von umtriebigen Aktivitäten dieser Zeit. So fanden 270 Objekte ihren Platz in der Sammlung. Aus dieser Fülle sind 60 Objekte nach einem thematischen Leitfaden ausgewählt, der ein breit aufgestelltes Ausstellungs- und Sammlungskonzept vermittelt. Die Lebendigkeit und Vielfalt der Sammlung sind Garant für eine ebensolche Ausstellung, die wie ein buntes Kaleidoskop die überbordende Kreativität der Glasszene wiedergibt. Im Grunde sind die Glasobjekte ein Spiegelbild der Entwicklung des künstlerischen Glases, der künstlerischen Konzepte und der angewandten Techniken.
Wie im Glasmuseum Lette die Ausstellungen und die zahlreichen Objekte in den letzten fünf Jahren zusammenkamen, erzählt der Katalog, mal in einem zusammenfassenden Beitrag, mal in kleinen Werkmonographien. Darin werden die Maximen von Lilly Ernsting nur allzu deutlich: der direkte Kontakt zu den Künstlern, der Besuch von Galerien und Museen, das Prüfen der Objekte vor Ort sowie die Gespräche mit allen Beteiligten. Nur so bleiben Kontinuität und Qualität von Ausstellungen und Sammlung gewahrt. Auf den Reisen wurden Kontakte gepflegt, neue kamen zustande, oft hatten sie neue Projekte zur Folge.
Schaut man sich das Ergebnis der Ausstellungs- und Sammlungstätigkeit an und blickt auf den Anfang der damals noch privaten Sammlung in den 1970er Jahren, dann stimmt man Lilly Ernsting zu: „Wer hätte das gedacht“!
Bildnacheis:
Foto oben: Alena Matejka, Water, 2020 – Foto Gabriel Urbánek
Fotos von links:
Lars Widenfalk, La Greca, 2019 – Foto: Gabriel Urbánek / László Lukácsi, FAN, 2019 – Foto: Liza Lukácsi / Carol Milne, Purple Reigns, 2016 – Foto: Carol Milne / Josef Marek, Fusion, 2019 – Foto: Jirí Koudelka /
Anna Torfs, Parts High – Crystal Gold, 2017 – Foto: Jaroslav Kvíz / Julius Weiland, Down the Rabbit Hole, 2017 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Eric Tschernow / Antoine Pierini, Vestige Contemporain (VEC1A2), 2017 – Foto: Gaëlle Pierini / Jan Surýnek, Igel, 2014 – Foto: Glasmuseum Lette /
Thomas Kruck, Treasure Box, 2013 – Foto: Thomas Kruck / Stanislaw Jan Borowski, Sweet delight VS The Pinch a bit Bear, 2013 – Foto: Grzegosz Matoryn / Alison Allum, Twitter Troll, 2018 – Foto: Glasmuseum Lette / Iris Haschek, Fadenwesen, 2018 – Foto: Iris Haschek
2020
Antoine Pierini and Friends
Das südfranzösische Städtchen Biot, zwischen Cannes und Nizza in den Alpes Maritimes gelegen, gilt als Hauptstadt des zeitgenössischen Glases in Frankreich. Zahlreiche Glasmacher arbeiten hier auf hohem Niveau. Wahre Enthusiasten, die sich diesem faszinierenden Material voll und ganz verschrieben haben, sind Robert Pierini, sein Sohn Antoine und dessen Frau Gaëlle. Die Familie arbeitet seit Langem Hand in Hand sehr erfolgreich für ihr eigenes Unternehmen: das „Pierini Glass Art Center“.
Die Erfolgsgeschichte der Familie Pierini begann 1980, als Robert Pierini, Pionier der Studioglas-Bewegung in Frankreich, und seine Frau Francine am Fuße des Städtchens Biot eine alte Olivenölmühle aus dem 15. Jahrhundert entdeckten. Sofort erkannten sie das Potenzial dieses magischen Ortes. Sie erwarben und sanierten das historische Gebäude und richteten hier ein Glasstudio ein. 1980 wurde auch Sohn Antoine geboren, der an diesem außergewöhnlichen Ort aufwuchs und seinen Vater Robert fasziniert bei der Arbeit beobachtete. Bereits als Zehnjähriger war er mit den Utensilien seines Vaters wie Pfeife, Holzblock und Schere vertraut. Er erwarb von seinem Vater aber mehr als nur grundlegende Techniken und Kenntnisse – er entdeckte die Freude und Leidenschaft, dieses geschmolzene Material zu beherrschen. Antoine setzte seine Ausbildung später durch Kurse, Residenzen und Mitarbeit in verschiedenen Künstlerstudios, Museen und Kunstzentren in den USA, Japan und Europa fort.
Das Reisen und die Bekanntschaft mit den größten Namen der internationalen Glasszene haben Antoine Pierinis künstlerische Vision bereichert und verfeinert. Seine wichtigsten Themen sind heute der Reichtum und die Zerbrechlichkeit des natürlichen und kulturellen Erbes des Mittelmeerraumes: „Mit meinen Glasskulpturen möchte ich die uralte und vergängliche Poesie mediterraner Kulturen und Landschaften einfangen.“ Antoine Pierini hat einen klaren Stil entwickelt, seine Werke faszinieren sowohl durch ihre Farben als auch durch ihre Formen. Dabei verbindet er traditionelles Wissen mit zeitgenössischen Experimenten und bezeichnet sich gerne als „Künstler der Materie“, der seinen Kreationen eine einfühlsame und poetische Tiefe verleiht.
Die zahlreichen Begegnungen mit internationalen Künstlern brachte die Familie Pierini auch dazu, ein Artist-in-Residence-Programm ins Leben zu rufen. Künstler, die mit den Pierinis die Leidenschaft für das Material Glas teilen, zieht es aus aller Welt nach Biot ins „Pierini International Glass Art Center“, um während ihrer Aufenthalte im Studio zu arbeiten. Sie finden hier ideale Möglichkeiten, im Austausch mit anderen Künstlern neue Arbeiten zu entwickeln, herzustellen und in den Ausstellungsräumen erstmals der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Im Jahr 2005 haben Antoine und seine Frau Gaëlle die Leitung des Familienunternehmens übernommen. Tatsächlich hat diese Übertragung nichts am täglichen Leben der Familie geändert, so arbeitet Vater Robert immer noch Seite an Seite mit seinem Sohn Antoine und den anderen Künstlern.
Wir freuen uns sehr auf das Rendevouz mit Antoine Pierini und seinen Freunden. Bienvenue!
Foto oben:
Antoine Pierini, Dunes (Installation-blue) – Foto Ilan Dehe
Fotos von links:
Antoine Brodin, Hypnos, 2018 – Foto Antoine Brodin
Robert Pierini, Plume, 2001 – Foto Gaelle Pierini
Raven Skyriver, Hyppocampe, 2018 – Foto Galla Theodosis
Rob Stern, Solares, 2019 – Foto Ilan Dehe
Nicolas Laty, Snake Berlingot, 2018 – Foto Nicolas Laty
Antoine Pierini, On the Rock, 2017 – Foto Ilan Dehe
Kelly O’Dell, Homard, 2018 – Foto Galla Theodosis
Gabe Feenan, Squiggle tea, 2018 – Foto Loic Bisoli
Ethan Stern, Blue Fraction, 2018 – Foto Loic Bisoli
Ondrej Novotny, Speculum Multicolor, 2019 – Foto Ilan Dehe
Ethan Stern, Blue Fraction, 2018 – Foto Loic Bisoli
Léo, Toa (P1010859), 2019 – Foto Leo
Galla Theodosis, Tears of Dionysos, 2018 – Foto Galla Theodosis
NEUERWERBUNGEN 2019
„Ich mag es, wenn Bilder in mir aufsteigen, die Situationen oder Beziehungen beschreiben. Sie ins Glas zu bringen, ist Freude – am Glas, dem Licht und manchmal an der inneren Berührtheit“, so beschreibt Heikko Schulze Höing seine Arbeit mit dem künstlerischen Medium Glas. Wir konnten im vergangenen Jahr seine mehrschichtige Graal-Vase „Herz der Finsternis“ für unsere Sammlung erwerben, für die er beim renommierten „Immenhäuser Glaspreis 2019“ mit dem ersten Preis ausgezeichnet worden ist. Die schattenhafte Überfanggravur erinnert an Scherenschnitte und bekommt durch das nachgelagerte innere Motiv der Flüchtenden eine zusätzliche Dimension. Auch die drittplatzierte Arbeit „Fadenwesen“ von Iris Haschek hat uns überzeugt. Meisterlich führt sie die Pâte de Verre-Technik bis an die Grenzen: Zarte, azurblaue Pilze wachsen aus verkohltem Holz heraus, der ewige Lebenszyklus vom Werden und Vergehen!
Die Suche nach aufregender Kunst aus Glas führte uns im vergangenen Jahr zu einigen besonderen Events. So erwies sich etwa die „British Glass Biennale 2019“ in Stourbridge als ein echtes Highlight! Wir konnten hier fantastische Werke erwerben, darunter „Curled over“ von Nina Casson McGarva. Die junge Künstlerin wurde in England geboren, wuchs aber im ländlichen Burgund in Frankreich auf. So verwundert es nicht, dass die verschiedenen Phänomene der Natur ihre große Inspiration sind. Sie sagt: „Das Material Glas ist für mich am lebendigsten, wenn es heiß ist und sich verwandelt. Das Endergebnis ist fest, aber fragil, und es behält eine dynamische Form sowie Strukturen und Muster wie trockene Blätter, Federn oder Muscheln.“ Auch Allister Malcolms Vasenobjekt „Bubble-Wrap“ weckte unser Interesse, sein ausgeprägter Sinn für Design und seine makellose Verarbeitung überzeugen. Anregung findet er übrigens unter Wasser, wenn er beim Tauchen Blasen beobachtet, die, mit jedem Atemzug freigesetzt, ihre Reise an die Oberfläche antreten.
In den Niederlanden machten wir mit Han de Kluijver eine weitere spannende Neuentdeckung. Er ist Architekt, der seit vielen Jahren auch als visueller Glaskünstler arbeitet. Mit großem Erfolg, erst 2019 wurde er beim Wettbewerb “Glasplastik und Garten” der Stadt Munster mit dem ersten Preis ausgezeichnet! Jedes seiner Glasobjekte gleicht einer architektonischen Kreation: eine feste Form im Raum. Das Genre Skulptur ist Zentrum des künstlerischen Schaffens der japanischen Künstlerin Masayo Odahashi. Ihre meditativen Figuren, meist sind es junge Mädchen, wirken nach innen gekehrt und strahlen eine stille Kraft aus, als könnten sie uns den Weg zur inneren Ruhe weisen.
Mit einer Präsentation voller Novitäten begrüßen wir Sie zur ersten Ausstellung in 2020. Seien Sie gespannt!
Foto oben:
Iris Haschek, Fadenwesen, 2018 (Foto Iris Haschek)
Fotos von links:
Han de Kluijver, Mesocosm, 2010 (Foto Tomas Hilger)
László Lukácsí, FAN, 2019 (Foto Liza Lukácsí)
Masayo Odahashi, In my hands II, 2018 (Foto Galerie B)
Simone Fezer, Cell (aus der Serie Organix), 2014 (Foto Simone Fezer)
Heikko Schulze Höing, Herz der Finsternis, 2019 (Foto Peter Hübbe)
Tomáš Brzoň, Shark, 2015 (Foto Jiří Koudelka)
Nina Casson McGarva, Curled over, 2019 (Foto Nina Casson McGarva)
Allister Malcolm, Bubble-Wrap, 2019 (Foto Simon Bruntnell)
2019
Freies und angewandtes Glas aus der Staatlichen Glasfachschule Hadamar
Die hessische Kleinstadt Hadamar, idyllisch am Rande des Westerwaldes zwischen Köln und Frankfurt gelegen, beherbergt seit 1949 ein modernes, kompetentes Bildungszentrum für Glastechnik und Glasgestaltung.
Die Staatliche Glasfachschule Hadamar zählt heute zu den bekanntesten Ausbildungs- und Glasveredelungsstätten Deutschlands. Gegründet wurde sie 1949 auf Initiative heimatvertriebener Glasfachleute aus den Glaszentren Nordböhmens, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Hadamar und Umgebung niedergelassen hatten und dort neue glasveredelnde Betriebe aufbauten. Ihr Ziel war es, Berufsnachwuchs aus einer eigens eingerichteten Fachschule heranzubilden, wie es auch früher in der alten Heimat üblich war.
Dank eines zukunftsorientierten Managements, nah am Puls der Glastechnologiebranche, ist es der Schule immer wieder gelungen, ihr Ausbildungsprogramm für die Entwicklungen und Erfordernisse der beruflichen Praxis zu optimieren. Ununterbrochen haben Schulleitungen und Lehrkräfte an Novellierungen von Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrplänen für die glasbe- und -verarbeitenden Berufe mitgearbeitet, und so hervorragende Bedingungen für die Ausbildung geschaffen.
Der gute Ruf der Schule zieht heute junge Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet nach Hadamar, nicht selten auch aus europäischen Nachbarstaaten, aus Asien und Afrika. Sie kommen, um einen glashandwerklichen bzw. industriellen Beruf zu erlernen, sich in der Technik weiterzubilden, gestalterisch zu arbeiten.
Die mehrjährige Berufsfachschule bietet eine Erstausbildung in den Berufen Glaser, Glasapparatebauer, Glasveredler (Kanten- und Flächenveredelung, Glasmalerei und Kunstverglasung). Weitere Schulformen sind eine Zweijährige Fachschule für Technik, Berufsschule sowie ein Lehrgang zur Meistervorbereitung beim BIV.
Der Umgang mit dem Material Glas eröffnet den Schülern aber auch Perspektiven, einen eigenen schöpferischen Ausdruck zu finden. So wundert es nicht, dass viele renommierte Glaskünstler aus der Glasfachschule Hadamar kommen.
In unserer neuen Ausstellung präsentieren wir rund 50 Werke von ehemaligen Absolventen und jetzigen Schülern. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie beherrschen den Umgang mit den unterschiedlichen Glastechniken perfekt, doch brechen und interpretieren sie auf eigene Weise die Anforderungen der Glasfachschule Hadamar neu. Die Werke sind abstrakt, skulptural, narrativ, ironisch oder auch einfach nur schön – eine breitgefächerte Palette künstlerischen Schaffens!
Foto oben:
Alexandra Lesch, Fischdrache, 2002 (Foto Alexandra Lesch)
Fotos von links:
Elvira Bach, o.T., 1985 (Foto Derix Glasstudios, Taunusstein)
Fritz Prehal, Gegen den Strom, 2014 (Foto Lena Prehal)
Elisa Ekler, Schmetterlings Kronenleuchter, 2017/18 (Foto Elisa Ekler)
Gabriele Küstner, Deckelgefäß 3.B.2007, 2007 (Foto Max Hundertmark, Fotostudio Maxwell)
Samuel Weisenborn, Destruction, 2019 (Foto Samuel Weisenborn)
Thomas Kruck, Treasure Box, 2013 (Foto Thomas Kruck)
Sandra Urban, Seelenverwandte, 2017 (Foto Reiner Eul)
Jochen Härter, o.T. (Wettbewerbsarbeit), 2017 (Foto Reiner Eul)
Glass Generations
Als unabhängige Fachhochschule für bildende Kunst und Design ist die Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam seit nunmehr 50 Jahren Heimat einer eng vernetzten internationalen Gemeinschaft von Studenten aus der ganzen Welt. Schüler und Lehrer schaffen hier gemeinsam eine Lernumgebung, in der Denken und Handeln zusammenkommen und unerwartete Ideen entstehen. Ziel ist es, talentierte junge Menschen so zu fördern, dass sie im Bereich der bildenden Kunst oder des Designs selbstständig agieren können.
Die Gerrit Rietveld Academie hat seit jeher eine enge Verbindung zum Glas. Gegründet wurde die Glasabteilung 1969 von Sybren Valkema, der den Begriff „Free Glass“ für von Künstlern entworfenes und hergestelltes Glas anstelle der amerikanischen Bezeichnung „Studio Glass“ prägte. Dank seiner Pionierarbeit konnten sich Lehre und Kunst damals wie heute immer wieder gegenseitig befruchten. Die Glasabteilung hat den starken konzeptuellen Ansatz, Glas als skulpturales Material in die zeitgenössische Kunst zu rücken. Richtungsweisend ist in dieser Hinsicht auch der neue Name der Rietvelder Glasabteilung: „The Large Glass“, angelehnt an eine Arbeit von Marcel Duchamp aus den Jahren 1915-1923, der hier erstmals Glas in der Konzeptkunst einsetzte.
So verstehen sich die Studenten nicht als Glaskünstler, sondern sehen sich in der Tradition der bildenden Künste. Sie werden ermutigt, frei zu arbeiten, das Material Glas zu erforschen, herauszufordern und seine Grenzen auszuloten. Technik ist dabei ein Werkzeug, kein Ziel. Gleichwohl werden während des gesamten Studiums grundlegende Fähigkeiten vermittelt: Kunsttheorie, Konzept, Heiß- und Kaltglastechniken (Blasen, Gießen, Schleifen, Sandstrahlen, Formenbau usw.). Der Schwerpunkt liegt auf der individuellen künstlerischen Position des Schülers und auf dem Verständnis für die erforderlichen praktischen und theoretischen Fachkenntnisse, die es braucht, um ein Künstler zu sein.
Mit unserer neuen Ausstellung gratulieren wir dem Jubilar und präsentieren außergewöhnlich freie Objekte, Wandarbeiten und Installationen von elf jungen Absolventen. Ergänzt werden diese aktuellen Arbeiten mit zahlreichen Werken aus der Sammlung des Glasmuseums Lette, die als einzige im deutschsprachigen Raum einen außergewöhnlichen Querschnitt über die Glasabteilung der Rietveld Academie präsentiert. So ist es möglich, dass diese Ausstellung sozusagen als Satellitenausstellung im Jubiläumskontext fungiert und die Entwicklung von 50 Jahren Glas aus der Rietveld Academie vermittelt.
Eingeladen zu diesem Projekt hat uns Jens Pfeifer, der die Glasabteilung seit 2011 leitet. Dank seiner Initiative können wir Ihnen auch das heutige Potential der Rietveld Academie zeigen!
Foto oben:
Mirre Yayla Séur, When Memory Enters, a Midwife as a Metaphor (The Pretense of Presence), 2018 (Foto Kit Séur)
Fotos von links:
Katrien Van Liefferinge, „…Blood, Sweat, and Tears“, 2017 (Foto Katrien Van Liefferinge)
Marie De Bruyn, The process and its object, 2011 (Foto Marie De Bruyn)
Jenny Ritzenhoff, Lover 11 – 127 #reconstruction 1, 2017 (Foto Jenny Ritzenhoff)
Geir Nustad, Street view – Mother, son, soldier, 2014 (Foto Geir Nustad)
Jens Pfeifer, Bohemian cut 1, 2013 (Foto Jens Pfeifer)
Gareth Noel Williams, Deep in my own world, 2001 – Sammlung Glasmuseum Lette (Foto Ron Zijlstra)
Richard Meitner, Jumbo Lights, 2003 – Sammlung Glasmuseum Lette (Foto Ron Zijlstra)
Mieke Groot, o.T., 2003 – Sammlung Glasmuseum Lette (Foto Ron Zijlstra)
Aufbruch – Ungarns junge Glasszene
Ungarns Glasszene ist noch jung, und sie ist im Aufbruch.
Meisterstücke von ungarischen Glaskünstlern sind inzwischen heiß begehrt, große internationale Museen und private Sammler müssen oft lange warten, um Werke von Weltklasse erwerben zu können. Das Interesse ist nicht überraschend, da viele ungarische Künstler bereits mit großen internationalen Spitzenpreisen ausgezeichnet worden sind.
Glaskunst musste in Ungarn allerdings einen besonderen, einzigartigen Weg einschlagen, der sich nicht an der internationalen Studioglas-Bewegung orientieren konnte. Zwar gab es durchaus Traditionen in der Volkskunst und Glasproduktion, doch von etwa 1948 bis 1990 bestimmte vor allem Massenproduktion die staatliche Glasindustrie. Danach mussten viele Glashütten wegen Privatisierungen schließen, sie spielten weder für die Industrie noch für die Ausbildung zeitgenössischer Glaskunst eine große Rolle.
Von enormer Bedeutung dagegen war in Ungarn seit den 50er und 60er Jahren die erstklassige Ausbildung an den Fachschulen, Akademien und an der Budapester Moholy-Nagy-Universität für Kunst und Design (MOME). Zoltán Bohus, Meister, Lehrer und Pionier, war maßgeblich für die Entwicklung des autonomen Glases in Ungarn verantwortlich und erlangte schnell internationale Bedeutung für seine architektonischen Skulpturen aus kalt bearbeitetem Glas.
Überraschenderweise findet das autonome Glas im eigenen Land noch vergleichsweise wenig Anerkennung. Ungarische Museen zeigen meist nur Design-Glas, sie interessieren sich eher für antikes Glas als für modernes Studioglas. Zwar gibt es in Ungarn viele aktive, professionelle Glaskünstler, doch die meisten arbeiten unabhängig voneinander in eigenen Studios und Werkstätten. Es ist für sie schwierig, sich untereinander zu vernetzen, da es nur wenige spezialisierte Galerien, Ausstellungen oder Messen gibt, wo sich Künstler frei austauschen und inspirieren könnten. Zudem gehen die meisten Exponate direkt in ausländische Galerien. Die einzige Glasgalerie – die Hefter Gallery – befindet sich im Westen des Landes in der Stadt Pannonhalma. Ansonsten sind Werke der Künstler in Ungarn nur in wenigen, nicht auf Glas spezialisierten Kunstgalerien zu finden. Die Künstler haben also nicht oft Gelegenheit, die Arbeiten ihrer Kollegen zu sehen.
Allen voran engagiert sich die 1996 gegründete Hungarian Glass Arts Society (HGS) für das autonome Glas. Seit 2012 organisiert sie alle drei Jahre die international renommierte Ausstellungsreihe „HuGlass“. Ziel ist es, die verschiedenen Bereiche der Glaskunst der Öffentlichkeit vorzustellen und den Mitgliedern die Möglichkeit zu bieten, sich in einem professionellen Kontext vorzustellen und die Aufmerksamkeit der Kunstmärkte auf das Glas zu lenken. Das künstlerische Schaffen ist in Ungarn äußerst vielseitig, alle Künstler verbindet aber eine extreme Professionalität in den Glastechniken und -prozessen und die Intention, einen individuellen, visuellen Ausdruck zu entwickeln.
Mit unserer neuen Ausstellung möchten wir diese junge, lebendige Glasszene vorstellen. Wir zeigen rund 55 Arbeiten von 27 Künstlern – es sind Skulpturen, Objekte und Installationen von international renommierten Künstlern, aber auch von vielversprechenden Vertretern der jungen Generation. Sie alle sind Mitglieder der Hungarian Glass Arts Society (HGS).
Ganz herzlich bedanken wir uns bei der ungarischen Künstlerin und Kuratorin Zsuzsanna Kóródi, die sich für diese Präsentation ungarischen Glases sehr engagiert hat.
Foto oben:
Judit Grünfelder, Can´t Find, 2019 (Foto Judit Grünfelder)
Fotos von links:
Rita Bánó, Blue peach, 2019 (Foto László Spengler, Lili Sziráki)
Bernadett Hegyvari, Above and below 01, 2019 (Foto James Carcass)
Zsuzsanna Kóródi, Grid VII., 2018 (Foto Zsuzsanna Kóródi)
Zoltán Bohus, Autum I, 2015 (Foto Réka Bohus)
Dóra Varga, Boov 2, 2017 (Foto Zsuzsanna Kóródi)
Kyra László, w.omens 04, 2017 (Foto Kyra László)
Péter Borkovics, Blue yellow 2, 2017 (Foto Péter Borkovics)
Endre Gaál, Golden age 7, 2019 (Foto Endre Gaál)
György Gáspár, Plan, 2017 (Foto Zsuzsanna Kóródi)
Birgit Köblitz, Der Kurgast (H.H.), 2018 (Foto Éva M. Fodor)
Vajk Farkas, Green Stripe, 2017 (Foto Vajk Farkas)
Eszter Bősze, Flow Motion II., 2018 (Foto Tamás Szelestey)
Neuerwerbungen 2018
Als wahre Fundgrube für erstklassige Kunst erwies sich die Ausstellung YOUNG GLASS im Glasmuseum Ebeltoft. Diese Veranstaltung findet alle zehn Jahre in der Form eines internationalen Wettbewerbes statt, um die schöpferische Kraft junger Talente auszuzeichnen. So ist diese Ausstellung ein markanter Orientierungspunkt für Glaskünstler aus aller Welt geworden. Präsentiert wurden Arbeiten von 57 Künstlern aus 18 Ländern. Unter der Fülle der fantastischen Objekte ist auch Bjørn Friborgs Werk „BBC“, das im Rahmen der Ausstellung mit dem renommierten Finn Lynggaard Preis ausgezeichnet worden ist. Die Tradition des Glasblasens fortzuführen und sie dennoch gleichzeitig bis zum Äußersten herauszufordern, das ist ein Spagat, den der dänische Künstler bravourös meistert.
Im berühmten „Glasriket“ (Glasreich) im Smalland in Südschweden beindruckte Mattias Stenberg, der ein echter Allrounder ist: mehrfach preisgekrönter Künstler, Designer und Architekt mit einem abgeschlossenem Examen in Ingenieurwissenschaften. Seine lebenslange Liebe zum Glas hat ihn erst 2016 zum Debüt als Glasdesigner für Kosta Boda mit der Serie „Septum“ geführt. Diese überaus ästhetischen, mit einem hohen Aufwand an Engagement und Zeit gefertigten Objekte stehen für Stenbergs künstlerische Philosophie: Klarheit in Konzept, Form und Material. Auch in Südfrankreich lebt die Glaskunst auf hohem Niveau. In Biot, das als traditionsreiches Zentrum für Glaskunst bekannt ist, sticht die Familie Pierini mit ihrem Glasstudio hervor. Robert Pierini und Alain und Marysa Begou zählen zu den Pionieren – von ihnen sind längst Werke in der Sammlung des Glasmuseums Lette vorhanden. Und auch die junge Generation verfügt über das schöpferische Talent: Antoine Pierini, 1980 in Antibes in diese berühmte Künstlerfamilie hineingeboren, wendet sich in seiner Kunst an die Natur und an das mediterrane Kulturerbe, was seine beeindruckende Glas-Amphore „Vestiges Contemporain“ deutlich zeigt: „Meine Arbeit lädt den Betrachter ein, in die faszinierende Gründerzeit der Antike zurückzukehren; sie interpretiert die Magie der Rituale, Objekte und der symbolischen Artefakte neu, die von Frauen und Männern verschiedener Kulturen rund um das Mittelmeer verwendet worden sind.“
Künstlerische Neuentdeckungen machte die Stiftung 2018 auch bei den eigenen Ausstellungen: „Japanisches Glas heute“ entwickelte sich zum absoluten Publikumsliebling, die besondere Ästhetik japanischer Kunst begeisterte uns und die Besucher gleichermaßen.
Schon heute möchten wir Sie auf drei weitere Ausstellungen in 2019 hinweisen: Im Mai präsentieren wir einen spannenden Ausschnitt der aktuellen ungarischen Glasszene, im Sommer planen wir anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Gerrit Rietveld Academie Amsterdam eine Gemeinschaftsausstellung mit der niederländischen Kunstakademie, und im Herbst begrüßen wir erstmals Schüler der hessischen Glasfachschule Hadamar!
Foto oben:
Kelly O´Dell + Raven Skyriver, Biot Nautilus, 2018 (Foto: Glasmuseum Lette)
Fotos von links:
Sachi Fujikake, Vestige II, 2016 (Foto: Sachi Fujikake)
Natsuki Katsukawa, Microworld Specimen, 2016 – „Stanislav Libenský Award 2016“ (Foto: Natsuki Katsukawa)
Nicolas Laty, Glassy Puppy, 2017 (Foto: Glasmuseum Lette)
Jan-Erik Ritzman, Face Arial 1, 2017 (Foto: Glasmuseum Lette)
Mattias Stenberg, Septum Stor F, 2018 (Foto: Kosta Boda/Jonas Lindström)
Björn Friborg, BBC, 2016 – „Finn Lynggaard Preis 2017“ (Foto: Anne Marie Jo)
Antoine Pierini, Vestige Contemporain (VEC1A2), 2017 (Foto: Gaëlle Pierini)
Antoine Brodin, Le Roi des Oiseaux, 2016 (Foto: Antoine Brodin)
2018
Glas und Licht
Die kleine, aber weltberühmte tschechische Glas-Stadt Kamenický Šenov („Steinschönau“) liegt in einer idyllischen Landschaft an der Grenze zwischen dem Lausitzer Bergland und dem Böhmischen Mittelgebirge. Die Region ist seit dem 16. Jh. untrennbar mit der Glasherstellung verbunden; Kamenický Šenov wurde im 18. Jh. zu einem wichtigen Zentrum des europäischen Glashandels.
Als die Glasindustrie um 1840 einen neuen großen Aufschwung nahm, versuchten die Glasproduzenten in Kamenický Šenov, die fachlichen Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter weiter auszubilden, um auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Bereits 1839 hatte man deshalb in der örtlichen Sonntagsschule Zeichnen als Lehrfach für Schüler, Glasgesellen und -meister eingeführt. 1856 wurde schließlich die Glasfachschule gegründet, sie gilt als älteste Schule dieser Fachrichtung in Mitteleuropa. Am Anfang gab es nur die traditionellen Abteilungen für Glasmalerei und -schliff, später kamen die Abteilungen für Konstruktion und Design von Beleuchtungskörpern und für Glasgravur hinzu. Dank der hervorragenden Infrastruktur erlernen die Schüler seit den frühen 1990er Jahren auch das Glasblasen, das Arbeiten mit dem Schmelzofen, das Gestalten mit geschmolzenem Glas, das Modellieren von Flachglas im Elektroofen, das Bedrucken von Glasscheiben (Vitrographie) und auch die Möglichkeiten der Computergraphik. Die Ausbildung dauert vier Jahre und endet mit dem Abitur.
Orientierte sich die Schule anfangs vor allem am Bedarf der Industrie an geschickten Schleifern, Graveuren und Glasmalern, rückten, bedingt durch die veränderten Anforderungen der Glasindustrie, die künstlerischen Fähigkeiten der Schüler in den Vordergrund. Die Glasfachschule bereitet daher bis heute nicht nur die Ausbildung von Spezialisten für die Glasindustrie vor, sondern fördert auch besonders talentierte Schüler für das Studium an einer Kunstakademie. So kommen viele renommierte Glaskünstler aus der Glasfachschule Kamenický Šenov. Die Liste der Absolventen liest sich wie ein „Who is Who“ der tschechischen Glasszene!
Seit ihrer Gründung hat die Glasfachschule einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Glasindustrie in Bezug auf Kunst, Handwerk und Technologie – früher wie heute tragen Schulleiter, Lehrer und Absolventen wesentlich zum hohen Niveau der tschechischen Glaskunst bei. Das bezeugen auch die Arbeiten von Absolventen und Lehrern der Glasfachschule Kamenický Šenov, die wir in unserer neuen Ausstellung präsentieren. Allesamt spiegeln sie den hohen ästhetischen und handwerklichen Anspruch der dortigen Ausbildung wider. So führt das Glasmuseum Lette auch seine Tradition fort, Schülern und Studenten, ein Forum zu bieten, ihren künstlerischen Weg, ihren Umgang mit dem Material Glas zu präsentieren.
Ganz herzlich bedanken wir uns bei dem Schulleiter und Künstler Pavel Kopřiva und der Galeristin Daniela Welti, die uns mit großem Engagement bei der Organisation der Ausstellung zur Seite standen!
Foto oben:
Karolína Kopřivová, Forest flower, 2017 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka
Fotos von links:
Martin Novák, Engraved plate, 2008 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka
Ladislav Průcha, Alter Ego, 2013 – Foto Jiří Koudelka
Pavel Kopřiva, The squirrel, 2017 – Foto Dagmar Petrovická
Nazerke Toleutay, Fish, 2014 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka
Kateřina Fabiánová, Light object, 2011 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka
Ondřej Skok, Untitled, 2011 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka
Marie Jindrová, Idol 1, 2014 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka
Dagmar Pánková, Pillows, 2009 – Foto Vladimir Labaj, Jiří Koudelka
Neuerwerbungen 2017
„Ich sehe meine gestrickten Glasstrukturen als Metapher für unser soziales Gefüge. Einzelne Stränge allein sind schwach und spröde, aber täuschend stark, wenn sie miteinander verbunden sind. Die Verbindungen sind das, was Kraft und Integrität ins Ganze bringt und was es intakt hält.“ So beschreibt die kanadische Künstlerin Carol Milne ihre ungewöhnliche Arbeit. Sie ist eine Pionierin auf dem Gebiet des „gestrickten Glases“, durch hartnäckiges Experimentieren lotet sie immer wieder die Grenzen ihres Materials neu aus.
Carol Milne ist eine der Künstlerinnen und Künstler, die wir im vergangenen Jahr 2017 auf unseren Reisen quer durch Europa neu für uns entdeckt haben. Ihre Arbeiten waren in einer Ausstellung im belgischen Hasselt zu sehen, wo wir auch den fantastischen Glastuch-Objekten der Britin Cathryn Shilling begegneten.
Die schillernden Oberflächen ihrer dreidimensionalen Kunstwerke erwecken den Eindruck von vibrierender Dynamik: Durch das unerwartete Zusammenspiel von Textur, Licht und Farbe gelingt es Cathryn Shilling, ein stilisiertes Gefühl der menschlichen Bewegung hervorzurufen, ohne die Form eines Menschen im Gewebe buchstäblich neu zu erschaffen. Die einzelnen Formen, obwohl getrennt, sind durch einen fast tänzerisch anmutenden Bewegungsfluss miteinander verbunden.
Unsere Suche nach besonderen Arbeiten aus Glas führte uns auch nach Budapest zur Ausstellung HuGlass 2017. Die dort präsentierten Arbeiten brachten uns zum Staunen, wie z.B. die Skulptur „Big Fish eats small fish“ des ungarischen Künstlers Balázs Sipos. Er schafft wunderbar detaillierte Figuren, seine Inspirationen stammen dabei oft aus dem Alltag der Menschen, den Problemen unserer Zeit und den inneren Kämpfen, die daraus entstehen können. Balázs Sipos versteht sich als Glasbildhauer, doch seine eigentlichen Werkzeuge sind ein bissiger Humor und eine Vorliebe für das Groteske, durch die er sich direkt und schnörkellos an gesellschaftskritische Themen wagt.
Natürlich ließen wir 2017 aber auch altbekannte Künstler nicht außer Acht: Anna Torfs z.B. überzeugte uns mit ihrem atemberaubend schönen Gefäß „Parts High“. Die Fähigkeit des Glases, Licht einzufangen, zu reflektieren und zu absorbieren ist das zentrale Thema der in Belgien geborenen Künstlerin und Designerin, die seit vielen Jahren in Prag lebt und arbeitet. Mit scharfen Schnitten legt sie Schicht für Schicht offen, wie das jeweilige Werk aufgebaut ist. Sie enthüllt die luftige, leuchtende Tiefe, durch die Energie und Sinnlichkeit geradezu pulsieren.
Last but not least möchten wir Sie noch gern auf eine Ausstellung hinweisen, die wir im Anschluss an die „Neuerwerbungen 2017“ zeigen werden: Im Sommer 2018 präsentieren wir aktuelle Arbeiten von Studierenden und Professoren der tschechischen Glasfachschule Kamenický Šenov.
Fotos von links:
Anna Torfs, Parts High – Crystal Gold, 2017 – Foto Jaroslav Kvíz
Agnieszka Leśniak Banasiak. Enigma II, 2015 – Foto Krzysztof Pachurka
Carol Milne, Purple Reigns, 2016 – Foto Carol Milne
Cathryn Shilling, Hidden Gestures II, 2014 – Foto Ester Segarra
Cathryn Shilling u. Anthony Scala, Fragile Nature of Earthly Pleasures, 2016 – Foto Ester Segarra
Peter Bremers, Perception 4, 2011 – Foto Paul Niessen
Zuzsanna Kóródi, PF I, 2017 – Foto Zsuzsanna Kóródi
Gordana Drinković, Iyalawo, 2016 – Foto Mario Krištofić
Foto oben: Carol Milne, Purple Reigns, 2016 – Foto Carol Milne
JAPANISCHES GLAS HEUTE
Exotisch, spirituell und gefühlsbetont – es ist eine ganz besondere Ästhetik, die japanische Kunst auszeichnet. Mit unserer neuen Ausstellung tauchen wir tief in diese Welt hinein und stellen aktuelle Positionen vor. Alle Skulpturen, Installationen und Wandbilder aus Glas wurden bereits im vergangenen Jahr im Glasmuseum Frauenau (Bayerischer Wald) präsentiert – wir haben die Chance ergriffen, diese einmalige Ausstellung bei uns im Glasmuseum Lette fortzuführen.
Denn um zeitgenössisches japanisches Glas von einer solchen Exzellenz und Vielfalt zu erleben, musste man lange warten: Die letzte große Ausstellung zu diesem Thema fand 1993 im Kunstmuseum Düsseldorf statt. Seither hat sich in Japans noch junger Glasszene ein grundlegender Wandel vollzogen. Arbeitete man hier anfangs noch unter dem Einfluss europäischer und nordamerikanischer Vorbilder mit dem künstlerischen Medium Glas, so reflektiert die heutige Generation auf ihre eigenen japanischen Wurzeln und Werte.
Diesem ursprünglichen ästhetischen Empfinden Japans nachzuspüren, möchte unsere Ausstellung den Besuchern ermöglichen. Licht und Schatten, Raum und Leere, Stille und Aufmerksamkeit werden in japanischer Kunst und Kultur intuitiv wahrgenommen und bewertet – nicht als gegensätzliche, negativ oder positiv bewertete Pole wie bei uns, sondern als wertfreie, miteinander verbundene Einheiten. Beide Pole gehören zusammen, ergeben erst das Ganze.
Die Ausstellung spannt den Bogen bis nach Europa, denn es werden auch Werke von einigen japanischen Künstlern, die in Europa leben und von europäischen Künstlern, die eine Zeit lang in Japan gelebt und gearbeitet haben, präsentiert. So ist der Blick nach Japan gleich aus mehreren Perspektiven möglich.
Dafür bedanken wir uns herzlich bei allen teilnehmenden Künstlern:
Masami Hirohata (Nürnberg, D), Jin Hongo (Toyama, J), Tsuyoshi Inoue (Tokyo, J), Machiko Ito (Toyama, J), Ai Kigoshi (Tokyo, J), Yoshiaki Kojiro (Takayama, J), Takahito Komure (Akita, J), Runa Kosogawa (Takayama, J), Yoko Miyata (Hiroshima, J), Keiko Mukaide (Edinburgh, GB), Akira Nakagawa (Hokkaido, J), Mica Okuno (Yokohama, J), Shunji Omura (Chibaken, J), Mare Saare (Tallinn, EST), Masahiro Sasaki (Nagoya, J), Lada Semecká (Teplice, CZ), Yoshi Yamauchi (Kevelaer, D), Harumi Yukutake (Tokyo, J)
Vielen Dank – ありがとう
Fotos von links:
Shunji Omura, Blade Man 004, 2014 – Foto SAIKI TAKU
Takahito Komure, Message from the passed, 2015 – Foto Takahito Komure
Yoshiaki Kojiro, Breaking Composition 6, 2016 – Foto Yoshiaki Kojiro
Akira Nakagawa, Wind deviated, 2008 – Foto Akira Nakagawa
Masahiro Sasaki, Tensei #1604, 2016 – Foto Masahiro Sasaki
Keiko Mukaide, Family Tree, 2016 – Foto Keiko Mukaide
Masami Hirohata, Apfel und Birne kann man nicht vergleichen, 2013 – Foto Helge Articus
Mare Saare, Mono no aware, 2017 – Detail 2 – Foto Mare Saare
Oben: Runa Kosogawa, Engraved on Life, 2013 – Foto Kichiro Okamura
2017
Glas aus Belgien
Belgisches Glas überzeugt heute mit einer lebendigen Frische, Offenheit und Vielfalt. Dabei ist Belgiens Glasszene noch recht jung. Pionierarbeit auf höchstem Niveau hat hier die Glasabteilung des Instituut voor Kunst en Ambacht im belgischen Mechelen, kurz IKA, geleistet. Denn vor ihrer Gründung im Jahr 1985 gab es in Belgien keine hochentwickelte Glasgeschichte, keine Tradition in der Glasausbildung, in der freien Glaskunst und in der Studioglasbewegung.
„Dieses Institut bot mir die Gelegenheit, die Substanz des Glases zu entdecken, die Sprache des Glases zu verstehen, das Material Glas zu erforschen“, so beschreibt die Künstlerin Marre Geesink die besondere Bedeutung des Instituut voor Kunst en Ambacht Mechelen. Das künstlerische Potential eines jeden Studenten zu fördern steht im Zentrum der Lehre am IKA. Kandidaten aus verschiedenen Ländern, unter ihnen auch bereits ausgebildete Künstler, zieht es nach Mechelen. Eine innovative, inspirierende Atmosphäre ist so entstanden, in der sich Ideen, Hintergründe und Arbeitsweisen mischen und gegenseitig befruchten.
Auf der technisch-handwerklichen Ebene vermittelt das IKA eine ungewöhnlich fundierte Ausbildung. Gelehrt werden alle wesentlichen Disziplinen im Heißglasbereich (Blasen, Gießen, Fusing, Pâte de Verre) und in der Kaltbearbeitung (Gravur, Schleifen, Polieren). Frei und selbstbewusst gehen die Lehrenden und Lernenden am IKA mit dem künstlerischen Medium Glas um. Niemand ist festgefahren – weder in klassischen handwerklichen Traditionen noch in künstlerischen Experimenten. Und so verwundert es auch nicht, dass sich ein typischer „IKA-Stil“ bis heute nicht entwickelt hat.
In unserer neuen Ausstellung präsentieren 14 Studenten und Absolventen der Glasabteilung des IKA Mechelen ihre Arbeiten. Begleitet werden sie von Sandra De Clerck, die seit 2002 die Glasabteilung leitet, und dem Dozenten Jeroen Heerwegh. Die Studierenden in Mechelen stehen der anspruchsvollen künstlerischen Aufgabe gegenüber, das empfindliche Gleichgewicht zwischen Ästhetik, Ausdruck und Technik selbst zu finden und zu definieren. Wie außerordentlich gut sie diesen Balanceakt beherrschen, belegen ihre eigenwilligen, poetischen, z.T. auch gesellschaftskritischen Installationen, Skulpturen und Objekte.
Begrüßen Sie mit uns:
Ans Bakker, Thérèse Bouwens- van Herwaarden, Chris De Bock, Marre Geesink, Krista Israel, Anne Notebaert, Wilma van Rees, Rini Ronckers, Myriam Thomas, Ingrid Vandekelder, Ton Van Looijen, Ireen Van Praet, Nataliya Vladychko, Tinne Vroonen.
Van harte welkom!
Fotos von links:
Nataliya Vladychko, Sleep well, 2016 – Foto Steven van Kooijk
Ans Bakker, Ode to the Oosterschelde, 2015 – Foto Johan Kole
Tinne Vroonen, I do, 2017 – Foto Tinne Vroonen
Krista Israel, Crowding, 2017 – Foto Krista Israel
Stanislaw Borowski
1982 in Rheinbach angekommen, beginnt für den Polen Stanislaw Borowski ein Lebensweg, auf den er auch heute noch dankbar zurückblickt: „Ich hatte so unfassbar viel Glück in meinem Leben, bin im richtigen Moment den richtigen Menschen begegnet, habe richtige Entscheidungen getroffen. Ich konnte mich als Künstler verwirklichen, ich habe eine tolle Familie, mir fehlt es an nichts.“
Er zählt heute zu den renommiertesten Glaskünstlern der Welt und gilt als unangefochtener Meister der Gravur. In seinen Arbeiten verbindet er auf einzigartige Weise die vielfältigen Techniken der Glasbearbeitung mit der Gravur, um seine faszinierend detailreichen, oft surrealistischen Bildwelten zu gestalten. 1944 wurde Stanislaw Borowski im französischen Moutiers geboren, wo sein Vater als Arbeitsmigrant in der Kohlenindustrie beschäftigt war. Vier Jahre später lockte die Aufbaupropaganda der neuen Volksrepublik Polen die Familie zurück in ihre Heimat. Der junge Stanislaw spürte bereits sehr früh seine künstlerische Ader, allerdings musste er auf Wunsch seines Vaters zunächst einen soliden Beruf erlernen. Er wurde Mechaniker. 1964 führte ihn der Zufall zur Glashütte von Krosno – der Funke sprang über. Prompt ließ er sich in der Hütte anstellen, um die verschiedenen Bereiche von Glasproduktion und -gestaltung zu erlernen. Doch die industrielle Arbeit in der Glashütte konnte seinen künstlerischen Drang nicht befriedigen.
Heimlich richtete er sich eine Werkstatt in der Garage seiner Tante ein, experimentierte intensiv, aber unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen, mit dem Werkstoff Glas und studierte die Fachliteratur. Erste Kontakte zu deutschen Künstlern und Galerien ergaben sich dann 1977 bei der Ausstellung zum 1. Coburger Glaspreis. Als Stanislaw Borowski 1982 nach Rheinbach zog, ging seine Karriere steil bergauf. Endlich konnte er arbeiten, seine Werke in Ausstellungen präsentieren und sich mit anderen Künstlern wie Pavel Molnár, Udo Edelmann, Gerd Kruft, Erwin Eisch und Jack Ink austauschen.
In den USA gelang ihm ein sensationeller Durchbruch, Galerien und Sammler rissen sich quasi um seine Arbeiten. Die Nachfrage war so groß, dass neue Produktionsmöglichkeiten unabdingbar wurden. Diese fand Borowski vorübergehend in Hennef bei Bonn, und seit 1992 dauerhaft im polnischen Bunzlau, wo er sich eine eigene private Glashütte errichtete. In der Zwischenzeit nahmen auch seine Söhne Pawel und Stani Jan ihren Weg als Glaskünstler, während Wiktor zum Manager des Familienunternehmens avancierte – eine glückliche Situation für den arrivierten Glaskünstler, dass sein Talent und seine Liebe zum Glas in der nächsten Familiengeneration weiterleben.
Unsere neue Ausstellung ermöglicht einen Blick auf Stanislaw Borowskis Lebenswerk. Im Zentrum stehen seine ersten Arbeiten aus Rheinbach, die Phase der Eroberung des amerikanischen Marktes und die Zeit bis ins neue Jahrtausend. Seine Werke präsentieren wir nicht nur im Kontext mit ausgesuchten Exponaten seiner früheren künstlerischen Weggefährten, sondern auch im Zusammenspiel mit Arbeiten seinen beiden Söhnen Pawel und Stani Jan. Die Staffelübergabe ist vollzogen, Stanislaw Borowski Lebenswerk reicht in die Zukunft!
Fotos von links:
Stanislaw Borowski, The Grande Valentino II, 2005, Leihgabe THE EKARD COLLECTION – Foto Grzegosz Matoryn
Stanislaw Borowski, White Ship, 2003, Leihgabe Borowski – Foto Sasa Fuis
Stanislaw Borowski, Deep from my heart, 2005, Leihgabe Borowski – Foto Sasa Fuis
Stanislaw Borowski, Tales from the blue Lagoon, 2006, Leihgabe Borowski – Foto Sasa Fuis
Neuerwerbungen 2016
Südafrika, Japan, USA – und vor allem Australien! Aus diesen Ländern und Kontinenten stellten talentierte Künstler im vergangenen Jahr ihre ausgezeichneten Werke in Europa aus. Anlass für die Stiftung, sich auf den Weg zu machen, um die sehenswerten Objekte live zu sehen, in der Hoffnung, die Sammlung mit weiteren vielfältigen Werken zu bereichern.
Es fiel auf, dass vor allem Künstler aus Australien in der europäischen Glasszene vertreten waren, doch schien hier die australische Glasgeschichte zu ihren Wurzeln zu finden. Denn, Initialzündung für die Entwicklung des australischen Glases gab einst der deutsche Künstler Klaus Moje (1936-2016). Er wurde 1982 an die Kunstschule der Nationaluniversität Canberra berufen, um dort ein Studienprogramm für zeitgenössisches Glas aufzubauen. Es gelang ihm sehr bald, das Glas zu einer anerkannten künstlerischen Disziplin in Australien zu machen. Viele seiner einstigen Schüler geben heute der internationalen Glasszene bedeutende Impulse. Ein vielversprechender australischer Newcomer ist Marcel Hoogstad Hay, der mit traditionellen venezianischen Techniken und aufregenden Farbspielen arbeitet. Giles Bettison hat sich in der Kunstwelt längst etabliert. Seine meisterhaft gefertigten Murrini-Gefäße sind ebenfalls eine Reminiszenz an die italienische Glaskunst und ihre Weiterführung in eine heutige Komposition ungewöhnlicher Muster.
Zu Hause in Lette veränderten sich im Laufe des Jahres unsere Außenanlagen – sowohl vor dem Museum als auch vor dem Glasdepot: So bespielen H.-W. Horns imposante Floatglas-Skulptur „Spurensuche, I learn from disaster“ oder Wladimir Rudolfs nahezu schwebende Objekte „Flüchtigkeit des menschlichen Lebens“ die Grünfläche vor dem Glasdepot. Auch Torsten Rötzschs skurrile Installation „Valge“ beweist in der Anlage vor dem Museum, dass Kunst und Natur eine fast magische Verbindung eingehen können.
Wir laden Sie herzlich ein zu neuen Begegnungen mit der grenzenlosen Welt des Glases!
Fotos von links:
Giles Bettison, Billett 09-6, 2009 – Foto AHH
Manuela Castro Martins, Impossible Jar I, 2012 – Foto Jorge Manuel Enes Soares
Yoshiko Okada, Three friends of winter – Bamboo, 2014 – Foto Ester Segarra
Vittoria Parrinello, The perimeter of air, 2014 – Foto Vittoria Parrinello
2016
20 Jahre Glasmuseum Alter Hof Herding, 10 Jahre Glasdepot Höltingshof
Mit einem Plakat fing alles an: Eigentlich sind Kurt (1929-2011) und Lilly Ernsting Ende der 1970er Jahre in den Bayrischen Wald zum Wandern gefahren. Ein Blick auf ein Plakat mit Glasobjekten machte dem ursprünglichen Vorhaben jedoch Konkurrenz. Ohne die Folgen dieses Besuches zu erahnen, sahen sie sich eine Glasausstellung an. Spontan stellten beide fest, dass sie mehr als nur neugierig und interessiert an dieser speziellen Kunstrichtung waren. Man möchte es als den besonderen Funken bezeichnen, der auf beide beim Betrachten der Vasen, Schalen oder auch Skulpturen übersprang.
Lilly Ernsting erwarb ihr erstes Objekt – eine Schale vom Künstler Willi Pistor – und weitere Glasobjekte folgten. Bereits zu Beginn der 1990er Jahre blickte sie auf eine beachtlich gewachsene Glassammlung. Der Wunsch, diese auszustellen und die Freude am Glas auch mit anderen zu teilen, festigte sich. Den gewünschten Ausstellungsort fand sie im Alten Hof Herding, den sie mit ihrem Mann in den 1970er Jahre gekauft und vor dem Abbruch gerettet hatte. So eröffneten Kurt und Lilly Ernsting vor 20 Jahren das Glasmuseum Alter Hof Herding in Coesfeld-Lette. Vieles ist in den zwei Jahrzehnten geschehen: 79 Ausstellungen präsentierten die Kunst aus Glas von Künstlern, Studenten und Schülern aus Europa, viele Reisen zu Ausstellungen, Messen und Künstlerateliers führten quer durchs In- und Ausland, und viele Glasobjekte (bis dato rund 1.822) fanden ihre Heimat in der beachtlichen und sehenswerten Glassammlung des Museums. Dabei wird an der Maxime fest gehalten, nur aktuelles, zeitgenössisches Glas zu sammeln. Nicht zurückzuschauen, sondern nach vorne, wird bis heute in der Museumsarbeit und seiner Kernaufgabe des Sammelns beherzigt.
Zu seinem Geburtstag schenkt sich das Glasmuseum eine große Jubiläumsausstellung mit einem umfangreichen Katalog. Gezeigt und publiziert sind die Neuerwerbungen der letzten 10 Jahre, also von 2006 bis 2015. Die Glasobjekte aus den Jahren von 1996 bis 2005 sind bereits in Katalogen publiziert, so dass auf eine erneute Veröffentlichung verzichtet wurde. Zugänglich sind die Kunstwerke aus der ersten Dekade in der Tenne im Alten Hof Herding und im Glasdepot im Höltingshof. Das Glasdepot mit seiner Schausammlung im benachbarten Höltingshof feiert ebenfalls Geburtstag. 2006 eröffneten Kurt und Lilly Ernsting erneut zur Förderung der Glaskunst diese zweite Einrichtung, die bislang in Deutschland noch immer einmalig ist. Aus einer zufälligen Begegnung mit dem Glas ist eine Lebensaufgabe geworden. Mit einer bescheidenen Zahl von Kunstwerken aus Glas begann Lilly Ernsting, sich mehr und mehr mit dem künstlerischen Glas auseinanderzusetzen. Heute blickt sie auf ein etabliertes Glasmuseum mit einer fundierten Glassammlung. …wer hätte das gedacht!
Fotos von links:
Katharine Coleman, Small Light Blue Haeckel Bowl, 2014 – Foto Katharine Coleman
Karen Lise Krabbe, Blind Boxes for NoThing, 2012 – Fotograf Enok Holsegaard
Karlie Sears, Pale Cluster, 2009 – Foto Horst Kolberg
Michael Behrens, Underwater-World 100-08, 2008 – Foto Paul Niessen
Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle
Die Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle (Saale) hat eine traditionsreiche Geschichte. 1915 wurde sie offiziell als Kunstgewerbeschule im Sinne des Deutschen Werkbundes gegründet. Als 1925 das Bauhaus in Weimar aufgelöst wurde, kamen von dort zahlreiche Vertreter an die Burg. Die Burg Giebichenstein blieb bis 1989 eine der einflussreichsten Ausbildungsstätten für Designer und Künstler in der DDR. 1989 wurde sie als Kunsthochschule erneut umstrukturiert und die Ausbildung ist seitdem international ausgerichtet und findet fachbezogene Unterstützung durch Industrie, Wirtschaft, private und öffentliche Institutionen. In der Fachklasse Bild/Raum/Objekt/Glas kommen junge Künstler zusammen, um sich intensiv dem Material Glas zu widmen. Dabei ist bereits der Name der Klasse Programm – ein Statement für Material und Kontext! Nach diesem Prinzip setzen sich die Studierenden konzeptionell mit Glas auseinander. Sie erlernen bzw. verfeinern hier nicht nur handwerkliche Fähigkeiten, sondern werden auch dazu angehalten, die plastischen und künstlerischen Eigenschaften des Materials Glas auszuloten. Bei einem hohen handwerklichen Anspruch rücken so Idee, Konzept und Diskurs in den Vordergrund. Es entsteht ein Prozess, in dem die jungen Künstler die Aus-Bildung ihrer individuellen künstlerischen Sprache erleben, formale und gesellschaftliche Haltungen beziehen, um sich so mit ihrer Arbeit zu positionieren. In unserer Ausstellung präsentieren wir aktuelle Ergebnisse dieses Prozesses, der auch für eine neue Betrachtung des Glases in der zeitgenössischen Kunst steht: Es werden raumgreifende Installationen, Wandobjekte und Skulpturen aus gegossenem oder geblasenem Glas, oft in Verbindung mit anderen Materialien, gezeigt. Sie alle zeugen von Esprit, Humor und Tiefsinn, aber auch von großem handwerklichem Know-how. Die Arbeiten stammen von 11 Künstlern – eine Gruppe, die sich unter der Leitung von Dozent Sebastian Richter als Team versteht. Begleitet werden sie von ihrer Professorin, der renommierten Künstlerin Christine Triebsch.
Zu Gast sind:
Carl Bens, Felicitas Fässler, Wilhelm Frederking, Eri Hayashi, Juliane Hoffmann, Nora Manthei, Anne Martin, Alexander Roschke, Johannes Michael Rudloff, Jorge Sanchez Di Bello, Jakob Schreiter, Jenny Trinks, Sebastian Richter, Christine Triebsch.
Fotos:
Jorge Sanchez Di Bello, Elvia Cortés, 2015 – Foto AHH
Anne Martin, Fraktale Geometrie, 2016 – Foto Anne Martin
Eri Hayashi, Eine Insel, 2015 – Foto Uli Kühnle
Jakob Schreiter, Space Solid, 2015 – Foto AHH
Neuerwerbungen 2015
Die europäische Glasszene bleibt lebendig und steckt voller Überraschungen.
Zu einer attraktiven Adresse für Liebhaber von Kunst aus Glas hat sich in den letzten Jahren z.B. die alljährliche Ausstellung „Ovengevormd Glas“ im niederländischen Joure entwickelt. Auf dieser internationalen Schau haben wir viele interessante Newcomer getroffen, die frisch und unvoreingenommen an die Kunst herangehen. Eine von ihnen ist die aus der Ukraine stammende Nataliya Vladychko. Ihre zarten, nostalgischen Spitzentaschentücher aus feinem Pâte de verre entführen in die vergangene Zeit, in der ein solches Utensil von hohem Wert war. Ein langgehegter Wunsch erfüllte sich hier endlich, Werke der renommierten Künstlerin Heike Brachlow ausgestellt zu sehen. Die Wahlengländerin ist äußerst selten in Deutschland vertreten, umso glücklicher schätzten wir uns, sie in Joure mit ihren präzis geschmolzenen und geschliffenen autonomen Arbeiten kennenzulernen. Mit „Ellipsis III“ begrüßen wir die Künstlerin in unserer Sammlung.
Erstmals besuchten wir die British Glass Biennale in Stourbridge. Auch dieser Besuch fand seine Belohnung: Wir erwarben die mit dem 1. Preis ausgezeichnete Skulptur von Ashraf Hanna. Der aus Äthiopien stammende Künstler arbeitet meist mit gegossenem Glas. Ihn faszinieren Formen, die sich scheinbar verwandeln und die Aufmerksamkeit des Auges auf ihre dreidimensionalen Aspekte lenken. Unter der repräsentativen Anzahl der Exponate fiel die Wahl auf einige Neuzugänge, aber auch auf einen inzwischen „Altbekannten“, auf Louis Thompson. “Panicum“, Ausdruck von Harmonie und Magie, ergänzt formal und stilistisch seine bereits in der Sammlung vertretene „DNA-Helix“ .
Auch in Deutschland fanden 2015 dank der Glasmuseen Immenhausen und Rheinbach gleich zwei bekannte Glaspreisverleihungen statt. Der Besuch dieser Ausstellungen blieb ebenso nicht ohne Folgen. Werke voller Poesie bereichern nun die narrative Seite der Glassammlung.
Fotos von links:
Louis Thompson u. Hanne Enemark, Panicum in Amethyst, 2015 – Foto Ester Segarra
Ashraf Hanna, Untitled 1, 2014 – Foto Ester Segarra
Christina Kargl, Bowls of Nature, 2014 – Foto Christina Kargl
Michael Behrens, Seaforms 2014-116, 2014 – Foto Paul Niessen
2015
Reiseziel Glas
Glas als Reiseziel – mit unserer neuen Ausstellung möchten wir Sie auf eine Entdeckungsreise durch die facettenreiche Welt des Glases mitnehmen.
Dazu haben wir Glas aus fünf ganz unterschiedlichen Sammlungen zusammengetragen. Es sind repräsentative Arbeiten, die das Medium Glas von seiner Historie bis in die Gegenwart, von seiner Zweckmäßigkeit bis hin zur freien Kunst, vom Hohlglas bis zum Flachglas zeigen. Für diese umfassende Ausstellung hat die Stiftung etablierte und renommierte Museen eingeladen, ihre unterschiedlichen Ausrichtungen und Schwerpunkte, die nicht zuletzt durch ihre typische Geschichte geprägt wurden, vorzustellen. Jedes Museum wirft ein ganz eigenes Schlaglicht auf das Material.
Das LWL-Industriemuseum / Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur – Glashütte Gernheim in Petershagen befindet sich in den historischen Gebäuden einer früheren Glashütte.
Neben einer musealen Präsentation der Glasherstellung des 19. und 20. Jh. unterstützt das Museum Künstler,im erhaltenen Glashüttenofen eigene Werke selbst herzustellen. Das Glasmuseum Immenhausen befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Glashütte Richard Süßmuths, der anspruchsvolles Kunst- und Gebrauchsglas, u.a. die berühmte AE-Serie mit filigranem Strahlenschliff, entwickelte. Das Museum beschäftigt sich mit der regionalen historischen Glastradition bis hin zur modernen internationalen Studioglaskunst. Das Deutsche Glasmalerei-Museum Linnich ist ein landesweit einzigartiges Museum für Flachglasmalerei, das der nationalen und internationalen Glasmalerei ein Forum bietet. Linnich wurde zum Standort des Museums, da hier seit 1857 die älteste deutsche noch tätige Glasmalereiwerkstatt Oidtmann beheimatet ist. Das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster beherbergt in seinem Sammlungsbestand zur Landesgeschichte auch historisches Glas aus Westfalen. Das Glasmuseum Rheinbach mit Sammlung Mülstroh zeigt in seiner Dauerausstellung wertvolle Gläser vom Barock bis zum zeitgenössischen Studioglas und gibt einen Überblick über die Kunst böhmischer Glasherstellung und -veredelung. Zur Glasstadt mit Staatlicher Glasfachschule wurde Rheinbach übrigens durch die Ansiedlung sudetendeutscher Glasveredler nach dem Zweiten Weltkrieg.
Inspiration zu unserer neuen Ausstellung gab uns die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Glas Museen, ein Kooperationsprojekt von Glasmuseen und Sammlungen aus NRW. Das Netzwerk Glas Museen will Neugier und Interesse wecken und zum Staunen über die unbegrenzten kreativen Möglichkeiten des Materials Glas bringen.
Fotos von links:
Karin Hubert, Gluckerflaschen, 2013 – Leihgabe LWL-Industriemuseum Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur – Glashütte Gernheim – Foto Martin Holtappels
Richard Süßmuth, Serie AE 364 mit Strahlenschliff, 1954, Leihgabe Glasmuseum Immenhausen – Foto Christian Ruhlig
Renate Groß, Beziehungskiste Wassermond, 1995, Leihgabe Glasmuseum Rheinbach – Foto Siegmut Seeger
Anton Wendling, Sternrose, 1957, Leihgabe Deutsches Glasmalerei-Museum Linnich – Foto Stefan Johnen
Günter Wagner
Günter Wagner ist Bildhauer – das Glas ist für ihn ein künstlerischer Bedeutungsträger. Seine Werke sind eine Komposition aus unterschiedlichen, präzise bearbeiteten Materialien. Patiniertes Gusseisen, Stahl und Blei gehen konzeptuell mit Glas- oder Spiegelelementen eine Verbindung mit dem Licht und dem umgebenden Raum ein. Meist schafft Wagner geometrische Formen, die virtuos in ihrer unterschiedlichen Materialität ihre gegensätzlichen Wirkweisen transportieren. Leichtigkeit und Schwere, Lichtdurchlässigkeit und Kompaktheit vereinen sich zu einem äußerst ästhetischen Wechselspiel. Gemeinsam bauen sie Spannung und Entspannung auf, die ihrerseits in eine geradezu meditative Kraft münden. In Günter Wagners Objekten, Wandarbeiten und Installationen erleben wir Glas in einer für uns ungewohnten Dimension. Wenn er fragiles Glas mit massivem Metall verbindet, verkehrt sich die Wahrnehmung des Betrachters – denn beide Materialien können mal den Part des ruhenden, lastenden oder den des bewegten, leichten Momentes einnehmen. Die beiden Elemente Leichtigkeit und Schwere scheinen dabei mühelos ineinander überzugehen. Aus dieser Bipolarität beziehen seine Werke ihre innere Spannung und Anziehungskraft.
Günter Wagner, 1955 in Karlsruhe geboren, lebt seit vielen Jahren in Bruchsal. Er studierte zunächst Grafik und Malerei in Marburg, um dann ein Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe anzuschließen. 1988 erhielt er ein Projektstipendium des Bonner Kunstfonds für Bildhauerei in Italien. Seine Arbeiten werden mit großem Erfolg in ganz Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien und in der Schweiz ausgestellt. Erst in diesem Jahr wurde er mit dem Kunstpreis der Museumsgesellschaft Ettlingen ausgezeichnet.
Gemeinsam mit dem Kunstverein Münsterland in Coesfeld haben wir Günter Wagner eingeladen, sein materialübergreifendes Schaffen in zwei Parallelausstellungen zu präsentieren: Sie können seine Werke hier im Glasmuseum Alter Hof Herding und ab dem 21. Juni im Kunstverein Münsterland, Jakobiwall 1 in Coesfeld, erleben.
Fotos von links:
Günter Wagner, Aufgesetzt, 1998 – Foto Günter Wagner
Günter Wagner, Ikarus, 2004, Foto Günter Wagner
Günter Wagner, Hommage an Giovanni da Bologna, 2006 – Foto Horst Kolberg
Günter Wagner, Doppelkeil, 1996 – Foto Hildegard Morian
„münchner freiheit“
An der Münchner Akademie der Bildenden Künste wird künstlerische Freiheit groß geschrieben. Sie versteht sich als Versuchslabor, als Nährboden für Lösungen jenseits aller Konvention.
Für die Studenten, die es aus aller Welt nach München zieht, ist dies Verlockung und Herausforderung zugleich. Sie zu meistern, setzt nicht allein Begabung, sondern auch Mut, Selbstbewusstsein und einen freien Geist voraus. Um ihre künstlerischen Ideen frei und selbstbestimmt verwirklichen zu können, stehen ihnen 18 Studienwerkstätten zu Verfügung, davon gleich zwei für den Bereich Glas. Damit gehört München zu den wenigen deutschen Kunstakademien, die überhaupt den künstlerischen Umgang mit Glas ermöglichen. In der Studienwerkstatt für Glasmalerei, Licht und Mosaik steht den Studenten Thierry Boissel beratend und unterstützend zur Seite. Er hat sich seit langem in der Glaskunst etabliert und vor allem die Technik des Fusings in der Glasszene salonfähig gemacht. Mittelpunkt der zweiten Studienwerkstatt ist das Skulpturale Glas, geleitet wird sie von dem jungen Künstler Sebastian Rauscher.
In unserer neuen Ausstellung präsentieren 16 Studenten und Absolventen der Münchner Akademie Installationen, Lichtobjekte, Bilder und Skulpturen aus Glas. Die Werke sind eigenwillig und individuell, wie die jungen Künstler selbst. Sie kommen aus verschiedensten Fachbereichen der Akademie, sei es die Freie Malerei, Bildhauerei, Kunstpädagogik, Architektur oder die Glasklasse. Einige haben zuvor Glasfachschulen besucht oder sind ausgebildete Glas- und Porzellanmaler, andere haben früher Holztechnik gelernt oder kommen aus ganz anderen Berufszeigen. Eins aber haben sie alle gemeinsam: die Faszination am Glas und den Willen, es neu zu gestalten.
Begrüßen Sie also mit uns: Garance Arcadias, Aida Bakhtiari, Kris Buckley, Alexander Emil Deubl, Aurélie Dupin, Daniel Huss, Arina Kunz, Antonia Leitner, Alkaya Nazli, Henriette Olbertz-Weinfurter, Steffen Orlowski, Sebastian Rauscher, Bongchull Shin, Laura Stracke, Keiyona C. Stumpf, Neringa Vasiliauskaite – und, last but not least, ihren Leiter Thierry Boissel.
Fotos von links:
Bongchull Shin, Würfel B3613, 2013 – Foto AHH
Aida Bakhtiari, Schwindel, 2015 – Foto Aida Bakhtiari
Nazli Alkaya, Kampf, 2009 – Foto Hildegard Morian
Neringa Vasiliauskaite, Objekt 1, 2015 – Foto Neringa Vasiliauskaite
Neuerwerbungen 2014
Es ist wieder soweit – traditionell laden wir Sie zur ersten Ausstellung mit den Neuerwerbungen des zurückliegenden Jahres ein. Mit Beginn eines neuen Jahres stellen wir uns immer wieder die Fragen: Welche Ausstellungen werden wir besuchen, wie viele neue Künstler können wir für die Sammlung gewinnen, treffen wir altbekannte mit frischen, pfiffigen und fröhlichen Arbeiten oder lernen wir neue Techniken kennen?
Ins Staunen gerieten wir im vergangenen Jahr beim Besuch des Coburger Glaspreises. Hier landeten wir gleich einen Volltreffer – wir hatten das große Glück, die mit dem 1. Preis ausgezeichnete Arbeit für unsere Sammlung erwerben zu können: „Blind Boxes for NoThing“ der dänischen Künstlerin Karen Lise Krabbe. Es sind fragile Dosen aus Glaspuder und Olivin (wie Glas gehört es zu den Silikaten), die nur im geöffneten Zustand als solche zu erkennen sind. Mit äußerster Perfektion wurde das Material Schicht um Schicht in eine Sandform gegossen, was die Illusion weckt, sie seien auf natürlichem Weg entstanden, wie durch Wind und Erosion geformte Sandschichten. Karen Lise Krabbe spielt nicht nur mit der traditionellen Form und Funktion von Glas, sondern auch mit der Wahrnehmung des Betrachters.
Die Lampenglasszene läuft auf Hochtouren, die Inspirationen der Künstler reißen nicht ab, so auch bei Oliver Drobar aus Deutschland. Seine Werke bestechen durch ihre unglaubliche Zartheit: Sie sind fein gearbeitete Glasnetze mit schwingenden Strukturen, die schon auf kleine Luftbewegungen reagieren. Drobar selbst bezeichnet seine Objekte als lebendiges Glas.
Ein weiteres Highlight präsentierte uns das Museum Glazenhuis im belgischen Lommel, das unter dem Titel „UK Glass“ neues künstlerisches Glas aus Großbritannien vorstellte. Sie können sicher sein, auch dieser Besuch blieb nicht ohne Folgen für die Sammlung! Die Fensterbilder „Window I + II“ der Künstlerin Erin Dickson beanspruchten unsere Aufmerksamkeit. Ihr Ziel, ihre Fenster als autonome Kunstwerke und nicht als Teil der Architektur zu verstehen, erreicht sie mit einer Technik, welche das Motiv verunklärt und den Betrachter manipuliert.
Seien Sie gespannt und freuen Sie sich mit uns auf eine abwechslungsreiche Ausstellung mit unseren „Neuerwerbungen 2014“!
Fotos von links:
Oliver Drobar, Eisschmelze, 2011 – Foto Daniel Heydecke
David Reekie, Daggers Drawn III, 2012 – Foto David Reekie
Julia Malle, Spheres, 2010 – Foto Horst Kolberg
Stanislaw Borowski, The Bird III, 2006 – Foto Sasa Fuis
2014
Zu Gast: Polen
Wroclaw, polnisch für Breslau, gilt bis heute als ein traditionsreiches Zentrum für Glas. Einst war diese Stadt Metropole der historischen Region Schlesien und schon im 13. Jhd. Produktionsstätte von Glas. Im 17. Jhd. wurde die Glasveredelung (Gravur, Schnitt und Bemalung) derart meisterlich vorangetrieben, dass Glas aus Schlesien ein international begehrter Exportartikel war. Aber auch neue Techniken aus Italien wie Filigran und Millefiori hatte man hier frühzeitig aufgegriffen und weiterentwickelt.
Aus diesen Wurzeln reifte nach dem 2. Weltkrieg ein erstaunlich vielseitiges Glasschaffen in Polen. Große Strahlkraft hatte dabei Wroclaw dank seiner 1946 gegründeten Akademie der Bildenden Künste – bis heute ist sie eine der dynamischsten Kunsthochschulen des Landes. Hier wurde die in Polen einzige Fakultät für Glas und Keramik eingerichtet, die sich rasch zum Zentrum für neue künstlerische und glastechnische Impulse entwickelte. Sie vermittelt eine fundierte Ausbildung auf technisch-handwerklicher Ebene, um die Studierenden für den künstlerischen Umgang mit konventionellen und neuen Techniken der Glasformung zu befähigen. So eröffnen sich ihnen Perspektiven, sich schöpferisch zu entfalten und einen eigenen künstlerischen Ausdruck zu finden.
Unsere Gäste aus Polen, zum Teil international renommierte Lehrer, Absolventen, und Studenten der Glasabteilung, präsentieren Ihnen rund 60 Arbeiten. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie beherrschen den Umgang mit den unterschiedlichen Glastechniken perfekt, doch brechen und interpretieren sie gleichzeitig die langjährige Tradition der Abteilung Glas ständig neu. Ihre Werke sind abstrakt, skulptural, narrativ, ironisch oder einfach nur berührend. Jedes Werk ist einzigartig in Charakter, Aussage, Stil und Form, ein Ausdruck des individuellen Zugangs des Künstlers zum Medium Glas. Unser besonderer Dank gebührt der polnischen Künstlerin Marzena Krzeminska-Baluch. Sie fungierte als Vermittlerin zwischen den Künstlern und der Stiftung. Auch Marzena Krzeminska-Baluch ist mit kraftvollen und dennoch stillen Arbeiten vertreten.
Herzlich Willkommen, schön, dass Sie da sind – Serdecznie Witam, Cieszymy się że Państwo z nami są!
Fotos von links:
Wojtek Peszko, Archa III, 2008 – Foto Stanislaw Sielicki
Marzena Krzeminska, Between 3, 2011 – Foto Stephen Vest
Patrycja Dubiel, Nihil Novi, 2010 – Foto AHH
Stanislaw Sobota, Turquoise Atoll, 2013 – Foto Stanislaw Sielicki
Zu Gast: Estland
Estnisches Glas entspricht in seiner Art sehr dem Land, aus dem es stammt. Es ist sowohl robust als auch verletzlich, es strahlt Ruhe aus und manchmal Ruhelosigkeit“, so beschreibt Mare Saare, eine der bekanntesten estnischen Künstlerinnen, die außergewöhnliche Glaskunst ihrer Heimat. Als wir estnischem Glas vor einigen Jahren zum ersten Mal begegneten, waren wir von seiner Ausdruckskraft und klaren Formensprache sofort fasziniert – und es überraschte uns sehr, dass sich in dem kleinen baltischen Land fast unbemerkt von der westeuropäischen Kunstszene eine eigenständige Glaskultur auf höchstem Niveau entwickelt hat.
Estlands Glasszene ist noch jung: Sie konnte sich erst im Laufe der 90er Jahre frei entfalten. Während der Sowjetzeit von 1940 bis 1991 gab es kaum Möglichkeiten, mit Glas künstlerisch zu arbeiten, weder konzeptionell noch technisch. Stattdessen bestimmte Massenproduktion die einstigen Glaswerkstätten, die im ersten Drittel des 20.Jh. gegründet worden waren, um importierte Glas- und Kristallwaren mit kalten Techniken wie Schliff und Gravur zu veredeln. Die Studioglas-Bewegung erreichte Estland daher recht spät: 1991 wurde der erste Ofen von Viivi-Ann Keerdo und Kai Koppel in Tallin errichtet. Arbeiten dieser beiden Pionierinnen sind in der neuen Ausstellung zu sehen. Auch wenn traditionell die kalten Techniken sowie das optische Glas nach wie vor eine große Rolle spielen, so bevorzugt die jüngere Generation heute doch die Arbeit am Ofen, die schier grenzenlose künstlerische Experimente ermöglicht.
Mit unserer neuen Ausstellung geben wir einen Einblick in diese ungewöhnliche, junge Glasszene Estlands, die hierzulande noch kaum bekannt ist. Dank des großen Engagements der estnischen Künstlerin und Kuratorin Kati Kerstna können wir Ihnen rund 40 eigenwillige Arbeiten präsentieren, die zum Teil eigens für unsere Ausstellung entstanden sind. Beteiligt sind 22 estnische Glaskünstler – renommierte Persönlichkeiten, die sich inzwischen in der internationalen Szene etabliert haben, aber auch junge Kreative, die ihren ganz eigenen Weg gehen.
Fotos von links:
Rait Prääts, Round table, 2012 – Foto AHH
Mare Saare, Double Fragile, 2013 – Foto Mare Saare
Piret Ellamaa, Do you hear, 2013 – Foto Horst Kolberg
Kati Kerstna, Drums 1+2, 2014 – Foto AHH
GESPONNEN UND GEZOGEN – KUNSTWERKE AUS LAMPENGLAS
Lampenglas ist eine alte Technik, mit der Glasobjekte nicht am Ofen, sondern vor der offenen Flamme eines Gasbrenners, der sogenannten „Lampe“, geformt werden. Traditionell gilt sie als Kunst der kleinen Form, die es erlaubt, Perlen, Miniaturen, Verzierungen oder kleinformatige Gefäße perfekt zu gestalten. In den letzten Jahren haben Künstler diesen Typus Glas jedoch geradezu revolutioniert: Mit freien, plastischen, teilweise auch großformatigen Objekten führen sie das Lampenglas heute auf völlig neue Wege.
Diese Entwicklung haben wir bereits im Sommer 2010 in unserer Ausstellung “Netz, Stab, Stachel – Weltbild und Poesie. Zeitgenössisches Lampenglas aus fünf Nationen“ vorgestellt. Jetzt führen wir das Thema weiter und präsentieren Ihnen Arbeiten von der Luxemburgerin Anne Claude Jeitz, dem Franzosen Alain Calliste und dem Deutschen Jörg Hanowski. Alle drei haben die Grenzen des traditionellen Lampenglases längst überschritten. Sie kennen sich seit Jahren, künstlerische Projekte führen sie immer wieder zusammen. Eigens für unsere neue Ausstellung haben sie mit „Playground“ sogar ein gemeinsames Werk geschaffen.
Anne Claude Jeitz und Alain Calliste sind Ehepartner und auch künstlerisch eng miteinander verbunden. Gemeinsam erschaffen sie poetische Kunstwerke in Filigrantechnik, mit denen sie inzwischen international Maßstäbe gesetzt haben. Ihre Arbeiten in „verre filé“, einem netzartig gesponnenen Spitzengewebe aus Glas, erzählen Geschichten von ihren zahlreichen Reisen und menschlichen Begegnungen, mit einem kritischen und doch warmherzigen Blick auf die Dinge und die Menschen.
Von Formen der Natur und organischen Strukturen inspiriert ist der in Witten lebende Jörg Hanowski. Auch er beherrscht Technik und Kunst gleichermaßen. Seine Werke sind raumgreifend und interaktiv – sie scheinen eine geheimnisvolle Verbindung mit ihrer jeweiligen Umwelt einzugehen. Darüber hinaus arbeitet er mit den leuchtenden Edelgasen Neon und Argon. Mit ihren teils geschwungenen, teils grafischen Formen verführen diese Leuchtobjekte zum Spiel mit der Perspektive.
Lampenglas ist eine Technik, die man hautnah und direkt erleben kann. Das lässt es zu, dass Ihnen endlich live und zum Greifen nah die eingeladenen Künstler hier vor Ort demonstrieren können, wie ihre Kunstwerke entstehen.
Fotos von links:
Anne Claude Jeitz u. Alain Calliste, Symphony, 2009 – Foto Anne Jeitz
Jörg Hanowski, Biogenese 1, 2003 – Foto Lutz Naumann
Jörg Hanowski, Phytoplankton 2, 2014 – Foto Norbert Dähn
Anne Claude Jeitz u. Alain Calliste, Patience, 2010 – Foto Anne Jeitz
Neuerwerbungen 2013
„Mit Glas zu arbeiten offeriert mir eine unbegrenzte Vielfalt an Möglichkeiten“, so beschreibt die Schweizer Künstlerin Veronika Suter die Welt des Glases. Ihre freundlich, keck, aber auch ernst dreinschauende „Zaungäste“ begrüßen Sie von nun an draußen auf dem Weg zum Museum. Stets ist bei der Suche nach neuen Objekten für die Glassammlung festzustellen, dass das Material und Medium Glas eine schier unendliche Fülle von Optionen birgt. So gestaltet sich jedes Jahr immer wieder anders als das vorhergehende – ganz wie im Leben: Man weiß nie genau, was passiert und wem man begegnet. Offen, unvoreingenommen und flexibel auf alle künstlerischen Erlebnisse zu reagieren, ist dabei oberste Prämisse.
In der neuen Ausstellung präsentieren wir die spannenden Ergebnisse der Entdeckungsreisen 2013. Rund 60 neue Arbeiten sind fast wie im Uhrzeigersinn von Künstlern aus ganz Europa erworben worden: Dänemark, Schweden, Polen, Tschechien, Slowakei, Bulgarien, Italien, Schweiz, Frankreich, Deutschland, Niederlande und England. Das Hauptgewicht liegt diesmal bei skulpturalen Arbeiten. Es sind teils abstrakte Werke, wie das leuchtend blaue „Propagate“ der britischen Künstlerin Shelley Doolan oder das aus einer Vielzahl von geblasenen und geschnittenen Glasteilen zusammengesetzte “Between Fragment and Whole” von Jeannet Iskandar aus Dänemark. Aber auch Figurales ist dabei, z.B. das geheimnisvolle „Portrait“ des Bulgaren Hari Arabyan.
Lassen Sie sich die inspirierende, grenzenlose Welt des Glases nicht entgehen!
Fotos von links:
Shelley Doolan, Propagate, 2012 – Foto Simon Bruntnell
Oldrich Pliva, Un-Endlich, 2012 – Foto Horst Kolberg
Hari Arabyan, Portrait, 2012 – Foto Sandro Arabyan
Emmanuel Babled, Osmosi Vase, 2013 – Foto Nicole Marnati
2013
Frühwerk
Das renommierte Institut für Künstlerische Keramik und Glas, kurz IKKG, ist eine Abteilung der Hochschule Koblenz. Dass es seinen Sitz in Höhr-Grenzhausen hat, ist kein Zufall: Im südlichen Westerwald, dem „Kannenbäckerland“, ist im Laufe der Jahrhunderte eine einzigartige keramische Kultur entstanden, die bis heute die ganze Region prägt. Um diese enge Verzahnung von Handwerk, Technik und Kunst zu bewahren bzw. weiterzuführen, wurde das IKKG 1987 zunächst als Institut für Künstlerische Keramik gegründet. Im Jahr 2000 kam schließlich die Klasse Freie Kunst Glas neu dazu, die heute sowohl das Institut als auch die Region enorm bereichert. Als eine der wenigen international hochrangigen Einrichtungen der bildenden Kunst bietet das IKKG seither talentierten jungen Leuten eine umfassende praktische und künstlerische Ausbildung in den Materialfeldern Keramik und Glas. Die Studiengänge wurden 2007 erstmals mit den Abschlüssen Bachelor und Master of Fine Arts akkreditiert – damit steht das Institut auf Augenhöhe mit den führenden Kunstfakultäten Europas.
Am IKKG ist das künstlerische Studium darauf ausgerichtet, die Begabung des Studierenden in Einklang mit seiner Persönlichkeit zu bringen. Zentrum des künstlerischen Prozesses ist das eigenständige, materiale Denken – Idee, Konzept, Kritik, Reflexion, Technik, manuelle Fähigkeiten und Neugier sind Mittel auf diesem Weg. Das Studium bietet Raum, Fragen zu formulieren, deren kreative Beantwortung zur Lebensaufgabe des jungen Künstlers werden kann. Der Werkstoff, das Medium Glas ist dabei ein Angebot, Ideen, Themen oder Emotionen reizvoll wie komplex zu transportieren bzw. sichtbar zu machen. Noch immer sind die Facetten des Glases keineswegs ausgelotet, denn seine Bandbreite bietet den künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten großen Raum. Am IKKG entstehen außergewöhnliche, spannungsreiche Installationen, Skulpturen, geblasene und gegossene Glasobjekte, z.T. auch in Verbindung mit verschiedenen anderen Materialien, die allesamt sinnlich und still Stationen des Lebens erzählen.
Spannende Einblicke in die Arbeit der Glasklasse hatte bereits unsere erste gemeinsame Ausstellung „Experiment Glas“ im Frühling 2008 ermöglicht. Nun freuen wir uns auf die aktuellen Werke der neuen Glas-Generation am IKKG. Die Studenten werden von zwei anerkannten Künstlern begleitet: Prof. Jens Gussek, seit 2011 Leiter der Glasklasse, und Prof. Ingrid Conrad-Lindig, die bis zu ihrer Emeritierung 2011 das Institut führte.
Fotos von links:
Anne Petters, Notizen, 2013 – Foto Horst Kolberg
Michéle Janata, Raum, 2013 – Foto Masami Hirohata
Judith Röder, Kristall-Konstruktion II, 2013, Leihgabe Judith Röder – Foto AHH
Lena Feldmann, o.T., 2013 – Foto AHH
Masters of Glass – Meister ihres Faches
Der große Erfolg unserer Ausstellung „Made in NRW – Staatspreisträger des Landes NRW in der Sparte Glas“ im Jahr 2007 hat uns inspiriert, einmal den Blick auf das gesamte Land zu richten. Denn für Spitzenleistungen und Innovationskraft im künstlerischen Gestalten werden auch in einigen anderen deutschen Bundesländern seit vielen Jahrzehnten Staatspreise vergeben. Bayern etwa ehrt jedes Jahr international renommierte Künstler und Kunsthandwerker, Hessen hat bei der jährlichen Preisvergabe deutsche Künstler im Fokus, während NRW alle zwei Jahre Künstler auszeichnet, die in NRW leben und arbeiten.
Meister ihres Faches in dieser einmaligen Ausstellung sind
- der Düsseldorfer Michael Behrens, der 2009 vom Land NRW für seine in das Glas übertragene Inspiration aus der Unterwasserwelt geehrt wurde
- der Niederländer Bert Frijns, der 2012 die Bayerische Staatspreis-Jury mit einer Installation aus großformatigen Vasen aus Flachglas beeindruckte
- der Klever Wilfried Grootens, der 2011 mit seinem laminierten Glaskubus aus Flachglas und einem sich verändernden Innenleben die nordrhein-westfälische Jury überzeugte
- die Göttingerin Gabriele Küstner, die 2012 in Hessen ihre Auszeichnung für den schöpferischen Umgang mit der uralten Technik des verschmolzenen Glasmosaiks empfing
- die Japanerin Ritsue Mishima, die 2012 für ihre in Murano mundgeblasene Arbeit „Tre Gole“ mit dem Bayerischen Staatspreis geehrt wurde, weil sie fernöstliche Formensprache mit europäischer Glastechnik vereint.
Alle Künstler haben sich mit ihrem individuellen Arbeitsstil in der Welt der Glaskunst etabliert – der Staatspreis setzt in ihrer Karriere ein deutliches Zeichen. Ihr Zusammenspiel in dieser Werkschau ist für alle Beteiligten erstmalig. Die Stiftung ist stolz, dass Arbeiten von diesen arrivierten Künstlern schon seit vielen Jahren zur Sammlung gehören.
Fotos von links:
Wilfried Grootens, Where the shark bubbles blow 10-13, 2013 – Foto Norbert Heyl
Ritsue Mishima, Tre Gole, 2009 – Foto Horst Kolberg
Gabriele Küstner, Mosaikteller 4.E.2013 – Foto Gabriele Küstner
Bert Frijns, Zwei Vasen, 2012 – Foto AHH
Michael Behrens, Seaforms 2013-74, 2013 – Foto Nele Siebel
Poesie im Alltag
Alltag bedeutet für viele Menschen Routine und Langeweile. Die stete Wiederholung vertrauter Abläufe bietet Sicherheit und Geborgenheit, doch sie belebt gleichzeitig auch den Wunsch, einmal auszubrechen und sich auf die Suche nach dem Besonderen und Unerwarteten zu begeben, den Alltag spontan zu einem Festtag zu machen. Eine Sehnsucht, die alle erwachsenen Menschen verbindet – unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft und gesellschaftlicher Stellung. Um das Alltagsjoch abzuschütteln und wieder Zauber ins Leben zu bringen, handelt jeder sehr individuell. Der eine richtet sich seine Wohnung neu ein, der andere verschönt sein Äußeres mit neuen Dingen oder aber bringt mit ein paar Blumen Farbe ins Leben. Manch einer krempelt sein ganzes Leben um, begibt sich auf eine Flucht vor dem Alltag, die selbst wiederum zu einem Fallstrick werden kann.
Das Kunststück, hier die Balance zu halten und sich mit dem unvermeidlichen Alltag zu arrangieren, magische Momente in der vermeintlichen Tristesse zu finden, hat auch Künstler inspiriert. Ihre Suche nach der Poesie im Alltag dokumentiert unsere gleichnamige Ausstellung. Die Glassammlung erweist sich bei diesem Thema als eine enorme Quelle: Ein sehr großer Teil des Bestandes reflektiert den alltäglichen Gegenstand, seien es Schalen, Vasen, Flaschen oder Dosen. Auch Assoziationen mit unterschiedlichen Textilien sind häufig zu finden. Dabei entrückt die Kunst den Gegenstand wie in einer Metamorphose aus seiner Alltagsrealität – er mutiert von einem zweckgebundenen Gebrauchsgegenstand zum unabhängigen Kunstwerk. Dem Betrachter eröffnet sich ein neuer Blick auf die dingliche Welt, die ihn jedem Tag umgibt. Kunst macht auch aufmerksam auf die unglaubliche Ästhetik ganz normaler Alltagsartikel. Die Künstler entlassen die Gegenstände aus ihrer Banalität, schenken sogar einer Säge oder einer Schere eine neue Aufgabe und verleihen holländischen Holzpantinen einen glamourösen Auftritt.
Entrücken Sie dem Alltag und tauchen Sie einmal ab. Gute Reise!
Fotos von links:
Patula Berm, Memories of Lavander, 2007 – Foto Richard Willebrands
Louise Rice, Safe as Houses , 2003 – Foto Ron Zijlstra
Caroline Prisse, Dutch Cinderella, 1997 – Foto Ron Zijlstra
Drew Smith, o.T., 1980 – Foto Ron Zijlstra
Neuerwerbungen 2012
Was tut sich in der europäischen Glasszene? Dieser Frage sind wir auch im vergangenen Jahr 2012 wieder intensiv nachgegangen. Auf unseren Reisen zu Ausstellungen, Messen und Galerien trafen wir Künstler aus ganz Europa. Ein großer Teil der über 70 neuerworbenen Werke stammt von tschechischen Künstlern. Das liegt vor allem daran, dass wir die Studenten der drei wichtigen tschechischen Kunstakademien in Prag, Ústí nad Labem und Zlín, sowie anschließend ihre Professoren Rony Plesl, Ilja Bílek und Peter Stanický mit beachtlichen Werken ausstellten. Zudem zeigten etablierte Galerien in Deutschland häufig tschechisches Glas.
Auch die Ausstellungstätigkeit der Glasmuseen im In- und Ausland war sehr umtriebig. So präsentierte das Glasmuseum im belgischen Lommel zum ersten Mal den International Glass Prize 2012. Intuitiv erwarben wir die später prämierten Arbeiten des ersten Preisträgers Yoshiaki Kojiro und der Gewinnerin des Publikumspreises Siobhan Healy. Beide Werke bestechen mit ihrer enormen Anziehungskraft: So möchte man den einem rissigen und zackigen Eisblock ähnelnden Glaswürfel des Japaners trotz möglicher Verletzungsgefahr gern berühren. Und die zarten gläsernen Pflanzen scheinen aus dem massiven, überformatigen Herbarium der britischen Künstlerin herauszuwachsen.
Beeindruckend war die Reise nach Schweden. Dort trafen wir auf Künstler, die uns schon seit Gründung der Sammlung vertraut sind, aber auch auf neue ausgezeichnete und sehr produktive Künstler und Designer Schwedens. Ingegerd Råman z.B. ist eine der prominentesten Persönlichkeiten des schwedischen Designs. Ihre Kunst ist schnörkellos, bis auf das Wesentliche reduziert und von schlichter, zeitloser Schönheit mit exzellentem Schliff. Martti Rytkönen dagegen mag das verspielte, poetische Element. Er selbst sagt über sich: „Wenn es um Glas geht, bin ich ein Schwätzer“.
Fotos von links:
Rony Plesl, Scene of Red, 2012 – Foto Tomáš Brabec & Patrik Borecký
Yoshiaki Kojiro, Shiro former 2, 2010 – Foto Yoshiaki Kojiro
Martti Rytkönen, Puppet Show 7, 2010 – Foto AHH
Siobhan Healy, Herbarium, 2011 – Foto Lighthouse Photographics
2012
„Mit viel Gefühl und ruhiger Hand…“
An der Glasfachschule Zwiesel haben Schüler und Lehrer ein gemeinsames Ziel: Ihrer Leidenschaft für den Werkstoff Glas Ausdruck zu geben – mit handwerklichem Know-how und kreativen Ideen, „mit viel Gefühl und ruhiger Hand“, wie eine Schülerin es treffend formulierte. Die Begeisterung für das Material mit seinen schier unbegrenzten Möglichkeiten, das Zusammenspiel von Formen und Farben, die Faszination des heißen Glases und die Freude an der Veredelung des kalten Glases prägen hier die Ausbildung.
Inmitten des Bayrischen Waldes mit seiner großen Glastradition hat sich die Glasfachschule Zwiesel zu einem der modernsten Kompetenzzentren für Gestaltung, Handwerk und Technik im Bereich Glas in Europa entwickelt. Gegründet wurde die älteste Glasschule Deutschlands bereits 1904. Dank eines zukunftsorientierten Managements trotzt sie allen Umbrüchen in der Glaswirtschaft und bietet eine hervorragende Infrastruktur für die Aus- und Weiterbildung. Junge Menschen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum zieht es nach Zwiesel, um kreativ gestalterisch zu arbeiten, sich in der Technik weiterzubilden oder einen glashandwerklichen bzw. industriellen Beruf zu erlernen. Viele renommierte Glaskünstler kommen aus der Glasfachschule Zwiesel, zum Teil engagieren sie sich dort auch als Lehrkräfte. In der Berufsfachschule erhalten die Schüler eine umfassende Ausbildung, die je nach Schwerpunkt von der Glasmalerei über Glasveredelung wie Gravur, Schliff und Flachglasbearbeitung, gestalterisches Glasblasen bis hin zum kreativen Glasmachen am Studioofen reicht. Eine schnelle Umsetzung von Konzepten im Heißglasbereich ermöglicht dabei die Lehr- und Versuchsglashütte der Schule. Neu an der Glasfachschule Zwiesel ist die Ausbildung für kreatives Produktdesign.
Dass alle Schüler Glas in ihren Genen tragen, bezeugen ihre ausgestellten Arbeiten. Allesamt spiegeln sie den hohen ästhetischen und handwerklichen Anspruch der dortigen Ausbildung wider. Begleitet wird die Ausstellung von Hans Wudy, der seit 1997 mit großem Erfolg als Schulleiter wirkt, und Franz Xaver Höller, renommierter Künstler und seit 1981 engagierter Lehrer an der Glasfachschule Zwiesel.
Fotos von links:
Markus Marschmann, Heimat und Ferne, 2011 (Glasfachschule Zwiesel, Abt. Lampenglas) – Foto Horst Kolberg
Doris Heymel, Schale, 2006 (Glasfachschule Zwiesel, Abt. Produktdesign) – Foto Gunther Fruth, Franz X. Höller
Alina Li, Gesellenstück, 2006 (Glasfachschule Zwiesel, Abt. Kaltveredelung) – Foto Gunther Fruth, Franz X. Höller
Michael Stangl, Heimat und Ferne, 2011 (Glasfachschule Zwiesel, Lampenglas) – Foto Gunther Fruth, Franz X. Höller
Drei tschechische Meister
Sie kommen aus Tschechien, sie sind Professoren und ihr künstlerisches Medium ist das Glas. Doch das ist alles, was sie verbindet. Gleichwohl die große Glastradition ihrer Heimat die Quelle ihrer Inspiration ist, geht jeder seinen eigenen Weg in Stil, Technik und Inhalt. Blickt man auf die Geschichte des böhmischen Glases, so versteht man ihre künstlerische Herkunft, denn in der Welt von Kunst und Design ist tschechisches Glas schon seit langem ein internationales Markenzeichen. Böhmisches Glas galt bereits vor Jahrhunderten als begehrter Exportartikel, und es waren tschechische Künstler, die in den 50er Jahren die künstlerische Ausdruckskraft des Materials erkannten. Als Professoren geben Bílek, Plesl und Stanický ihr Können auch an die nachfolgende Generation weiter: Die Arbeiten ihrer Studenten hat die Stiftung bereits in einer eigenen Ausstellung im Winter 2011/12 im Glasmuseum präsentiert – jetzt stellen wir Ihnen die Meister dahinter vor:
Ilja Bílek leitet seit 1996 das Glasstudio der Jan-Evangelista-Purkynĕ-Universität in Ústí nad Labem. Seine Skulpturen aus Glas sind frei von Posen und visueller Effekthascherei – mit ihrer konzentrierten geometrischen Formensprache scheinen sie vielmehr einer eigenen tieferen Logik zu folgen. Trotz der bisweilen fast asketischen Zurückhaltung in Form, Farbe und Bearbeitung des Materials, strahlen Bíleks Werke eine starke innere Dynamik aus.
Rony Plesl ist seit 2008 Leiter des Glasstudios der Akademie für Kunst, Architektur und Design in Prag sowie seit 2011 Direktor der Abteilung für Angewandte Kunst. Als international gefragter und preisgekrönter Spitzendesigner arbeitet er seit langem mit großen Glasdesignfirmen zusammen – erst 2011 wurde er in Tschechien als „Designer of the year“ ausgezeichnet. Charakteristisch für seine Werkreihen ist die Form. Sie ist klar konturiert und meist Träger einer raffinierten Schlifftechnik. Beide zusammen gehen eine Symbiose ein, die nur mit dem Medium Glas realisiert werden kann.
Petr Stanický leitet das Glasatelier der Tomas BataUniversität in Zlín seit seiner Gründung im Jahr 2008. Für ihn ist das Glas kein Selbstzweck, sondern ein Medium, um gesellschaftliche Themen und die Beziehung zwischen Mensch und Natur künstlerisch zu reflektieren. Mit einer freien, ungezwungen Formensprache kombiniert er dabei Glas auch mit Metall oder Holz.
Haló – Ahoj, Ilja Bílek, Rony Plesl und Petr Stanický!
Fotos von links:
Rony Plesl, Samurai, 2011 – Foto Jaroslav Kviz
Petr Stanický, Factory building I, 2011 – Foto Lubomír Ančinec
Rony Plesl, Guard 1+2, 2010 – Foto Jaroslav Kviz
Ilja Bílek, Annäherung, 2010 – Foto Ilja Bílek
Nabo Gaß
Der Künstler Nabo Gaß ist ein Erzähler – seine Geschichten gibt er preis in Bildern aus Glas. Ihn inspirieren eigene Erlebnisse und Begegnungen mit Menschen, aber auch erschütternde Nachrichten und Widersprüchlichkeiten unserer komplexen Welt.
Die Transparenz des Glases offeriert ihm konkurrenzlos, seine Geschichten, Schicht für Schicht zu erzählen. Er nimmt gemahlenes Glas, teigt es mit Leim an und malt mit Pinsel oder Spatel seine Bildmotive auf ein Trägerglas. Es entsteht eine mehrdeutige, facettenreiche Überlappung der verschiedenen Bildebenen – ähnlich dem Wechselspiel unserer Gedanken und Wahrnehmungen, die sich, losgelöst von zeitlichen Abfolgen, unentwegt überlagern.
Nabo Gaß, 1954 in Ebingen (Baden-Württemberg) geboren, lebt und arbeitet in Wiesbaden. Nach einer klassischen Ausbildung zum Glasmaler studierte er in den siebziger Jahren an der Wiesbadener Freien Kunstschule und an der Hochschule der Künste in Berlin. Um seine Ideen in Glas umsetzen zu können, entwickelte er neue Techniken der Glasgestaltung: 1989 eine fotogenaue Sandstrahltechnik, 1994 das Malen mit Farbglasmehl. Neben seinen freien Arbeiten befasst sich Nabo Gaß mit der architekturbezogenen Glasgestaltung von öffentlichen und privaten Bauten. Für seine Säulen an der Via Publica in Wiesbaden wurde er 1999 vom Corning Museum of Glass (USA) ausgezeichnet. Vor mehr als 10 Jahren begann er Photovoltaik künstlerisch in die Architektur zu integrieren und erhielt dafür 2000 den Innovationspreis der glasstec Düsseldorf. 2010 kam der Durchbruch, er erhielt den Auftrag für die Ernstings Bau & Grund dem neuen Hochregallager in Lette eine Fassade aus Solarmodulen zu geben.
Die Stiftung nahm dies zum Anlass, Nabo Gaß’ breites Repertoire und seinen virtuosen Umgang mit dem Medium Glas in einer Ausstellung zu präsentieren. Dabei ist er der Stiftung schon lange vertraut, 2006 erwarb sie drei Arbeiten aus seiner Werkreihe „Short moments“. In seiner aktuellen Ausstellung nimmt Nabo Gaß die Herausforderung an, sein Werk in einen lebendigen Dialog mit der Stiftungssammlung zu setzen.
Wir laden Sie ein zu dieser spannenden Vernetzung von Kunstwerken und Geschichten!
Fotos von links:
Nabo Gaß, Das Kleid, das sie nie wieder trug, 2010 – Foto Nabo Gass
Nabo Gaß, Short moments, 2006 – Foto Horst Kolberg
Nabo Gaß, Balance 1, 2010 – Foto Nabo Gass
Nabo Gaß, Maria-Maria, 2008 – Foto Frank Widmann
Neuerwerbungen 2011
„Glas ist wie ein Gedanke – es kann in sehr verschiedenen Formen erscheinen, so schwer wie ein Block oder so zart wie der Flügel eines Schmetterlings. Seine Transparenz erlaubt einen Einblick in das verborgene Innere der Dinge und auf die Balance von sichtbarer und unsichtbarer Welt.“ Poetisch beschreibt die estnische Künstlerin Kairi Orgusaar ihre Sichtweise auf das Glas. Und betrachtet man die rund 60 Neuzugänge der Sammlung, so ist man dieser Philosophie ganz nah. Mit Kairi Orgusaar machte die Stiftung ihre erste Begegnung mit estnischen Künstlern, die in Westeuropa noch relativ unbekannt sind, sich aber abseits der traditionellen Glashochburgen eigenständig entwickelt haben und zu hervorragenden Leistungen gelangen. Ihre Arbeiten zeugen von einem tiefen Gespür für die Materialqualitäten des Glases, wie z.B. Mare Saares berührend zartes Pâte de verre-Objekt „Casting Shadow“ oder Ivo Lills Schliffobjekt „Lace 1“ mit seiner klaren, ästhetischen Formensprache.
Die Stiftung suchte auch bewusst altbekannte Künstler erneut auf: Sehr beeindruckt haben die aktuellen Werke der Französin Anne-Lise Riond Sibony, die den Blick auf alltägliche Gegenstände mit ungewohnten Emotionen konfrontieren. Nur augenscheinlich präsentiert das dreidimensionale Stillleben „Mangez le Omega 3“ eine oppulent arrangierte Fischplatte, die den momentanen Gesundheitstrend („Essen Sie Omega 3-Fettsäuren“) auf den Punkt bringt. Tatsächlich aber degradiert die moderne (Ess-)Kultur die lebendige Kreatur, ja die ganze Natur, zu einem unbelebten Objekt, das wir gedankenlos für unseren modernen Lifestyle benutzen.
Der belgische Künstler Giampaolo Amoruso erweckte mit seinen „Dandy“-Figuren rege Aufmerksamkeit, die liebevoll-ironisch mit den Attributen der Männlichkeit spielen. Extravagant gekleidet, aber ein wenig in sich gekehrt, bereichert einer von ihnen, „Ernesto, le Dandy“, nun die Sammlung.
Lassen Sie sich einladen zu einer inspirierenden Entdeckungsreise in die Welt des zeitgenössischen europäischen Glases!
Fotos von links:
Ivan Mares, Rope Egg, 2008, Foto O. Kocourek
Kairi Orgusaar, The Kiss, 2010 – Foto Kati Kerstna
Anne-Lise Riond Sibony, Mangez des omegas 3, 2011 – Foto Jean-Marc Gourdon
Giampaolo Amoruso, Ernesto, Le Dandy, 2010 – Foto Horst Kolberg
2011
Prag – Ústí nad Labem – Zlín
Prag – Ústí nad Labem – Zlín: Gleich drei renommierte tschechische Hochschulen präsentieren in unserer neuen Ausstellung Arbeiten von Studenten und Absolventen ihrer Glasabteilungen – ein aufregender Querschnitt jungen Glases made in Czech Republic. An den tschechischen Hochschulen entdeckt man heute einen lebendigen und facettenreichen Umgang mit dem Medium Glas. Viele junge Künstler aus aller Welt zieht es in die Tschechische Republik, um hier zu lernen oder mit den erstklassigen tschechischen Glasstudios gemeinsam zu arbeiten. Schon immer galt Glas als internationales Aushängeschild tschechischer Kunst und Designs. War bereits böhmisches Glas Jahrhunderte lang ein begehrter Exportartikel, so entdeckten tschechische Künstler in den 50er Jahren auch die künstlerische Ausdruckskraft des Materials: Glaskunst wurde zu einer eigenständigen Kunstform mit weltweiter Strahlkraft. Auch in der Welt des tschechischen Designs geht die kreative Arbeit mit dem Glas heute neue, äußerst erfolgreiche Wege.
Die Akademie für Kunst, Architektur und Design in Prag hat eine lange, wechselvolle Geschichte. Sie begann 1885, als im Sinne Gottfried Sempers, Verfechter einer Synthese von Kunst und Technik, die bedeutende Prager Kunstgewerbeschule (kurz UMPRUM) gegründet wurde. 1947 wurde sie mit dem Status einer Hochschule reorganisiert. Leiter des Glasstudios ist seit 2008 der international gefragte Spitzendesigner Rony Plesl. Ilja Bílek, dessen Werke weltweit große Anerkennung finden, ist seit 1996 Kopf des Glasstudios der Jan-Evangelista-Purkynĕ-Universität in Ústí nad Labem. Ziel des 1992 eingerichteten Studios ist eine breitgefächerte künstlerische, handwerkliche und technologische Ausbildung von Studenten, die bereits eine Glasschule absolviert haben. Seit seiner Gründung im Jahr 2008 leitet der renommierte Künstler Petr Stanický das Glasatelier der Tomáš-Bat´a-Universität in Zlín. Um eine authentische künstlerische Position zu entwickeln, sind die Studenten hier zu konzeptionellem Denken aufgefordert. Das Glas ist kein Selbstzweck, sondern ein Medium, um gesellschaftliche Themen künstlerisch zu reflektieren.
Fotos von links:
Kateřina Handlová, The Black Hole 1, 2010 – Foto Kateřina Handlová
Tereza Anderlová, Cup for ice cream, 2010 – Foto Tereza Anderlová
Anna Minxová, Watermelon enterprise, 2011 – Foto Horst Kolberg
Luba Bakicová, Oxymoron 1, 2009 – Foto Ilja Bílek
Dänisches Glas – Danish Glass
Dänisches Design ist eine Marke, die weltweit einen hervorragenden Ruf genießt. Ob in der Architektur und Industriefertigung, ob im Handwerk oder im Kunstgewerbe bis in die Kunst hinein, ohne Design geht nichts mehr in Dänemark. Vielfalt, Offenheit und frische Farben kennzeichnen dieses Land aus großen und kleinen Inseln, edel, formvollendet und zeitlos zeigt sich seine Kunst – besonders die aus Glas. Denn seine Tradition in der Glasverarbeitung ist lang und berühmt, so konnte sich neben den touristischen Pfaden der kleinen Glasbläsereien eine qualitätvolle und originelle Glasszene entwickeln. Unvoreingenommen mischen sich hier Design und freie Kunst zu einem Kaleidoskop schöpferischer Entfaltungsmöglichkeiten.
Auf ihrer Reise durch die dänische „Glas-Landschaft“ lernte die Stiftung geballte Kraft dänischen Potentials kennen. Und sie betritt Neuland: Sechs Künstler mit sechs verschiedenen Positionen zu diesem Werkstoff repräsentieren einen Querschnitt des aktuellen Dänischen Glases:
Lene Bødker, Trine Drivsholm, Micha Karlslund, Pipaluk Lake, Tobias Møhl und Steffen Tast sind ambitionierte Künstler von internationalem Ruf. In den 1990er Jahren schafften sie ihren künstlerischen Durchbruch und errangen zahlreiche nationale wie internationale Preise.
Lene Bødker entwickelt ihre monochromen Skulpturen aus geometrischen Formen, deren Umrisse meist geschlossen sind und vor allem in der Oberflächenbearbeitung räumliche Tiefe wie Plastizität erfahren. Trine Drivsholms künstlerischer Ausgangspunkt ist die Gebrauchsform des Glases. Seine Funktionalität verfremdet sie allerdings im Kontext skulpturaler Kombinationen. Micha Karlslunds bizarre Objekte sind inspiriert vom Mikrokosmos der Zellen. Sie ermöglichen einen Blick auf die sonst verborgene unglaubliche Vielfalt und Tiefe des Lebens. Innovativ experimentiert Pipaluk Lake mit den Möglichkeiten des Glases beim Schmelzprozess, auch in Verbindung mit Metall: Ihre Glasskulpturen sind Momentaufnahmen dieser Transformation. Tobias Møhl ist Designer par excellence – mit Hilfe modernster venezianischer Techniken entwirft er minimalistisches dänisches Design aus organischen und sehr sinnlichen Formen. Steffen Tast, ein Meister des Details, schafft mit großer Präzision hängende Rauminstallationen und Objekte aus zahlreichen gleichförmigen und gleichgroßen Floatgläsern, Fiberglas und Metall. Seine Themen entlehnt er aus der Natur.
Fotos von links:
Tobias Møhl, Glassweaver Vessel, 2011 – Foto AHH
Lene Bødker, Cylinder, 2007 – Foto Horst Kolberg
Micha Karlslund, Cells, 2003 – Foto AHH
Pipaluk Lake, Reticulate, 2009 – Foto Jesper Palm
Trine Drivsholm, Green Vessel, 2011 – Foto Horst Kolberg
Steffen Tast, Screw-screw, 2011 – Foto AHH
Barbara Nanning
Der Ankauf dreier autonomer Werke der niederländischen Künstlerin Barbara Nanning für die Glassammlung im Jahre 2009 hatte auch das persönliche Kennenlernen der Künstlerin zur Folge. Die Art und Weise, wie Barbara Nanning in breitgefächerten Werkreihen das Medium Glas versteht, beeindruckte die Stiftung, so dass sie sich entschloss, ihr in einer Einzelausstellung Beachtung und Respekt zu erweisen. Nun ist es soweit: Die Stiftung freut sich sehr, Ihnen in der Ausstellung „Ewiger Frühling – Eternal Spring“ Barbara Nannings brandneue Arbeiten präsentieren zu können.
Barbara Nanning, 1957 in Den Haag geboren, hatte sich nach ihrem Studium an der Amsterdamer Rietveld Akademie zunächst mit außergewöhnlich individuellen Keramikarbeiten einen Namen in der internationalen Kunstszene gemacht. Erst danach wandte sie sich dem Glas zu, und zwar im Rahmen eines Auftrages für das National Glasmuseum und die Königlichen Glaswerke Leerdam. Die Leidenschaft für dieses Material war somit entfacht und die künstlerische Laufbahn ging in eine neue Richtung. Für Barbara Nanning ist die Natur mit ihrer facettenreichen, oft widersprüchlichen Form- und Farbwelt eine schier unerschöpfliche Quelle der Inspiration. So sind auch ihre Werke voller Gegensätze, sie vereinen amorphe und rigide Strukturen, Freiheit und Ordnung, handwerkliche Perfektion und den Einsatz unerwarteter Materialien.
Eine wahre Initialzündung, die sie zu ihren neuen Arbeiten anregte, erlebte die Künstlerin 2010 auf ihrer Reise zur Glashochburg Nový Bor in Tschechien, wo sie seit vielen Jahren zusammen mit professionellen Glasbläsern an ihren Projekten arbeitet. Sie machte unterwegs Station im sächsischen Meißen und besuchte dort eine Porzellanausstellung – sofort sprang der Funke über, diese weiße Pracht und Schönheit in Glas umzusetzen. So entstanden in Tschechien nur wenig später Werke von hoher Ästhetik, Frische und haptischem Reiz – allesamt Botschafter des ewigen Frühlings. Barbara Nannings abwechslungsreiches neues Repertoire umfasst sowohl Wand- und Bodeninstallationen, solitäre und Gruppenobjekte, auch humoreske Stücke wie die kleinen, roten Kussmäulchen der Wandarbeit „Kiss Kiss Kiss“ sind darunter.
Fotos von links:
Barbara Nanning, Bernsteinfarbener Seetang, 2011 – Foto AHH
Barbara Nanning, Verre d´eglomise, 2007 – Foto Tom Haartsen
Barbara Nanning, WV 1, 2011 – Foto Horst Kolberg
Barbara Nanning, Meeresschwämme 1-3, 2011 – Foto AHH
Neuerwerbungen 2010
Mit rund 60 Objekten ist die Ausstellung Neuerwerbungen 2010 auch dieses Mal ein Spiegel der internationalen Kunst in der Sparte Glas.
Der Besuch vieler Kunststätten (Messen, Galerien, Künstlerateliers und -studios) machte es wieder einmal deutlich: Deutschland ist in punkto Glas sehr umtriebig und für Künstler aus aller Welt mehr als eine gute Adresse. Dank seiner wegweisenden und nachhaltigen Entwicklung und dank seiner hervorragenden Glashütten und Glaswerkstätten ist Deutschland dabei, zu einem regelrechten Schmelztiegel für jene zu werden, die sich dem Material Glas verschreiben.
Dass Künstler die Metropole Berlin als Schauplatz der Kunst ansehen ist selbstredend, dass Berlin nun auch für das Glas ein Standort wird, ist noch eine recht junge Entwicklung. Mit Julius Weiland zeigte das Glasmuseum bereits 2009 einen Vertreter dieses Genres. Neu in der Sammlung ist die Arbeit „Freedom“ des australischen Künstlers Scott Chaseling, der seit einiger Zeit in Berlin lebt und arbeitet. Für sein ausdrucksstarkes Werk wurde der Geschichtenerzähler und Philosoph in den vergangenen Jahren gleich mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnet. Und noch ein Neuzugang aus Berlin: Wilken Skurk mit seinem Werk „Quingelwingelqui“, dessen Ausdruckskraft einmal mehr die Phantasie anregt. Auch die Bereisung in andere Regionen blieb für das Glasmuseum nicht ohne Folgen.
Eine sehr lebendige junge Glasszene zeigt sich etwa an der Rietveld Akademie in Amsterdam, auf der Burg Giebichenstein in Halle und an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Dort lernten wir Laura Jungmann und die Spanierin Berta Riera Pomés kennen. Beide sind mit Arbeiten vertreten, die in dem Workshop „Designing by Making“ im französischen Centre International d´Art verrier (CIAV) in Meisenthal entstanden sind. Die Studenten experimentierten zusammen mit erfahrenen Glasmachern mit ungewöhnlichen Materialien und Methoden. Für beide Seiten war die Zusammenarbeit sehr befruchtend und führte zu ungeahnten Ergebnissen.
Fotos von links:
Bertil Vallien, Janus II, 2009 – Foto G. Örtegren
Laura Jungmann, Carbonize II, 2010 – Foto Laura Jungmann
Ivana Houserova, Solar wind, 2009 – Foto Tomas Hilger
Wilken Skurk, Quingelwingelqui, 2006, Foto – Jan Röhl
2010
Udo Zembok
„Glas ist der einzige Werkstoff, der die Farbe aus der Tiefe zum Vorschein bringt. Ich versuche, diese dritte Dimension der Farbe zu erarbeiten“ – dieser Herausforderung widmet sich Udo Zembok seit Beginn seiner künstlerischen Arbeit mit Glas.
Seine monumentalen Skulpturen und Installationen leuchten in intensiven Farbtönen.
Sie entstehen aus komplexen Schichtungen, die sich optisch mischen, so wie die Farben und Lasuren auf einer Malerpalette. Lichteinwirkungen und die Übergänge zwischen den Farben lassen in den Glasobjekten Tiefen entstehen, in denen sich Farbe zu materialisieren scheint. Seine Objekte strahlen eine fast übersinnliche Kraft aus. Sie ziehen den Betrachter magnetisch an und fordern ihn zu einem Dialog auf. Man möchte in ihr tiefes Innere dringen und sie erfassen, doch sie bleiben unergründlich und behalten ihr letztes Geheimnis für sich.
Udo Zembok, 1951 in Braunschweig geboren, lebt seit 1978 als freischaffender Künstler in Frankreich. Nach seinem Studium der Grafik und Malerei ging er 1976 erstmals an die Arbeit mit dem Werkstoff Glas heran. Sehr schnell folgten Auftragsarbeiten für öffentliche Gebäude und Sakralbauten. Mehrfach wurde er für seine Arbeit mit internationalen Preisen ausgezeichnet. So erhielt er z.B. 2003 den Französischen Staatspreis für Kunst und Handwerk, 2006 den 2. Platz bei der Verleihung des Coburger Glaspreises.
Ob in der autonomen oder der angewandten Kunst, Udo Zembok bleibt als Künstler immer er selbst. Er ist Maler, er malt auf Glas und mit Glas und das erlaubt ihm, mit Licht zu malen und eine Tiefe zu erzeugen, die nur mit dem Medium Glas möglich ist. Wie kein anderer versteht er es, die ihm eigene Farb- und Formensprache auf allen Ebenen seiner Arbeit zu wahren – seine freien Skulpturen und architekturbezogenen Objekte verbindet eine universelle Idee.
Diese besondere Stärke macht ihn wegweisend für andere Künstler. Seit vielen Jahren lehrt er als begehrter Gastdozent an Hochschulen und Institutionen in Europa und den USA zum Thema Farbraum und Licht in Schmelzglastechniken.
Die neue Ausstellung zeigt seine aktuellen Arbeiten, darunter zwei monumentale Skulpturen. In die eine darf man hineingehen und sie durchschreiten, die andere, die jüngste Arbeit, wurde exklusiv für diese Werkschau konzipiert und auf die Architektur des Glasmuseums Alter Hof Herding abgestimmt.
Herzlich willkommen – Bienvenue!
Fotos von links:
Udo Zembok, Coeur, 2008, Leihgabe Udo Zembok – Foto Udo Zembok
Udo Zembok, Bleu 2, 2007 – Fotograf Henri Gaud
Udo Zembok, Noir-Orange, 2010 – Foto Udo Zembok
Udo Zembok, La Porte étroite, 2010, Leihgabe Udo Zembok – Foto AHH
Netz, Stab, Stachel – Weltbild und Poesie.
Lampenglas – der etwas irreführend klingende Name bezeichnet eine besondere Technik, mit der Glasobjekte nicht am Ofen, sondern vor der offenen Flamme eines Gasbrenners, der sogenannten „Lampe“, geformt werden. Bis Mitte des 19. Jhd. war dies tatsächlich eine mit zusätzlicher Luft versorgte Öllampe.
Lampenglas ist eine sehr alte Technik, ihre Ursprünge reichen bis in die Antike. Traditionell gilt sie als Kunst der kleinen Form, die es ermöglicht, Perlen, Miniaturen, Verzierungen oder kleinformatige Gefäße perfekt zu gestalten. In den letzten Jahren wurde dieser Typus Glas jedoch von einigen Künstlern schöpferisch weiterentwickelt und in völlig neue Dimensionen gebracht.
Mit freien, plastischen, teilweise auch großformatigen Objekten haben sie das Lampenglas geradezu revolutioniert und ihm in der modernen Kunst neue Möglichkeiten eröffnet:
Mauro Bonaventura (*1965 in Venedig) verwendet das nostalgische Material Muranoglas. Er dreht und rollt Glasfäden zu kugelförmigen Gebilden auf, bis lichtdurchflutete, oft sphärische Formen, Figuren und Details in leuchtenden Farben entstehen. Auch die Israelin Dafna Kaffeman (*1972 in Jerusalem) setzt sich über traditionelle Techniken der Lampenarbeit hinweg. Unmengen von spitzen Glasstacheln bringt sie Stück für Stück auf eine Silikon-Matrix auf: Ihre Objekte sind zerbrechlich, verletzbar und auch deshalb von außergewöhnlicher Anziehungskraft. Richard Meitner (*1949 in Philadelphia, USA) ist einer der arriviertesten Künstler und schon seit langem in der Sammlung Ernsting vertreten. In seiner innovativen, technisch vielseitigen Arbeit hat der in Amsterdam lebende „Allrounder“ auch das Lampenglas stets neu für sich entdeckt und weiterentwickelt. Seinem Stil bleibt er dabei mit Witz und Poesie treu. Steffen Orlowski (*1966 in Lauscha) spielt in seinen Arbeiten mit der Kombination zweier Materialien: Er versetzt aus Silber gegossene Miniaturfiguren als Protagonisten in abstrakte Räume aus Glas. In diesem Wechselspiel von Abstraktion und Realität entstehen Szenarien, die von Gefühlen und Beziehungen erzählen. Olga Pusztay (*1958 in Ungarn) arbeitet mit Lampenglas aus der Industrie. Für ihre filigranen, durchlässig gestalteten Formen und Installationen verbindet sie Glasröhren und kleine Zweige zu einer harmonischen Einheit: Symbol für das Beziehungsgeflecht von Mensch und Natur. Die Suche nach Leichtigkeit in einer Welt voller Dualismen ist zentrales Thema bei Nadja Recknagel (*1973 in Schmalkalden). Glasstäbe werden in der Flamme „verstrickt“ und netzartig aufgebaut: Zarte und dennoch raumgreifende Objekte entstehen, die Leichtigkeit und Kraft vereinen.
Fotos von links:
Mauro Bonaventura, The Human Condition, 2010 – Foto AHH
Steffen Orlowski, Erkenntnis, 2006 – Foto Steffen Orlowski
Nadja Recknagel, Beziehungsweise(n) 3, 2004 – Foto Horst Kolberg
Olga Pusztay, Tasche, 2008 – Foto Zoltan Szalai
Richard Meitner, Au Contraire!, 2010 – Foto AHH
Dafna Kaffeman, Wolf 03, 2004 – Foto Galerie Lorch + Seidel
Jung, Frisch und Frei – The Young, the Beautiful and the really Annoying
Unter diesem Titel steht nicht nur die aktuelle Ausstellung im Glasmuseum Alter Hof Herding, er umschreibt auch das Konzept der renommierten Glasabteilung der Amsterdamer Gerrit Rietveld Akademie, die international hohes Ansehen genießt und junge Künstler aus aller Welt anzieht.
Glas und die Rietveld Akademie verbindet eine besondere gemeinsame Geschichte: Seit Sybren Valkema 1966 den Fachbereich Glas im Akademiegebäude einrichtete, haben sich Lehre und Kunstschaffen wechselseitig beeinflusst und befruchtet. Zweifelsohne hat sich die Rolle des Glases in der Kunst während der letzten 40 Jahre grundlegend gewandelt. Waren es lange Zeit vorwiegend Künstler der Studioglasbewegung und des Free Designs, die das Material entdeckten, so hat es mit all seinen Möglichkeiten und Facetten inzwischen Eingang in die Welt der „schönen Künste“ gefunden. Neben anderen Materialien ist auch Glas zum Medium geworden, ein künstlerisches Konzept, eine Idee zu übertragen und zu visualisieren.
Glas als visuelles Medium? Genau hier setzt heute auch die Lehre an der Rietveld Akademie ein: sie möchte ihre Studenten dazu befähigen, ihre Arbeiten in Einklang mit den komplexen Ansprüchen von moderner Kunst und Design zu bringen. Die Glasabteilung der Rietveld Akademie ermutigt deshalb zu einem innovativen, experimentellen und interdisziplinären Gebrauch des Glases. Jeder Student wird dabei unterstützt, sein besonderes künstlerisches und konzeptionelles Potential zu entfalten, seine eigene visuelle Sprache zu entwickeln und die Arbeit im Kontext mit der Zeit, in der wir leben, zu reflektieren und zu hinterfragen. Glas ist ein schwieriger Stoff – um mit ihm arbeiten zu können, müssen auch handwerkliche Fähigkeiten und Know-How erworben werden. Materialkenntnis, die jeder Künstler braucht, um sein Konzept umzusetzen und das Kunstwerk zu schaffen, wird an der Rietveld Akademie vorausgesetzt.
Die Stiftung freut sich sehr, Ihnen in der neuen Ausstellung „Jung, Frisch und Frei“ Arbeiten von 19 Studenten und Absolventen der Glasabteilung der Amsterdamer Rietveld Akademie präsentieren zu können. Begleitet werden die jungen Künstler von Caroline Prisse, die seit 2003 die Glasabteilung leitet. Die außergewöhnlich freien Glasobjekte, Skulpturen und Mixed-Media-Installationen sind visualisierte Geschichten, sie sprühen vor Frische, Unbefangenheit, Ideenreichtum und unerwarteten Perspektiven in die Kunstszene.
Fotos von links:
Xandra Bremers, Morella, 2010 – Foto Paul Niessen
Frederic van Overschelde, Short stories – Trapped soul, 2008 – Foto Horst Kolberg
Sabrina Metselaar, o.T., 2010, Leihgabe Sabrina Metselaar – Foto Sabrina Metselaar
Mia Lerssi, Freedom belongs to the man who has the balls to take it, 2008, Leihgabe Mia Lerssi – Foto Alma Anselmi
Neuerwerbungen 2009
„Mit Glas zu arbeiten lehrt Disziplin, Respekt und Geduld, aber wenn man sich darauf einlässt, erhält man eine Art bunter Botschaft, voller Energie, Liebe, Lebensfreude und Hoffnung“, so beschreibt die Künstlerin Anne Hein ihre Arbeit mit dem Medium Glas – eine Botschaft, die auch beim Betrachten von Glaskunst ihr Ziel erreicht. Anne Hein gehört zu den großartigen jungen Talenten der aktuellen Glasszene. Mit verschiedenen Preisen wurde sie in den letzten Jahren ausgezeichnet, 2007 erhielt sie z.B. den Staatspreis des Landes Rheinland-Pfalz. Ihre Werke bestechen durch eine unglaubliche Zartheit; Schalen, die an fein gesponnenes Gewebe erinnern, obgleich sie – man kann es sich kaum vorstellen – aus einer Art Glasschlamm geschaffen wurden.
Viele innovative Künstler hat die Stiftung im vergangenen Jahr auch auf dem internationalen Parkett getroffen. So lernte man bei einem Besuch der Ausstellung „Connections“ in Prag Arbeiten der Dänin Pipaluk Lake kennen. Sie ist eine ungeheuer kreative Künstlerin, fasziniert von den schier unerschöpflichen Möglichkeiten, die sich durch die Verbindung von Glas, Metall und anderen Elementen ergeben. „Was wäre, wenn…?“ – die Frage ist während des Schaffensprozesses ihre wichtigste Motivation. Mit großer Freude stellte die Stiftung auf ihren Reisen fest: Glas als künstlerisches Medium ruft bei bildenden Künstlern ein wachsendes, intensives Interesse hervor. So verließ die mexikanische Künstlerin Rebeca Huerta Viga sogar ihre Heimat, um im Glaszentrum Prag ihre Arbeit mit Glas unter professionellsten Bedingungen ausüben zu können.
Künstlerische Neuentdeckungen machte die Stiftung übrigens 2009 auch bei den eigenen Ausstellungen im Glasmuseum. Durch ihren freien, erfrischenden Umgang mit Glas begeisterten z.B. die Studenten der Glasabteilung des IKA Mechelen, (Belgien) auch die Besucher – die Schau „Een eigenzinnige weg“ entwickelte sich zum absoluten Publikumsliebling! Die niederländische Künstlerin Winnie Teschmacher, die sich zusammen mit Simsa Cho und Menno Jonker dem Ausstellungsthema Abstraktion widmete, überraschte alle mit der klaren, in sich ruhenden Architektur ihrer Glasobjekte. Daneben konnte die Stiftung auch einige der ungewöhnlichen Gefäße des renommierten Künstlers Franz Xaver Höller erwerben, der über seine Ausstellung „Form-Wandel“ sagte, dass sie ein Meilenstein seiner Künstlerkarriere sei. Diese Schau fasste die Themen seines Lebenswerkes zusammen und öffnete gleichzeitig die Tür zu neuen Arbeiten mit optischem Glas.
Freuen Sie sich auf eine abwechslungsreiche neue Ausstellung mit einem Querschnitt der aktuellen Glaskunstszene und Künstlern, über die man sagen möchte: Stars on the rise!
Fotos von links:
Rebeca Huerta Viga, Infinity Spring, 2008 – Foto Horst Kolberg
Pipaluke Lake, Carry away I, 2008 – Foto Horst Kolberg
Anne Hein, Diabolo, 2009 – Foto AHH
František Janak, Capricorn, 2005 – Foto Frantisek Janák
2009
Julius Weiland
Eine geradezu sinnliche Ausstrahlung haben die Neonarbeiten des Berliner Künstlers Julius Weiland. Leuchtende Farben in warmen Rot, Gelb und Grün, kombiniert mit blauen bis purpurfarbenen Tönen schaffen einen einzigartigen, bannenden Lichtraum. Das Neon-Licht taucht die Wände in Farbspektren und reflektiert zugleich dank der vorhandenen Glasflächen. Die schwebenden Objekte lenken den Betrachter und führen ihn auf ungewohnte Weise mit überraschenden Perspektiven und Durchblicken einmal völlig neu durch den Raum. Die einfache Formensprache der Objekte entwickelt sich aus der Kreisform, und mit ihr spielt Weiland souverän. Er bildet Dopplungen, Überlagerungen von zwei gleichen Formen oder Spiegelungen und evoziert optische Täuschungen.
Das Glasmuseum widmet sich dem jungen, aufstrebenden Künstler Julius Weiland erstmalig in einer Einzelausstellung. Thematisch reflektiert sie auf den Zeitpunkt von 2000 bis heute. In den vergangenen Jahren konnte die Stiftung drei Werke von Julius Weiland erwerben, die für die Sammlung stilistisch wie technisch eine Bereicherung sind. Fortan nahm die Beobachtung dieses Künstlers ihren Lauf. Weiland macht es den Sammlern leicht, ihn im Blick zu halten: Mehrfach wurde er mit Preisen ausgezeichnet – 2004 erhielt er den „Gold Prize“ der International Exhibition of Glass Kanazawa in Japan, 2006 den Coburger Glaspreis, 2007 den Jutta Cuny-Franz Preis. Julius Weiland ruht sich auf seinen Lorbeeren nicht aus, er geht weiter, sucht und findet neue Ansätze.
Zwei Aspekte verfolgt die Ausstellung: Sie zeigt den Weg Julius Weiland an Hand ausgesuchter Objekte und sie stellt ihn in den Kontext der Sammlung. Hier eröffnete sie dem Künstler die Gelegenheit, nach eigenen Vorstellungen Objekte der Sammlung mit seinen Werken zu kombinieren. „Luminous Space“ ist eine Werkschau der besonderen Art, zu der wir Sie herzlich einladen.
Bildnachweis:
Julius Weiland, Neon#11, 2008 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Julius Weiland
„Een eigenzinnige weg“
Einen eigenständigen Weg zu gehen, setzt Freiheit, Weitblick und Souveränität voraus. Die Glasabteilung am Instituut voor Kunst en Ambacht im belgischen Mechelen meistert diese Herausforderung auf hohem Niveau. Dabei hat sie wahre Pionierarbeit geleistet, denn vor ihrer Gründung im Jahr 1985 gab es in Belgien keine Tradition in der freien Glaskunst und Glasausbildung und folglich keine hochentwickelte Glasgeschichte und Studioglasbewegung. Bewundernswert ist, dass die Lehrenden und Lernenden am IKA frei und selbstbewusst mit dem künstlerischen Medium Glas umgehen und nicht festgefahren sind – weder in klassischen handwerklichen Traditionen noch in künstlerischen Experimenten. Und es verwundert auch nicht, dass sich ein „IKA-Stil“ bislang nicht entwickeln hat. Flämisches Glas zeigt heute eine lebendige Frische, Offenheit und Vielfalt.
Das besondere künstlerische Potential eines jeden Studenten zu fördern steht im Mittelpunkt der Lehre. Kandidaten aus verschiedenen Ländern, unter ihnen auch bereits ausgebildete Künstler, schreiben sich am IKA ein. Eine innovative, inspirierende Atmosphäre ist so entstanden, in der sich Ideen, Hintergründe und Arbeitsweisen mischen und gegenseitig befruchten. Auf der technisch-handwerklichen Ebene vermittelt das IKA eine ungewöhnlich fundierte Ausbildung. Gelehrt werden heute alle wesentlichen Disziplinen im Heißglasbereich (z.B. Blasen, Gießen oder Fusing) und in der Kaltbearbeitung (u.a. Gravur, Schleifen, Polieren).
Die Studierenden in Mechelen stehen der anspruchsvollen künstlerischen Aufgabe gegenüber, das empfindliche Gleichgewicht zwischen Ästhetik, Ausdruck und Technik selbst zu finden und zu definieren. Wie außerordentlich gut sie diesen Balanceakt beherrschen, belegen ihre Werke. Installationen, Skulpturen, Flachglas- oder Mixed Media-Gestaltungen, geblasene und gegossene Objekte – sie alle spiegeln den hohen technischen und ästhetischen Anspruch des IKA wider.
Die Stiftung freut sich deshalb sehr, Ihnen in der neuen Ausstellung „Een eigenzinnige weg“ Arbeiten von 14 Studenten und Absolventen der Glasabteilung des IKA Mechelen vorstellen zu können. Begleitet werden sie von Sandra De Clerk, die seit 2002 die Glasabteilung leitet.
Fotos von links:
Sylvie Van den Bosch, Manu´tribute seed, 2009 – Foto AHH
Olivier Devos, Fluide, 2008 – Foto AHH
Paul Funcken, Casa Vetro 1, 2008 – Foto Studio Hentschel
Mai Renders, o.T., 2008 – Foto Mai Renders
Beyond Abstraction – Mehr als man sieht
Was gibt es jenseits der Abstraktion zu entdecken? Keine einfache Antwort, denn Abstraktion bezeichnet den Prozess, der aus dem konkret Erkennbaren und Gegenständlichen das Allgemeine und Begriffliche herausfiltert oder das Wesentliche aus dem Unwesentlichen löst. Die drei aus den Niederlanden kommenden Künstler Simsa Cho, Menno Jonker und Winnie Teschmacher stellen sich dieser Aufgabe. Was man nicht sieht, interpretieren sie mit meisterhaften Arbeiten auf ganz unterschiedliche Weise. Trotz hoher Abstraktion sind die Themen ihrer Arbeiten wahrnehmbar. Sie offenbaren sich dem Betrachter mal spielerisch, mal ernst und immer materialgerecht.
Simsa Cho wurde 1962 in Chiba, Japan, geboren. Nach seinem Studium an der Tama Art University in Tokio zog es ihn nach Amsterdam an die Rietveld Akademie. Inzwischen hat er seinen Weg über die großen holländischen Galerienkreise hinaus gefunden. Poetisch, manchmal fabulierend, schöpft Simsa Chos künstlerische Sprache aus der reichen Quelle des Unbewussten. Seine eigenwilligen Skulpturen, die er oft mit anderen Materialien kombiniert, erzählen geheimnisvolle Geschichten, zuweilen mit Humor und Ironie.
Menno Jonker, 1968 im niederländischen Castricum geboren, wandte sich erst 1997 dem Glas als künstlerischem Medium zu. Dennoch wurde er bereits 2001 vom Corning Museum of Glass (USA) zu den besten Glaskünstlern der Welt nominiert. Seine Arbeiten werden wegen ihrer technischen Perfektion, der einzigartigen Formensprache und des innovativen Umgangs mit dem Material Glas geschätzt. Die organischen, schmiegsamen Formen seiner Objekte verführen den Betrachter dazu, seinen haptischen Neigungen nachzugeben und die harmonischen Konturen zu erspüren. So haben sie eine starke emotionale Kraft, welche die intensiven, ungewöhnlichen Farbtöne noch unterstreichen. Menno Jonkers künstlerische Sprache wirkt lyrisch, und er bekennt sich voll und ganz zur Ästhetik des Glases.
Winnie Teschmacher, 1958 in Rotterdam geboren, kann auf eine langjährige und breitgefächerte Erfahrung mit dem Material Glas zurückblicken. Nach dem Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Rotterdam und der Freien Akademie in Den Haag eröffnete sie bereits 1983 ihr eigenes Glasatelier. Als freischaffende Künstlerin und Designerin war sie für verschiedene Glasfabriken tätig. In ihrer künstlerischen Arbeit dringt sie wie eine Mystikerin zum Kern der Dinge vor. Dabei entstehen Werke aus einer klaren, rationalen Architektur, deren Formensprache sich mit Harmonie, Stille und Spiritualität kongenial vereint.
Die Ernsting Stiftung freut sich sehr, Ihnen in der neuen Ausstellung „Beyond Abstraction“ diese drei außergewöhnlichen Künstler vorstellen zu können.
Fotos von links:
Simsa Cho, Twilight Energy, 2002 – Foto Ron Zijlstra
Menno Jonker, Atlantic Ridge Crater, 2007 – Foto Jeroen van der Spek
Winnie Teschmacher, Equillibrium 1, 2006 – Foto AHH
Winnie Teschmacher, Light of the soul, 2007 – Foto Louis Sonderegger
Neuerwerbungen 2008
Wie jedes Jahr hat die Stiftung auch 2008 wieder zahlreiche Künstler, Galerien, Messen und Akademien im In- und Ausland besucht. Ziel ist dabei immer, aktuelle Tendenzen und Entwicklungen der internationalen Glaskunst zu entdecken. Zum Standard gehört bereits die „Stippvisite“ zur Londoner Kunstausstellung Collect – eine wahre Fundgrube, um Arbeiten junger Künstler außerhalb Europas kennenzulernen. Die Stiftung freut sich deshalb sehr, Ihnen u. a. außergewöhnlich gearbeitete Glasobjekte der drei jungen Australier Tali Dalton, Nicole Ayliffe und Tavita Havea vorstellen zu können.
Als besonders sehens- und lohnenswert erwies sich eine Reise nach Tschechien. Höhepunkt war sicher Prag, das dortige Zentrum zeitgenössischer Glaskunst. An der Prager Akademie für Kunst, Architektur und Design traf man vielversprechende junge Künstler, die sich mit dem Glas auf überzeugende Weise auseinandersetzen. Die Stiftung konnte auch Arbeiten von bedeutenden tschechischen Künstlern wie Jaromir Rybak, Ronny Plesl und Jan Fišar erwerben. Eine interessante Begegnung gab es in Prag mit Bohumil Elias junior, der als junger Glaskünstler seinem berühmten, inzwischen leider verstorbenen Vater folgt. Seine Arbeiten sind nichtsdestotrotz sehr eigenständig – massive, raumgreifende Monumente, die fast vergessen lassen, wie zerbrechlich das Material Glas in Wirklichkeit ist.
Neben diesen externen Akquisitionen, bereichern auch die Neuzugänge aus den eigenen Ausstellungen des Jahres 2008 die Sammlung. So erwarb die Stiftung u. a. zwei Kleider der niederländischen Künstlerin Patula Berm. Ihre Ausstellung „My dresses“ hatte sich zu einem echten Publikumsliebling entwickelt. „Mirrow Image“ ist dauerhaft im Konzert Theater Coesfeld ausgestellt, „Memories of Lavander“ kann im Glasmuseum Alter Hof Herding bewundert werden. Auch Exponate aus der Studentenausstellung „Experiment Glas“ des Instituts für Künstlerische Keramik und Glas in Höhr-Grenzhausen haben ebenso einen Standort in der Glassammlung gefunden wie Werke von Peter Bremers und Michael Behrens. Ihre Ausstellung „Wasser und Eis“ tauchte das Glasmuseum für einige Wochen in Licht und Farben und machte derart Furore, dass die Besuchszahlen ein neues Rekordhoch erreichten.
Freuen Sie sich also mit uns auf eine spannende, abwechslungsreiche neue Ausstellung!
Fotos von links:
Nicole Ayliffe, Vinyard, 1997 – Foto Michal Kluvanek
Tali Dalton, Memories, 2007 – Foto Jeremy Dillon
Jaromir Rybak, Schale mit Fischen, 2005 – Foto AHH
Bohumil Elias jr., Under the depht, 2008 – Foto Gabriel Urbánek
2008
Franz Xaver Höller
Der Künstler Franz Xaver Höller (*1950 im bayerischen Leopoldsdorf) gehört zu den Meistern seines Genres. Verwurzelt in einer langen Glastradition, spielt die Gefäßform nach wie vor die entscheidende Rolle in seiner Arbeit. Auch wenn ihn die freie Plastik immer wieder lockt, in seinem Atelier entstehen vor allem Becher, Schalen und Deckelgefäße – allerdings nicht für den funktionalen Gebrauch.
Und das macht seine Werke so spannend. Ihre Formen entlehnt er zwar dem vertrauten traditionellen Gebrauchsglas, ihren Sinn aber interpretiert er neu. Die Werke gehören sich selbst, sie sind autonom geworden. So schwingt in seinen Arbeiten etwas Unaussprechbares, Metaphysisches, das über das Materielle hinausweist. Vision und Inspiration entnimmt Höller Phänomenen der Natur. Rhythmus und Polarität, die ewig wiederkehrenden und gleichzeitig doch niemals gleichen Erscheinungsformen des Lebens sind Leitmotive: Tag und Nacht, Leben und Tod, und immer wieder Paare, die, wie zwei Pole sich anziehen oder abstoßen, das Bindende und Trennende in einem symbolisieren.
Die künstlerische Darstellung dieser Zusammenhänge gelingt Franz Xaver Höller durch seine disziplinierte, gleichzeitig kraftvolle und eigenwillige Formensprache. Das magische Wechselspiel zwischen Licht und Glas ist besonders entscheidend. Gerade der Oberflächenbehandlung, wie Schliff und Gravur, widmet Höller viel Aufmerksamkeit, da sie die Stimmung und Ausstrahlung des Stücks prägt. Dekoratives wird man allerdings nicht finden. Durch Gestaltung der Oberfläche überwindet er Oberflächlichkeit und öffnet den Blick für die Tiefe.
Franz Xaver Höller ist ein professioneller Künstler par excellence. Er hat alle Stationen durchlaufen: Meister als Hohlglasschleifer, ausgebildeter Glasgestalter, Studium der Glasgestaltung und Bildhauerei an der Münchener Kunstakademie, freischaffender Künstler, Leiter von Workshops u.a. am Corning Glasmuseum in New York und an der australischen National University Canberra. Seit 1981 arbeitet er als Dozent an der Staatl. Glasfachschule Zwiesel.
Das Glasmuseum Alter Hof Herding ist sehr stolz, Ihnen mit dieser Ausstellung das Lebenswerk von Franz Xaver Höller vorstellen zu können.
Fotos von links:
Franz X. Höller, Deckelgefäß 260, 2007 – Foto Franz X. Höller
Franz X. Höller, Paar-VIII (234), 2003 – Foto Franz X. Höller
Franz X. Höller, Objekt (271), 2008 – Foto Horst Kolberg
Franz X. Höller, Deckelgefäß 239, 2003 – Foto Horst Kolberg
„Wasser und Eis“
Wasser und Eis – unter diesem Titel präsentiert das Glasmuseum Alter Hof Herding in einer neuen Ausstellung Arbeiten der beiden Künstler Michael Behrens und Peter Bremers. So unterschiedlich sich die beiden Künstler auch mit dem Glas auseinandersetzen, ihre Werke weisen viele Berührungspunkte auf. Die Naturphänomene Wasser und Eis, optisch dem Glas sehr nahe, sind für beide unerschöpfliche Quellen der Inspiration.
Reisen in die Antarktis haben den Niederländer Peter Bremers nachhaltig beeinflusst. Seine raumgreifenden, monumentalen Skulpturen spiegeln die überwältigende Aura der polaren Eisformationen wider. Erstarrt in abstrakte Formen wie das Eis, scheinen sie auf eine fast kontemplative Weise in sich selbst zu ruhen.Unvorhersehbare Lichtschwankungen geben den oft monochromen Arbeiten eine geheimnisvolle Tiefe, ein verborgenes Leuchten – man glaubt, in das Innere eines Gletschers zu schauen.
Tauchgänge in die Unterwasserwelt vor den Küsten Indonesiens inspirierten Michael Behrens. Mit seinen Objekten hat der junge Düsseldorfer Künstler neue Akzente in der Glaskunst gesetzt: Sie wirken amorph, liquid, scheinen wie Wasser immer in einer sanften, schwer fassbaren Bewegung zu schwingen. Die Illusion wird noch verstärkt, wenn sich die Farben im Inneren des Objektes vermischen. Der Betrachter möchte in das Glas greifen und eine Struktur im diffusen Dickicht erfassen. Michael Behrens und Peter Bremers beherrschen die Techniken der Glasgestaltung meisterlich. Ihre Eis- und Wasserlandschaften beeindrucken mit einer einzigartigen Ästhetik, Dimension und Tiefe.
Die Stiftung freut sich sehr, mit „Wasser und Eis“ eine Doppelausstellung in deutsch-niederländischer Kooperation zu präsentieren.
Fotos von links:
Michael Behrens, Underwater-World 91-2008 – Foto Paul Niessen
Michael Behrens, Underwater-World 89-2008 – Foto Paul Niessen
Peter Bremers, I&P 07-114, 2007 – Foto Paul Niessen
Peter Bremers, AS 02-19, 2002 – Foto Paul Niessen
„Experiment Glas“
Jedes Kunstwerk holt sich sein eigenes Material“ – so schlicht beantwortete eine Studentin des Instituts für künstlerische Keramik und Glas die Frage nach dem Stellenwert des Glases in der Bildenden Kunst. Das Institut für künstlerische Keramik und Glas, eine Abteilung der Fachhochschule Koblenz, ist noch recht jung und hat seinen Sitz in Höhr-Grenzhausen.
Beim Besuch des in Rheinland-Pfalz einzigen Instituts für künstlerisches Glas wird deutlich, dass das Arbeiten der Studenten vom Konzept und vor allem vom Medium Glas bestimmt wird. Jeder experimentiert an seiner eigenen Idee und deren Realisierung mit dem adäquaten Werkstoff. Und daran werden die angehenden Künstler von ihren Lehrern gemessen, denn die Sprache des Materials ist die Sprache des Kunstwerkes und seiner inhaltlichen Intention. Die Verwendung des Glases im kreativen Prozess ist dabei ebenso bedeutend wie seine Verbindung mit glasfremden Materialien. Die Studierenden der Glasklasse zeigen in ihren Arbeiten Ergebnisse und Zwischenergebnisse auf ihrem persönlichen Weg zur Bildenden Kunst.
Dabei entstehen außergewöhnliche, spannungsreiche Kunstwerke, von Installationen über Skulpturen bis hin zu geblasenen und gegossenen Glasobjekten. Sie alle spiegeln die Freiheit und Offenheit gegenüber dem Glas als künstlerischem Medium wider.
Die Stiftung freut sich sehr, Ihnen in der neuen Ausstellung „Experiment Glas“ Arbeiten von 11 Studenten und Absolventen des Instituts für Künstlerische Keramik und Glas präsentieren zu können. Begleitet werden die jungen Künstler von der Institutsleiterin Prof. Ingrid Conrad-Lindig, vom Leiter der Werkstatt Glas Thomas Kruck und vom Lehrbeauftragten Jean Paul Raymond. Mit dieser Sonderausstellung folgt die Stiftung abermals ihrer Tradition, Glasarbeiten von Studierenden der Glasfachschulen und Kunstakademien zu zeigen.
Fotos von links:
Petra Sindelar, Experiment II, 2008 – Foto Horst Kolberg
Judith Röder, Faltenwürfe, 2007 – Foto Horst Kolberg
Wladimir Körting, Erinnerung 1, 2006 – Foto AHH
Stanislaw Jan Borowski, Torsi II, 2007 – Foto AHH
Neuerwerbungen 2007
Sammeln, Ausstellen, Vermitteln sind die zentralen Aufgaben eines Museums. Um diesen Auftrag zu erfüllen, spürt die Stiftung alljährlich Tendenzen in der aktuellen Kunst auf. Trifft sie auf für die Sammlung wichtige Werke, so erwirbt sie diese. Dank dieses konsequenten und kontinuierlichen Sammelns erweitert sie nicht nur den Museumsbestand, sie erreicht auch, dass die Glassammlung zu einer der bedeutenden in Europa geworden ist. Gleich zu Beginn des neuen Jahres präsentiert die Stiftung das Ergebnis ihres Sammelns mit der inzwischen zur Tradition gewordenen Ausstellung „Neuerwerbungen“.
Wichtige Impulse für die Sammlung gaben im vergangenen Jahr u.a. Reisen zu bedeutenden Glaszentren Europas wie etwa Leerdam, Straßburg und Ebeltoft (Dänemark). In Leerdam konnte die Stiftung zwei Werke von Menno Jonker erwerben. Der Niederländer wurde 2001 vom Corning Museum of Glass (USA) zu den besten Glaskünstlern der Welt nominiert. Seine Arbeiten werden vor allem wegen ihrer technischen Perfektion, der einzigartigen Formensprache und des innovativen Umgangs mit dem Material Glas geschätzt.
Zugleich hat sich die Sammlung um viele interessante Exponate aus den letzten Sonderausstellungen „Raum 14″ und „Made in NRW“ erweitert. Dazu gehören Werke von jungen, experimentell arbeitenden Glaskünstlern der Kunstakademie Stuttgart und Arbeiten von etablierten Künstlern, die für ihren besonderen Umgang mit dem Glas den Staatspreis Nordrhein-Westfalen erhalten haben. Die Stiftung ist stolz, dass sie im Rahmen dieser Ausstellung die Skulptur „In-Einander“, für die Klaus U. Hilsbecher 2007 mit dem Staatspreis prämiert wurde, in die Sammlung aufnehmen konnte.
Fotos von links:
Carmelo López, Homenage an Goya, 2005 – Foto Ralf Bauer
Menno Jonker, Odi et Amo, 2005.- Foto Horst Kolberg
Hartmann Greb, Neptun verlässt das Meer, 2007 – Foto Horst Kolberg
Mieke Pontier, Clouds II, 2006 – Foto Aad Doorduin
2007
Patula Berm
Aufregende Kostüme, Bustiers und Perücken entwirft die niederländische Künstlerin Patula Berm. Tragen kann man ihre Kreationen allerdings nicht – sie sind aus Glas!
Ein faszinierendes Fluidum umgibt ihre Kleider, das den Betrachter verzaubert und ihn auf eine Reise voller Fantasie, Esprit und Poesie schickt. Wenn Patula Berm arbeitet, folgt sie ihrer Intuition und ihren Assoziationen. Bereits in ihrer Vorstellung lebt jede Skulptur von einer eigenen, besonderen Atmosphäre, der sie beim Gestalten Realität gibt.
Inspiration für ihre Arbeit findet die Künstlerin überall: die Tiefe des Ozeans, das Wasser, das sich wie eine zweite Haut um den Körper legt, die Nostalgie eines alten Filmes oder auch nur ein besonderer, magischer Augenblick. Bei der Gestaltung ihrer gläsernen Kleider reizen sie dagegen oft ganz alltägliche Dinge: Spiegel, Münzen, Besteck, Bürsten, Haarsträhnen, roter Pfeffer oder Muscheln. Diese unterschiedlichen Materialien verbindet sie mit ihren Glaskreationen und schenkt ihnen so eine völlig neue Bedeutung. Patula Berm entwickelt ihre gläsernen Kleider seit 1995 im Amsterdamer Glasstudio Van Tetterode.
Das Glasmuseum Alter Hof Herding freut sich sehr, nach langer Zeit wieder einmal das Werk von nur einer Künstlerin zu präsentieren. Lassen Sie sich von den außergewöhnlichen Exponaten überraschen!
Fotos von links:
Patula Berm, Knight in shiny armour, 2007 – Foto AHH
Patula Berm, Mirrow Image, 2002 – Foto Richard Willebrands
Patula Berm, Memories of Lavander, 2007 – Foto Richard Willebrands
Patula Berm, Flying fish, 2007 – Foto Richard Willebrands
„Made in NRW“
Spitzenleistungen im künstlerischen, schöpferischen Gestalten – dafür verleiht das Land NRW seit 1962 alle zwei Jahre einen Staatspreis. Vergeben wird er in acht verschiedenen Werkbereichen, darunter auch in der Sparte Glas. Inzwischen gilt der Staatspreis NRW als der bedeutendste Preis seiner Art in Deutschland. Das Glasmuseum Alter Hof Herding ist deshalb sehr stolz, Ihnen in einer neuen, spannungsreichen Sommerausstellung Werke aus Glas von sieben Staatspreisträgern präsentieren zu können:
In diesem Jahr wurde Klaus U. Hilsbecher für die außergewöhnliche formale Sprache seiner geometrisch abstrakten Glasobjekte ausgezeichnet. Thomas Lemkes Plastiken, oft geometrische Grundkörper, faszinieren und irritieren durch ein transparentes Wechselspiel von Innen und Außen. Mit der Wahrnehmung des Betrachters spielen auch Uta Majmudars klare und gleichzeitig vielschichtige Objekte aus massiven Glasstäben und Drahtgeflecht. Die gläsernen Plastiken von Gerd Kruft offenbaren in Perfektion den eigentlichen Charakter des Materials: Transparenz, Reflektion, Facettenreichtum. Dagegen verbindet Lothar Göbel Glas mit Sandstein und Basaltlava – hier gelingen klare, nahezu puristische Formen, die dennoch überraschend natürlich anmuten. Georg Lindens eindrucksvolle Installationen scheinen einen Dialog zwischen Licht, Farbe und Raum entstehen zu lassen. Helga Reay-Young erfasst durch die intensive Wechselwirkung von Glas mit Naturmaterialien das Wesen des Lichtes neu.
Fotos von links:
Thomas Lemke, Goldquadrat, 2004 – Foto Horst Kolberg
Gerd Kruft, Blauer Keil + Blaues Quadrat, 2005 – Foto Horst Kolberg
Helga Reay-Young, Lichfänger, 2003 – Foto Horst Kolberg
Lothar Göbel, o.T., 2007 – Foto Horst Kolberg
Klaus U. Hilsbecher, In-Einander – Staatspreis NRW 2007 – Foto Horst Kolberg
Georg Linden, Wächter I, 2003 – Foto Georg Linden
Uta Majmudar, Körperform, 2004 – Foto Horst Kolberg
„Raum 14“
„Raum 14“? – Ja, es gibt ihn tatsächlich!
Er gehört zur Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, ist Werkstatt und Kommunikationsraum zugleich. Hier entstehen außergewöhnliche Objekte aus Glas – experimentell, konzeptuell, ästhetisch. Im Raum 14 kommen Studenten aus ganz unterschiedlichen künstlerischen Fachrichtungen am Glasofen zusammen: von der Glasgestaltung über Keramik bis hin zu Malerei, Grafik und Bildhauerei.
Stuttgart gehört zu den wenigen Kunstakademien, an der künstlerischer Umgang mit dem Werkstoff Glas überhaupt gelehrt wird. Das Vermitteln technischer Grundfertigkeiten, freies Arbeiten und experimenteller Umgang mit dem Glas stehen im Kontext zur eigenen künstlerischen Entwicklung der Studierenden. Wie spannungsreich und inspirierend sich diese Freiheit auf die Arbeit der Studenten auswirkt, spiegeln die einzigartigen Glasobjekte wider, die in Zusammenarbeit mit der Werkstatt für Glas, insbesondere am Schmelzofen, entstanden sind.Ob Installation, Skulptur, frei- und formgeblasene Objekte oder Flachglas-Gestaltungen – alle Kunstwerke versprühen eine ungewöhnliche Frische und Offenheit dem Medium Glas gegenüber.
Das Glasmuseum Alter Hof Herding freut sich deshalb sehr, Ihnen in der neuen Ausstellung „Raum 14“ Glasarbeiten von 13 Studenten und Absolventen der Stuttgarter Akademie präsentieren zu können.Begleitet werden die Studierenden von Jörg F. Zimmermann, der die Werkstatt für heißes Glas und plastisches Verformen leitet, und von Claudia Heinzler, Leiterin der Werkstatt für Glasmalerei und Glasbearbeitung.
Mit dieser Sonderausstellung setzt das Glasmuseum Alter Hof Herding seine Tradition fort, Glasarbeiten von Studierenden der Kunstakademien und Glasfachschulen zu zeigen und junge Talente zu fördern.
Fotos von links:
Dilini Keethapongalan, Kopflastig 4, 2005 – Foto Horst Kolberg
Anja Römpp, Zweige, 2004 – Foto Anja Römpp
Gregor Linz, Konzentration, 2006 – Foto Horst Kolberg
Katharina Weidauer, Velena, 2006 – Foto Katharina Weidauer
Neuerwerbungen 2006
Das Jahr 2006 fing gut an – gleich zwei Volltreffer sollten der Ernsting Stiftung gelingen: Eine Reise ins Elsass führte zunächst zu Udo Zembok, einem deutschen Glaskünstler, der mit seinen Fusingobjekten bereits internationalen Ruf erreicht hat. Die Leuchtkraft seiner mehrschichtigen, farbigen Skulpturen ziehen den Betrachter geradezu magnetisch an. Dass die Stiftung mit dem Erwerb eines „Zembok“ genau richtig lag, beweist auch die Auszeichnung des Künstlers mit dem Coburger Glaspreis im April 2006.
Auf der Rückreise besuchte man in Baden-Baden die erste Ausstellung von Josepha Gasch-Muche, die, von Haus aus Malerin, in der Glasszene als Newcomerin zählt. Die Stiftung erwarb dort eines ihrer faszinierenden Glasbilder aus hauchdünnen, reflektierenden Displayglassplittern – und ahnte noch nicht, dass damit ein Werk der künftigen Hauptpreisträgerin des Coburger Glaspreises 2006 in die Ernsting Sammlung eingegangen ist.
Neben den Arbeiten dieser beiden Preisträger hat sich die Sammlung des Glasmuseums auch im letzten Jahr wieder um viele interessante und wichtige Werke erweitert. Der Besucher trifft auf vertraute Namen wie Hanneke Fokkelmann oder Richard Price, lernt aber auch Arbeiten noch unbekannter Künstler kennen: z.B. Dafna Kaffeman aus Israel, deren fragile, bunte Objekte einen ganz speziellen „stacheligen“ Charme besitzen, oder Blanka Adensamova, die ihren Glasskulpturen eine leuchtende Transparenz verleiht.
Die Stiftung freut sich, den Gästen des Glasmuseums mit der Ausstellung Neuerwerbungen 2006 eine abwechslungsreiche, spannende Sicht auf die verschiedenen Strömungen der aktuellen Glaskunst präsentieren zu können.
Fotos von links:
Josepha Gasche-Muche, 10.2.03., 2003 – Foto AHH
Blanka Adensamova,The head of Hathor, 2005 – Foto Horst Kolberg
Dafna Kaffeman, Tactile stimulation, 2005 – Foto Horst Kolberg
Hanneke Fokkelmann, o.T., 2006 – Foto Horst Kolberg
2006
„Männerhaut“
Männerhaut !? Der Slogan einer Zeitschrift „Auch Männerhaut ist ganz natürlich“ brachte vor gut 15 Jahren eine fünfköpfige Männergruppe im bayrischen Frauenau auf die Idee, sich Männerhaut zu nennen. Zusammen kamen sie, weil sie den Wunsch hatten, sich in einer freien Werkgemeinschaft über das künstlerische Schaffen und die handwerkliche Ausführung auszutauschen.
Inzwischen ist Männerhaut nach vielen gemeinsamen Ausstellungen und Kunstprojekten auf sechs Mitglieder angewachsen und aus der Glaskunst-Szene nicht mehr wegzudenken; in Frauenau und Zwiesel ist die Künstlergruppe eine Institution geworden. Erstmalig zu Gast ist Männerhaut im Glasmuseum Alter Hof Herding. Freuen wir uns auf die eigenwilligen, poetischen, spielerischen und ästhetischen Kreationen aus Glas von „Atschi“ Achatz, Ronald Fischer, Michael Gölker, G. Jo Hruschka, Stefan Stangl und Alexander Wallner.
Fotos von links:
Ronald Fischer, Ein Stück Unendlichkeit, 2006 – Foto Ronald Fischer
Josef Achatz, Gipfelstürmer, 2006 – Foto AHH
Michael, Gölker, Ratte, 2003 – Foto AHH
Stefan Stangl, Vier seltsame Herren, 2006 – Foto Horst Kolberg
Alexander Wallner, o.T., 2004 – Foto AHH
Sommerausstellung
Der Titel kündigt es an: Das Glasmuseum hat Geburtstag. Zehn Jahre ist es her, dass die Sammlerin und Stifterin Lilly Ernsting zusammen mit ihrem Mann den neuen Museumsbau eröffnete und ihrer Sammlung dieser eigens auf die Präsentation von Glas ausgerichteten Stätte übergab. Das Konzept, vier Ausstellungen im Jahr zu zeigen, zwei aus der eigenen Sammlung und zwei mit eingeladenen Künstlern, fasste sofort Fuß und gilt bis heute.
Unterstützung bei allen Ausstellungsprojekten fand die Sammlerin bei den Niederländern Mieke Groot und Bart Guldemond. Mieke Groot, selbst freischaffend im Glas tätig, konzipierte und realisierte die Ausstellungen, stellte den Kontakt zu den Künstlern her und war profunde Ratgeberin bei der Erweiterung der Sammlung. Bart Guldemond stand Pate bei der Realisierung vor Ort und gestaltete zusammen mit Mieke Groot das „Gesicht“ der jeweiligen Ausstellung.
An seinem 10jährigen Geburtstag zeigt das Museum in einer umfassenden Retrospektive Glasobjekte all jener Künstler, die sich an 20 Ausstellungen in diesem Zeitraum beteiligten und aus deren Werken für die Glassammlung angekauft wurde. Meist waren es zwei oder drei Künstler, die sich an einer Ausstellung beteiligten, selten wurden Einzelausstellungen initiiert. Seit 2003 lädt das Museum auch Schüler und Studenten von Glasschulen oder Kunstakademien ein, so etwa die Absolventen der Gerrit Rietveld Akademie aus Amsterdam, die Schüler tschechischer Glasfachschulen oder die Studenten der Glasklasse der Akademie für Kunst und Design Burg Giebichenstein in Halle. Nahezu von allen Gastausstellern sind Werke in die Museumssammlung aufgenommen worden, die ein repräsentatives Konvolut vielfältiger Glasarbeiten ergeben und die Sammlung konzeptionell wie technisch beachtlich erweitern.
Viele der Arbeiten zeigen, dass der Künstler seine Ideen aus Themen und persönlichen Anliegen entwickelt. Hier ist das eingesetzte Glas bevorzugtes Medium, um die inhaltliche Intention zu bekräftigen. Die Werke von Lieve van Stappen, Sibylle Peretti, Caroline Prisse, Jens Gussek, Louise Rice oder Gareth Noel Williams sind Beispiele dieser Arbeitsweise. Glasexponate, die aus dem formalästhetischen Ansatz entstanden sind und das Glas zuweilen nicht eindeutig erkennen lassen, machen ebenso einen wichtigen Teil der Sammlung aus. Mieke Groots Gefäße und Objekte stehen hier stellvertretend. Einen gewichtigen Anteil an der Sammlung haben die Glasobjekte, welche die charakteristischen Merkmale des Glases, seine Transparenz und seine Fähigkeit auf Licht zu reagieren, unverkennbar herausstellen. Hier sind vor allem die tschechischen Künstler zu nennen, die sich konsequent diesen Eigenschaften verschreiben. Auch hinsichtlich der angewandten Techniken spannt die Ausstellung einen breiten Bogen. Die traditionelle Lampenarbeit und das geblasene Glas spielen nach wie vor eine tragende Rolle in der Sammlung, doch ergänzen die Technik der Formschmelze, das heiß verformte Glas und auch das Flachglas das Spektrum. Spannend und originell sind die Glasobjekte vor allem durch die unterschiedliche Bearbeitung ihrer Oberfläche, sei es durch das Bemalen mit Schmelz- oder Kaltfarben, durch das Ätzen, Gravieren, Schleifen, Polieren oder Sandstrahlen. Glaskörper in Kombination mit Metall, Holz oder Textilien bis hin zu Leder – die sog. Mixed Media – haben in den letzten zehn Jahren beachtlichen Zugang zur Sammlung gefunden und sich dort etabliert. Eine solche Rückschau markiert die eigene Epoche des Museums und ist zugleich Anlass zum Fazit seiner Leistung, auch für die Menschen, die dort 10 Jahre miteinander arbeiteten, diskutierten und ihre Freude am Glas teilten. Für Mieke Groot und Bart Guldemond ist diese Ausstellung Zäsur und zugleich das Ende der Zusammenarbeit mit der Stiftung und dem Glasmuseum. Für Ihr Engagement, ihre Sachkompetenz und ihre Ideen danken die Stifter Kurt und Lilly Ernsting im Namen der gesamten Stiftung sehr herzlich und wünschen beiden eine gute Zukunft.
In seinem 10. Jahr hat das Glasmuseum mit einem eigenen Glasdepot im benachbarten Höltingshof Zuwachs bekommen. Seit April kann der Besucher dort die Glasobjekte aus 30jähriger Sammlungstätigkeit sehen. An die Zukunft der Sammlung ist gedacht, denn ausreichend Platz wartet auf neue Glasobjekte.
Fotos von links:
Richard Meitner, Gift, 2002 – Foto Ron Zijlstra
Jens Gussek, Bubble Car I, 2000 – Foto Ron Zijlstra
Louise Rice, Cage, 2003 – Foto Ron Zijlstra
Mieke Groot, o.T., 2003 – Foto Ron Zijlstra
Akademie der Bildenden Künste München
Auch im Ausstellungsjahr 2006 kommen Studenten ins Glasmuseum Alter Hof Herding in Lette. Von März bis Juli präsentiert die Ausstellung rund 40 Objekte und Bilder aus Glas von 17 Studentinnen und Studenten der Akademie der Bildenden Künste München.
Eigenwillig und individuell wie die Studenten sind auch alle Exponate. Nicht nur, weil die angehenden Künstler ihre eigenen Ideen und einen persönlichen Ausdruckswillen haben, auch ihre akademische Vor- und Ausbildung ist sehr unterschiedlich. Neben der von Norbert Prangenberg geleiteten Glas-und Keramikklasse kommen die Studenten aus verschiedensten Fachbereichen, sei es die Freie Malerei und Bildhauerei, die Goldschmiedekunst, dem Bühnenbild mit Kostüm oder der Kunsterziehung für das Lehramt an Gymnasien oder in der Innenarchitektur. Trotzdem haben sie eins gemeinsam: die Faszination am Glas und den Willen, es neu zu gestalten und zu beherrschen.
An ihrer Wirkungsstätte, der Studien- und Experimentierwerkstatt für Glasmalerei, Licht und Mosaik der Kunstakademie, sind sie nicht allein gelassen. Der Leiter der Werkstatt, Thierry Boissel, steht ihnen beratend und unterstützend zur Seite. Mit Boissel haben sie einen Lehrer, der sich seit langem in der Glaskunst etabliert hat und vor allem die Technik des Fusings – ob in der freien oder in der angewandten Arbeit – in der Glasszene salonfähig gemacht und ihr zur Anerkennung verholfen hat. Unbefangen, provokativ, poetisch oder völlig abstrakt gingen die Studenten ans Werk. Mal mit dem Hohlglas, mal mit dem Flachglas, zum Teil als Einzelarbeit oder im Kontext mit verwandten Objekten drücken sie ihre Ideen aus. Installationen greifen in den Raum, reagieren auf ihn oder sind exakt für einen gezielten Ort des Museums konzipiert.
Dass die Studenten technisch versiert sind, mag aus der Sicht der angewandten und freien Kunst marginal sein. Die im Fusing geschmolzene Scheibe, das Objekt aus Pâte de Verre, die fröhlich farbige Glaskugel oder das in seiner Oberfläche bemalte, sandgestrahlte Glas haptisch zu erleben, ist verlockend – nach wie vor für die Studenten, vor allem aber für den Betrachter. Seien Sie also gespannt auf eine Ausstellung voller Esprit, Humor und Tiefsinn und lassen Sie sich ein auf einen Dialog mit dem Glas und seinem geistigen Verfasser.
Fotos von links:
Tanja Fender, Embryo, 2006 – Foto AHH
Masayo Oda, An einem Frühlingsabend, 2006 – Foto AHH
Sabine Rosenberger, Stealth B2, 2005 – Foto Sabine Rosenberger
Lisbeth M. Ojeda dÉlia, Wert des Lebens, 2005 – Foto AHH
Neuerwerbungen 2005
Der kontinuierliche Ausbau der Sammlung mit aktuellen Werken von höchster Qualität zählt zu den primären Aufgaben des Glasmuseums.
Traditionell wird zu Beginn eines jeden Jahres ein Überblick über die Neuankäufe des Vorjahres gegeben. Gerne werden für die Sammlung immer wieder neue Objekte von Künstlern erworben, deren Entwicklung seit Jahren aufmerksam verfolgt wird. Ein Beispiel dafür ist u.a. Gareth
Williams, der mit mehreren und dabei sehr unterschiedlichen Arbeiten erneut vertreten ist. Von Stanislav Libenský und Jaroslava Brychtová kommt ein eher untypisches Werk in die Sammlung: Es ist ein Detail aus einem Fensterentwurf für eine Kapelle.
Bei den Neuerwerbungen lag ein besonderes Augenmerk auf Künstlern, die bislang noch nicht in der Sammlung vertreten sind wie z.B. Angela Jarman und John Burton aus Großbritannien, Deborah Cocks und Jessica Loughlin aus Australien sowie Klaus Hilsbecher und Uta Majmudar aus Deutschland.
Aus unserer Sicht waren die beiden Sonderausstellungen des Jahres 2005 sehr inspirierend. Im Frühjahr richtete das Museum mit einer Ausstellung „Zeitgenössisches Tschechisches Glas“ den Fokus auf eine Auswahl großformatiger Werke der letzten Jahre. Arbeiten u.a. von Aleš Vašíček, Dana Zámečníková und Borek Šipek gehören jetzt zur Sammlung. Die Objekte aus der Herbstausstellung mit Lieve Van Stappen und Sibylle Peretti gewähren einen intensiven Zugang zu ihren Themen und einen tiefen Einblick in ihre künstlerische Arbeit und Entwicklung. Die aus diesen Sonderausstellungen erworbenen Objekte bilden einen wichtigen Bestandteil der Ausstellung „Neuerwerbungen 2005“.
Zur Eröffnung der Ausstellung erscheint ein Katalog mit den „Erwerbungen 2004-2005“.
Fotos von links:
Vittorio Verro, o.T., 2004 – Foto Ron Zijlstra
Gareth Noel Williams, Lustrous, 2004 – Foto AHH
Deborah Cocks, Orchids, 2004 – Foto Ron Zijlstra
Angela Jarman, Loop 2, 2004 – Foto Ron Zijlstra
2005
Lieve Van Stappen und Sibylle Peretti
Die Themen von Sibylle Peretti und Lieve Van Stappen haben im Wesentlichen einen gemeinsamen Kern. Sibylle Peretti, in Mülheim geboren, studierte in Köln Malerei und Bildhauerei. Heute lebt und arbeitet sie in New Orleans. Hin und wieder kehrt sie zum Arbeiten nach Deutschland zurück. Das zentrale Thema ihrer Arbeiten entwickelte Sibylle Peretti bei der Betrachtung von Kinderfotos aus alten medizinischen Fachbüchern. Angerührt und verfolgt von der Einsamkeit und dem Autismus dieser Kinder, will sie die Kleinen aus dem klinischen Kontext herauslösen und ihnen Würde verleihen. Die Darstellungen zeigen einen Verletzungs- und Heilungsprozess, wobei der Ausgang des letzteren ungewiss bleibt. „Die Kinder finden Trost im Schweigen und sprechen ihre eigene wortlose Sprache“. Dieser Gedanke wiederholt sich in den Zeichnungen von Sibylle Peretti, junge Menschen ähneln mythischen Wesen, scheinen mit Flora und Fauna verbunden und mit ihnen still zu kommunizieren.
Verwundungen, die aus emotionalen Erinnerungen an Krieg und Gewalt entstehen, sind das Thema von Lieve Van Stappen. Sie beschäftigt die Fragen über die Veränderung oder Verflüchtigung dieser Erfahrungen in der Rückschau mit zeitlicher Distanz und ihrer Auswirkung auf künftige Generationen und Gemeinschaften. Dabei geht es ihr nicht so sehr um die Notwendigkeit der ständigen Erinnerung. Sie will, dass diese Erfahrungen nicht in Vergessenheit geraten. Ihre Installationen wirken wie Laboratorien der Erinnerung. Transparente, lichtdurchlässige Objekte halten die flüchtigen Inhalte von Träumen und Albträumen, Trauer und Hoffnung, aber auch von persönlicher und allgemeiner Geschichte fest. In jüngster Zeit hat die Künstlerin bewegte Bilder und Klänge in ihre Arbeiten integriert. Lieve Van Stappen lebt und arbeitet in Belgien. Sie hat in Gent Malerei und Bildhauerei studiert.
Fotos von links:
Sibylle Peretti, Birdkiss, 2005 – Foto Ron Zijlstra
Sibylle Peretti, Wall of tears, 2005 – Foto Ron Zijlstra
Lieve van Stappen, Barbed wire, 2005 – Foto AHH
Lieve van Stappen, Beggars, 2005 – Foto Ron Zijlstra
Sommerausstellung
„Immer an der Wand lang“ könnte der Besucher über diese Sommerausstellung denken, die vollständig aus dem Stiftungsbesitz bestückt wird. Denn das Glasmuseum wendet sich in diesem Sommer den Wandobjekten der Sammlung zu.
Eindrucksvoll ist die unterschiedliche Herangehensweise der Künstler. Bei den Werken des Japaners Jassu Kaneko steht eher
eine asketische Form- und Materialsprache im Vordergrund. Materialien wie Ton und Porzellan werden mit Glas gleichsam
übergossen und fixieren den Moment der Erstarrung.
Die ebenfalls mit anderen Materialien kombinierten Glasobjekte von Caroline Prisse laden zum Spiel mit unseren Sehgewohnheiten
ein. So wächst zum Beispiel aus einer Säge oder Gartenschere ein Glaszweig oder riesige Metallschlüssel sind mit Glaszähnen
bestückt. Die formgeblasenen, frei hängenden Gefäße von Katrin Maurer erfordern ein genaueres Hinsehen, will man die auf ihnen
eingravierten Texte entziffern. Das gilt auch für ausgestellte Glasbilder, die nicht der klassischen Hinterglasmalerei entsprechen.
Hier sind Zeichnungen zu sehen, die mittels davor gesetzter Glasstäbe eine überraschende Dreidimensionalität erfahren.
So erschließt sich manches nicht auf den ersten Blick, erst ein Nähertreten oder ein Standortwechsel führen zur Antwort.
Fotos von links:
Caroline Prisse, o.T., 2002 – Foto Ron Zijlstra
Jassu Kaneko, o.T., 1998 – Foto Ron Zijlstra
Ellen Urselmann, Trophy, 2002 – Foto Ron Zijlstra
Kathrin Maurer, Poetic explorsions, 2003 – Foto Ron Zijlstra
Zeitgenössisches Tschechisches Glas
Wie groß die Bedeutung des tschechischen Glases für die Entwicklung im Bereich Glas ist, kann man an der Vielzahl von Ausstellungen ersehen, die dem Thema in diesen Monaten gewidmet sind. Das Glasmuseum Alter Hof Herding richtet den Focus auf eine Auswahl großformatiger Objekte der letzten Jahre von so bedeutenden tschechischen Künstlern wie zum Beispiel Borek Šipek, Jan Fišar, Stanislav Libenský, Gizela Šabóková, Ivana Šrámková, und František Vizner. Werke, die erstmals im Glasmuseum zu sehen sind, und Exponate aus der eigenen Sammlung zeigen die große Bandbreite von Arbeiten mit einer Betonung der ästhetischen Formensprache bis hin zu figürlichen Skulpturen.
Zu Beginn der Studioglasbewegung in den 1960er Jahren wusste man in den USA und in Westeuropa nur wenig von den außerordentlichen Leistungen, die auf dem Gebiet des künstlerischen Umganges mit Glas in der Tschechoslowakei erbracht wurden. Aufgrund der großen Tradition des Glases in dem Land und seiner Förderung durch ein ungewöhnliches Schulsystem gibt es viele begabte Künstler, die seit den 1940er Jahren auf einem sehr hohen Niveau mit Glas arbeiten. Die Glasfachschulen in Nový Bor, Železný Brod und Kamenický Šenov vermitteln eine solide Basis technischer Fertigkeiten und schaffen gute Voraussetzungen für talentierte Studenten, anschließend an der Akademie für Angewandte Kunst in Prag oder Bratislava zu studieren.
Vor der politischen Wende arbeiteten tschechische Künstler in einem mehr oder weniger in sich geschlossenem System. In dieser isolierten Situation hatte Stanislav Libenskýs inspirierende Art zu Lehren einen enormen Einfluss auf die künstlerische Entwicklung seiner Studenten der Prager Akademie und auf das Glas in der CSSR insgesamt. Diese Kombination aus relativer Abgeschlossenheit einerseits und Libenskýs Einfluss andererseits prägte einen eigenen, nationalen und hauptsächlich skulpturalen Stil im Glasguss. Gleichzeitig entwickelte sich an der Akademie für Angewandte Kunst in Bratislava durch Vaclav Cigler das geschliffene optische Glas in ganz besonderem Maße. Mit dieser Ausstellung würdigt das Museum die Bedeutung des tschechischen Glases und seine Leistungen in der künstlerischen und technischen Entwicklung.
Fotos von links:
Frantisek Vizner, o.T., 2004 – Foto Ron Zijlstra
Gizela Sabokova, o.T., 1996 – Foto Ron Zijlstra
Ivana Sramkova, Green Bird, 2004 – Foto Ron Zijlstra
Ales Vasicek, Roter Diskus, 2003 – Foto Ron Zijlstra
Neuerwerbungen 2004
Was tut sich im Bereich Glas? Das Glasmuseum versucht jeweils mit der ersten Ausstellung des Jahres auf diese Frage eine Antwort zu finden. Mit der Präsentation der Neuankäufe des Jahres 2004 entsteht ein Überblick über unserer Meinung nach Neues und Vielversprechendes oder Strömungen, die sich weiter entwickelt haben.
Ein Teil der Neuerwerbungen resultiert aus den Sonderausstellungen, zu denen das Glasmuseum zweimal im Jahr Künstler oder Schulen einlädt. So werden regelmäßige Besucher des Museums die aus Glasscherben gefertigten Hunde von Martha Klonowska oder die sich spiegelnden Glasbilder von Maurizio Donzelli aus der ersten Sonderausstellung des Jahres 2004 wiederfinden; zwei Künstler, die mit ihren Arbeiten nun zum ersten Mal in der Sammlung vertreten sind. Auch aus der sehr lebendigen Ausstellung im Herbst 2004 mit Studenten und Dozenten der Glasklasse der Hochschule für Kunst und Design, „Burg Giebichenstein“ in Halle an der Saale sind zahlreiche angekaufte Werke zu sehen.
Im Laufe eines Jahres werden natürlich auch bei Besuchen von Galerien und Künstlern Objekte entdeckt, die nun zum ersten Male ausgestellt sind. Der Besucher darf gespannt sein auf die zierlichen Figuren aus Glas, Draht und Pappmaché von Gerhard Ribka, den bulligen Boxerkopf von Václav Machac oder den mit Pharmazieflaschen gespickten Lederkörper von Gareth N. Williams, um nur einige Beispiele zu nennen.
Seit einiger Zeit achtet das Museum verstärkt darauf, die Sammlung durch Objekte aus dem Design-Bereich zu erweitern. Die bei einem Besuch in Venedig erworbenen Stücke von so namhaften Designfirmen wie Venini, Salviati, Barbini und Moretti runden den Blick auf die Neuankäufe des Jahres 2004 ab.
Fotos von links:
Venini, o.T., 2004 – Foto Ron Zijlstra
Gerhard Ribka, An Dich, 2003 – Foto Ron Zijlstra
Gareth Noel Williams, Mehrfachimpfung, 2003 – Foto Ron Zijlstra
Vaclav Machac, Kopf eines Boxers – Pedrosa, 1999 – Foto Ron Zijlstra
2004
Burg Giebichenstein – Glasklasse
„Burg Giebichenstein“, die Hochschule für Kunst und Design in Halle an der Saale, war in den 20er Jahren neben dem Bauhaus die einflussreichste deutsche Kunstschule. Trotz einer wechselvollen Geschichte in den folgenden Jahrzehnten gelang es ihr, sich noch zu DDR-Zeiten zu einer anerkannten Hochschule für industrielle Formgestaltung und Design zu entwickeln.
Die Glasklasse der Kunsthochschule wurde Anfang der 70er Jahre gegründet mit dem Ziel einer vorwiegend kunsthandwerklichen Ausbildung für die architekturbezogene Glasgestaltung. Anfang der 90er Jahre wurde diese Strategie grundsätzlich reformiert und kreist heute primär um ein freies künstlerisches Verständnis von Idee, Konzept und individuellem Zugriff. Die Glasklasse versteht sich als eine interdisziplinäre Klasse für die freie Kunstausbildung. Es besteht bei freier Wahl der Medien ein sehr gutes Angebot an Know-how, Werkstattausstattung und Workshops, um sich mit Glas und seiner Bearbeitung auseinander zu setzen. Diese Möglichkeit wird von der Mehrzahl der zur Zeit 30 Studierenden als Ergänzung und integrierter Bestandteil ihrer künstlerischen Arbeit intensiv genutzt.
Was bei dieser kreativen Auseinandersetzung unter anderem auch mit dem Material Glas entstanden ist, zeigen in dieser Ausstellung Studenten und Dozenten der Glasklasse mit ihren Objekten.
Fotos von links:
Todor Goranov, o.T., 2004 – Foto Ron Zijlstra
Jens Gussek, Schiff mit Jungfrauen, 2004 – Foto Ron Zijlstra
Mathias Eckartt, Hund, 2004 – Foto Ron Zijlstra
Jens Pfeifer, Guns, 2003 – Foto Ron Zijlstra
Sommerausstellung
Die Sommerausstellung des Glasmuseums hat traditionell einen thematischen Schwerpunkt.
Losgelöst von den zeitlichen Akzenten früherer Jahre steht in diesem Jahr das Thema „Farben“ im Vordergrund. Es werden Rauminseln mit Glas in den verschiedenen Grundfarben geschaffen.
Ob es sich um das intensive Grün und Blau der Vasen von Anna Matoušková oder das leuchtende Rot der Schale von Toots Zynsky handelt, die Farben des Sommers wird der Betrachter in den Glasobjekten dieser Ausstellung wiederfinden. Und so ganz nebenbei entsteht auch ein Eindruck des kreativen Schaffens mit Glas seit Entstehung der Sammlung Ernsting Anfang der 70er Jahre.
Fotos von links:
Toots Zynsky, Birds of paradise, 1987 – Foto Ron Zijlstra
Mieke Groot, Yellow, 1996 – Foto Ron Zijlstra
Marion A. Simon, Encanto, 1997 – Foto Ron Zijlstra
Anna Matouskova, o.T., 2001 – Foto Ron Zijlstra
Glas im Großformat
Glas im Großformat wird in dieser Sonderausstellung des Glasmuseums gezeigt. Sechs europäische Künstler sind mit Skulpturen vertreten, die auf Grund ihrer Größe mehr Raum beanspruchen, als wir es bei Glasobjekten üblicherweise gewohnt sind. Diese Skulpturen sind raumfüllend und ermöglichen zum Teil, ein Kunstwerk von allen Seiten zu betrachten und zu „begreifen“. Die starke Struktur des Materials Glas mit seinen vielfältigen Bearbeitungsmöglichkeiten, oft kombiniert mit anderen Materialien, verschaffen einer Skulptur besondere Ausdrucksstärke. Dabei ist es aufschlussreich zu sehen, mit welchen grundsätzlichen Fragen und Themen sich der einzelne Künstler auseinandersetzt und vielleicht auch den Betrachter anregt, es ihm gleich zu tun.
Lisa Gherardi hat sich in den letzten Jahren hauptsächlich mit dem Thema Tod als einem der zwei Pole, zwischen denen unser Leben verläuft, beschäftigt. Ihre neueren Arbeiten strahlen eine große Vitalität, gleichzeitig aber auch eine gewisse Ironie und Mehrdeutigkeit aus. Die Objekte sind dem Menschen und seinem Körper zugewandt und zeigen dabei die weniger sichtbaren Körperteile, nämlich Knochen in Verbindung mit weichen Materialien, wie z.B. Latexschläuchen oder Handknochen aus Glas, die den dazugehörigen Röntgenbildern gegenübergestellt werden.
Silvia Levenson beschäftigt sich mit dem geschönten Bild, das die Medien über die Kindheit vermitteln und das wir uns auch selbst oft davon machen. Sie will mit ihren Arbeiten die Unmöglichkeit verdeutlichen, selbst in der eigenen Privatsphäre frei von Angst zu sein, angesichts dessen, was in der Welt geschieht. So berühren die verlassen vor einer Kinderbank stehenden Schuhe auch tiefe Einsamkeitsgefühle.
Esther Jiskoots Skulpturen bestehen aus wunderbar aufgefädelten Perlen, die einen Kontrast bilden zu weiteren Materialien wie Keramik und Kunststoff. Die Künstlerin möchte Kunstwerke schaffen, die sich eher an tiefen Gefühlen als an äußeren Dingen orientieren.
Die Hofporträts alter Meister, die Maria Klonowska in den Mittelpunkt ihrer Arbeiten stellt, sind als Posen für die Ewigkeit gedacht. Beiwerk, wie Schmuck, Schuhe und Hunde dienen üblicherweise auf solchen Porträts dazu, den gesellschaftlichen Status der Porträtierten zu demonstrieren. Sie werden hier von der Künstlerin aus dem Bild „herausgehoben“ und als Skulptur in den Vordergrund gerückt. Durch das Material Glas erhalten sie Eigenständigkeit und Präsenz.
Das Haus ist ein Ursymbol für das Bedürfnis nach Schutz und Geborgenheit. Bei den Objekten von Stephanie Rhode kann der Betrachter Siedlungen von Häusern aus Glas, Stahl und Filz umkreisen und erfährt je nach Standpunkt neue Licht- und Schattenwerte, die durch die strenge Anordnung der Hausgruppen und die unterschiedlichen Materialien entstehen.
Um Eindrücke aus unterschiedlichen Blickwinkeln geht es auch bei den Zeichnungen von Maurizio Donzelli. Je nach Standort des Betrachters geraten seine Figuren in Bewegung und konstruieren eine neue Szene. Maurizio Donzelli ist Grafiker und experimentierte erstmals bei einem Kulturprojekt der Stadt Bozen mit dem Material Glas und seinen vielfältigen Möglichkeiten, die ihn weiterhin inspirieren.
Fotos von links:
Marta Klonowska, Les Jeunes (nach de Goya), 2003 – Foto AHH
Esther Jiskoot, Bluesack, 2001 – Foto Ron Zijlstra
Lisa Gherardi, o.T., 2003 – Foto Ron Zijlstra
Silvia Levenson, Little bad girl, 1999 – Foto Ron Zijlstra
Neuerwerbungen 2003
Das Glasmuseum Alter Hof Herding zeigt in dieser Ausstellung Glasobjekte, die im Laufe des Jahres 2003 angekauft wurden. Ein wichtiges Kriterium ist dabei, die Sammlung durch solche Kunstwerke zu erweitern, die Strömungen unserer Zeit spiegeln und qualitativ den Ansprüchen des Museums genügen. Dazu ist es wichtig, in ständigem Kontakt mit der Glasszene zu bleiben, um die Entwicklung einzelner Künstler zu verfolgen und neue Richtungen wahrzunehmen.
Besuche von Galerien, Kunstmessen, der direkte Kontakt zu Glaskünstlern und die Lektüre von Glasfachzeitschriften helfen dabei, auf dem Laufenden zu sein. Im Jahr 2003 waren es vor allem Besuche von Fachschulen in der Tschechischen Republik und der über lange Zeit gewachsene enge Kontakt zur Gerrit Rieveld Academie in Amsterdam, die in dieser Hinsicht sehr aufschlussreich waren und aus denen die Themen der beiden Sonderausstellungen entstanden sind.
In der ersten Sonderausstellung gaben Schüler und Dozenten von drei tschechischen Glasfachschulen mit einer großen Auswahl von Arbeiten einen interessanten Eindruck über die technischen Fertigkeiten tschechischer Glaskünstler. Eine ganz eigene, persönliche und ausdrucksstarke Formensprache zu finden, ist den drei Absolventen der Gerrit Rietveld Academie eindrucksvoll gelungen, die im Rahmen der zweiten Sonderausstellung im Herbst 2003 eingeladen waren, ihre Objekte zu präsentieren. Bei den Neuerwerbungen des Jahres 2003 sind daher natürlich Ankäufe aus diesen beiden Ausstellungen stark vertreten.
Daneben gibt es aber auch sehr reizvolle neue Objekte von bereits bekannten oder auch erstmals in der Sammlung vertretenen Künstlern zu sehen. So wurden unter anderem Arbeiten von Bruno Romanelli, Hartmann Greb, Katja Prins und Jean-Pierre Umbdenstock erworben.
Fotos von links:
Bruno Romanelli, Gesichtsreliquie, 2002 – Foto Ron Zijlstra
Patrick Seegers, Monkey Bowl Nr. 2(5), 2003 – Foto Ron Zijlstra
Jean-Pierre Umbdenstock, Fruit, 2002 – Foto Ron Zijlstra
Harmann Greb, Blau, 2002 – Foto Ron Zijlstra
2003
Gerrit Rietveld Academie Amsterdam
Im Februar dieses Jahres kündigte der Direktor der „Gerrit Rietveld Academie“ in Amsterdam aufgrund der bevorstehenden Kürzung finanzieller Mittel die Schließung der seit 34 Jahren existierenden Glasabteilung an. Selbst die zahlreichen nationalen und internationalen Reaktionen, mit denen eine tiefe Betroffenheit über diese Entscheidung zum Ausdruck gebracht wurde, konnten nicht verhindern, dass die Glasabteilung in dieser Form nicht weiter bestehen bleiben wird.
Sybren Valkema gründete 1969 „The Workgroup Glass“. Unter seinen Nachfolgern Richard Meitner und Mieke Groot entstand daraus 1981 eine Abteilung der „Gerrit Rietveld Academie“. Diese Glasabteilung besteht aus einer kleinen Gruppe von Studenten aus aller Welt. Im Gegensatz zu vielen anderen, technisch orientierten Glasausbildungen liegt ein besonderes Merkmal in der Entwicklung einer persönlichen, ausdrucksstarken Formensprache. Dieser Ansatz hat sich als sehr erfolgreich erwiesen und die Ausbildung genießt weltweit ein hohes Ansehen.
Das Glasmuseum hat bereits eine langjährige Beziehung zur „Gerrit Rietveld Academie“. Bereits in den frühen 80er Jahren entdeckte Lilly Ernsting in der Galerie Arti-choque im niederländischen Velp Arbeiten von Absolventen dieser Glasabteilung. Inzwischen ist die Sammlung Ernsting um viele Arbeiten von Künstlern, die dort studiert haben, bereichert worden. In seinen Sonderausstellungen hat das Glasmuseum im Laufe der Jahre mehrere Rietveld-Absolventen vorgestellt. Angesichts der jüngsten Entwicklungen hat sich darum das Glasmuseum entschlossen – in Anerkennung des besonderen Charakters dieser einmaligen kleinen Abteilung – die Arbeiten der Absolventen des letzten Studienganges in dieser Sonderausstellung zu zeigen. Katrin Maurer (Österreich), Louise Rice (Ireland) und Ellen Urselmann (Niederlande), Schüler von Elisabeth Swinburne und Vincent van Ginneke, repräsentieren mit ihren Arbeiten somit auch das Ende einer Ära.
Fotos von links:
Louise Rice, Safe as Houses 1, 2003 – Foto Ron Zijlstra
Ellen Urselmann, Dome, 2003 – Foto Ron Zijlstra
Katrin Maurer, Ancient Liquid Connection II, 2003 – Foto Ron Zijlstra
Louise Rice, Cage, 2003 – Foto Ron Zijlstra
Sommerausstellung
Den Kern des Glasmuseums Alter Hof Herding bildet die im Laufe von 25 Jahren aufgebaute Glassammlung Ernsting. Sie wird durch interessante Neuankäufe kontinuierlich erweitert.
Die Exponate der jährlichen Sommerausstellung werden ausschließlich aus dieser umfangreichen Sammlung zusammengestellt. Ein breites Spektrum unterschiedlicher Arbeiten und Stilrichtungen gibt dem Museum die Möglichkeit, die Sommerausstellung jeweils unter ein bestimmtes Thema zu stellen. Im vergangenen Jahr hat das Glasmuseum Objekte gezeigt, die in den 80er Jahren entstanden sind und – gleichsam daran anknüpfend – wird in diesem Sommer eine Auswahl von Arbeiten unter dem Titel „Glas der 90er Jahre“ präsentiert.
Standen die 80er Jahre im Zeichen der Entwicklung und Erprobung von ganz verschiedenen Techniken, so sind die 90er Jahre durch deren Verfeinerung und eine verstärkte Fokussierung auf die Ausdruckskraft der Objekte geprägt. Dabei benutzen die Künstler häufiger und selbstverständlicher andere Materialien in Kombination mit Glas. Auch der Kooperation zwischen Künstlern und Meisterbläsern aus der industriellen Fertigung kommt in diesen Jahren wieder größere Bedeutung zu. In der Sammlung Ernsting finden sich zahlreiche wichtige Beispiele sowohl skulpturaler als auch „funktionaler“ Stücke aus dieser Periode. So wird die Ausstellung einen hervorragenden Überblick über diese Dekade vermitteln.
Fotos von links:
Deborah Hopkins, o.T., 1995 – Foto Ron Zijlstra
Constantin Matei-Negreanu, Vogue, 1995 – Foto Ron Zijlstra
Colin Rennie, Objects Consacret, 1998 – Foto Ron Zijlstra
Dale Chihuly, Burnt Orchid (Seaform), 1995 – Foto Ron Zijlstra
Tschechische Glasfachschulen
In der Glasgalerie Hittfeld bei Hamburg wurden im Jahr 2000 Arbeiten von Studenten tschechischer Glasfachschulen präsentiert. Die hervorragende Qualität der Objekte war so überzeugend, dass daraus die Idee zu einer eigenen Ausstellung im Glasmuseum entstanden ist.
In Kooperation mit der Galeristin der Glasgalerie Hittfeld, Eliška Stölting, organisiert das Glasmuseum eine Ausstellung mit Arbeiten von Studenten und Lehrern der tschechischen Glasfachschulen in Zelezný Brod, Kamenický Šenov und Nový Bor. Diese Schulen wurden Ende des 19. Jahrhunderts gegründet. Zu der Zeit begannen die Kunden, höhere Ansprüche an die Qualität der Glasprodukte zu stellen. Um konkurrenzfähig zu bleiben, hatte die Glasindustrie die Notwendigkeit der kontinuierlichen Anpassung an veränderte Lebensgewohnheiten und den Geschmack der Verbraucher erkannt. Zunächst orientierten sich die Schulen an den speziellen Erwartungen der Industrie und bildeten geschickte Schleifer, Graveure und Glasmaler aus, die nach ihrem Abschluss in die industrielle Fertigung übernommen wurden.
Durch den Einfluss der veränderten Anforderungen der Glasindustrie wurde gleichzeitig eine bemerkenswerte und intensive Entwicklung angestoßen. Es war offensichtlich, dass ein Zuwachs sowohl an technischen Kenntnissen als auch an künstlerischen Fähigkeiten immer wichtiger wurde. So werden heute an den Glasfachschulen neben der Ausbildung von Spezialisten für die Glasindustrie auch besonders talentierten Schüler für das Studium an einer Kunstakademie vorbereitet. Da jede Schule ganz spezifische Fachkenntnisse auf unterschiedlichen Gebieten der Glastechniken besitzt, zeigt diese Ausstellung eine breite Vielfalt von interessanten Arbeiten.
Fotos von links:
Jiri Sin, o.T., 2002 – Foto Ron Zijlstra
Lenka Bubnova, o.T., 1999 – Foto Ron Zijlstra
Anna Polanska, Motorrad I + III, 2000 – Foto Ron Zijlstra
Petr Mens, Comedia dell Arte, 2000 – Foto Foto Ron Zijlstra